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„Unfassbar“

Regierung erklärt sich zur PiDaNa® – Linksfraktion unzufrieden mit Antworten

BERLIN (jz) | Eigentlich erhofften sich die Abgeordneten der Linksfraktion konkrete Antworten. Doch diese bekamen sie nur bedingt: Wie es mit der Forderung des Bundesrats, die „Pille danach“ (PiDaNa®) aus der Rezeptpflicht zu entlassen, weiter gehen soll, hat die Bundesregierung nämlich bislang nicht entschieden. Das weitere Vorgehen werde derzeit geprüft, erklärte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ingrid Fischbach (CDU), in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion. Dabei macht die Europäische Kommission bereits Druck.
Foto: DAZ/rb
Noch keine Entscheidung gibt es dazu, ob die PiDaNa® aus der Rezeptpflicht entlassen wird oder nicht. Aus Sicht der Linken eine „unfassbare“ Situation.

Der Bundesrat beschloss letztes Jahr, unter anderem der Verordnung zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Anerkennung von in anderen Mitgliedsstaaten ausgestellten Verordnungen nur dann zuzustimmen, wenn Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (LNG) aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Doch das will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nicht – weshalb die Regierung in Bedrängnis gerät: Die vorgegebene Umsetzungsfrist für die EU-Vorgaben sei im Oktober 2013 verstrichen, erklärt Fischbach in ihrer Antwort. Die Europäische Kommission habe bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Als nächstes komme ein Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Betracht.

So gut wie keine Nebenwirkungen

Die Abgeordneten der Linksfraktion wollten außerdem wissen, welche Kriterien nach Ansicht der Bundesregierung bei der Entscheidung über die Verschreibungspflicht herangezogen werden können. Alle in § 48 AMG (Verschreibungspflicht) genannten, antwortet Fischbach. Ob das betreffende Arzneimittel indikationsbezogen als Mittel erster Wahl angesehen wird, spielt ihrer Meinung nach keine Rolle: „Nach dem Arzneimittelgesetz sollen nur die mit dem einzelnen Wirkstoff verbundenen Risiken über die Einstufung zur Verkaufsabgrenzung entscheiden.“ Gefragt nach der Häufigkeit thromboembolischer Ereignisse im Zusammenhang mit Levonorgestrel kann Fischbach dann aber nur auf einzelne Fälle verweisen: Seit 1998 seien zwei Fälle gemeldet worden, wobei ein kausaler Zusammenhang mit der Levonorgestrel-Anwendung wegen der Begleitmedikation nicht wahrscheinlich sei.

Sachverständigenausschuss-Voten nicht bindend

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hat sich inzwischen mehrfach für die Entlassung des Notfallkontrazeptivums ausgesprochen. Kathrin Vogler und Kollegen fragten daher, welche Bedeutung die Regierung den Voten des Ausschusses beimisst. Er berate das BMG im Hinblick auf Aspekte zu möglichen Änderungen der AMVV, stellt Fischbach klar. „Seine Voten sind für das jeweils zuständige Ressort nicht bindend.“ Ausweichend antwortet die Staatssekretärin auf die Frage, in welchem Punkt die Regierung in Bezug auf die Levonorgestrel-Freigabe anderer Auffassung sei als der Sachverständigenausschuss: Die Frage sei laut Sitzungsprotokoll im Ausschuss kontrovers diskutiert worden, schreibt sie. Das Votum sei „mehrheitlich, also nicht einstimmig“ erfolgt.

Ärzte haben spezielles Wissen für Beratung

Die Linksfraktion bohrte auch hinsichtlich der Beratung nach: Können Apotheker das genauso gut wie Ärzte? „Apotheker sind aufgrund ihrer pharmazeutischen Ausbildung in der Lage, Arzneimittel herzustellen, zu analysieren, zu bewerten und abzugeben“, führt Fischbach dazu aus. Sie seien als „Arzneimittelexperten“ vor allem mit der Wirkungsweise und dem Nebenwirkungsprofil unterschiedlicher Arzneimittel vertraut. „Diese Ausbildung, verbunden mit speziellen Fortbildungen, befähigt sie auch zu einer ihrer Qualifikation entsprechenden Beratung für eine sachgerechte und bestimmungsgemäße Anwendung von Arzneimitteln.“ Ärzte wiederum erhielten in ihrer Ausbildung „grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Fächern, die für eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich sind“ – und darüber hinaus spezielle Kenntnisse der Physiologie, gynäkologischen Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und der Schwangerenbetreuung. Insoweit seien sie „im Allgemeinen aufgrund ihrer Ausbildung befähigt, Mädchen und Frauen in einer Notfallsituation umfassend zu beraten und aufzuklären“.

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Linksfraktion, kritisiert das Vorgehen der Regierung bei der PiDaNa® scharf.

Die Frage, ob die Abgabe und Beratung zu Levonorgestrel-haltigen Notfallkontrazeptiva im Rahmen des apothekerlichen Notdienstes ein Hindernis für die Rezeptfreiheit darstelle – und falls ja, welche Rückschlüsse sie in Bezug auf die Abgabe anderer Arzneimittel ziehe –, wollte Fischbach offenbar nicht direkt beantworten. Stattdessen betont sie, dass bei der in diesen Notfallsituationen erforderlichen Beratungsleistung die Sicherstellung der Vertraulichkeit – sowohl während der regulären Öffnungszeiten als auch während des Bereitschaftsdienstes an der „Apothekenklappe“ – gewährleistet werden müsse. Zudem verweist sie darauf, dass die Beratung zu Levonorgestrel-haltigen Arzneimitteln „im Gegensatz zu anderen Arzneimitteln intime Fragen zur persönlichen Lebensführung und zum Sexualverhalten“ beinhalte. „Insofern sind generelle Rückschlüsse bezüglich der Abgabe von anderen Arzneimitteln im Apothekennotdienst nicht möglich.“

Vogler: Gröhe hat keine Begründung

Die Antworten aus dem Ministerium gefallen der Linksfraktion überhaupt nicht: „Es ist unfassbar, dass das Gesundheitsministerium seine Position praktisch nicht begründen kann, und nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern auch die Gesetzesvorgaben einfach in den Wind schlägt“, kritisiert Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte. Unfassbar sei außerdem, dass die SPD-Ministerien sich seit Regierungsbeginn nicht zu Wort gemeldet hätten und ausschließlich den Gesundheitsminister für die Bundesregierung „vortanzen“ ließen. In Bezug auf die Beratung führe das Ministerium die Debatte „selbst ad absurdum“, konstatiert Vogler weiter. Apotheker seien „selbstverständlich […] in der Lage, über die vernünftige Anwendung von Notfallkontrazeptiva zu beraten“, betont sie – und um nichts anderes gehe es. Frauen in einer Notfallsituation bräuchten keine „moralinsaure Belehrung über ihr Sexualverhalten oder Geschlechtskrankheiten“, sondern Informationen, ob die PiDaNa® für sie angezeigt und was in Verbindung mit der Einnahme zu beachten sei. „Diese Aufgabe wäre für die Apothekerinnen und Apotheker neu und ein gute Gelegenheit, ihre Fachkompetenz unter Beweis zu stellen.“ 

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