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Fragen aus der Praxis

Homöopathie, Phytos oder Biochemie

Was bei zusätzlichen Kassenleistungen zu beachten ist

Verordnet sind zwei Erkältungsmittel, ein pflanzlicher Hustensaft und ein homöopathisches Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte. Er verkündet Ihnen, dass seine Krankenkasse künftig die Kosten erstattet, und zwar komplett, ohne Abzüge! Sie sind etwas irritiert, hatten Sie doch bisher gedacht, dass bis auf wenige Ausnahmen solche Arzneimittel von Erwachsenen selbst bezahlt werden müssten.

Frage

Der Versicherte einer Betriebskrankenkasse kommt freudestrahlend in die Apotheke und hält Ihnen ein Privatrezept unter die Nase. Verordnet sind zwei Erkältungsmittel, ein pflanzlicher Hustensaft und ein homöopathisches Mittel zur Stärkung der Abwehrkräfte. Er verkündet Ihnen, dass seine Krankenkasse künftig die Kosten erstattet, und zwar komplett, ohne Abzüge! Sie sind etwas irritiert, hatten Sie doch bisher gedacht, dass bis auf wenige Ausnahmen solche Arzneimittel von Erwachsenen selbst bezahlt werden müssten.

Grundsätzlich ist das, was die gesetzlichen Krankenkassen leisten dürfen, per Gesetz vorgeschrieben, so dass im Prinzip alle Krankenkassen die gleichen Leistungen erbringen. Durch die sogenannten Satzungsleistungen können Krankenkassen aber darüber hinaus Leistungen anbieten, die entweder von ihren Versicherten gewünscht werden oder der Krankenkasse einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kassen verschaffen. Diese zusätzlichen Leistungen müssen nach Art, Dauer und Umfang in der Satzung festgelegt werden und können natürlich auch verändert werden. Veränderungen finden beispielsweise häufig im Rahmen von Fusionen statt.

Satzungsleistungen gibt es schon länger. Typische Beispiele dafür sind zusätzliche Impfungen, etwa Reiseimpfungen oder neuere Impfungen, die noch nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen auf Empfehlung der STIKO (Ständigen Impfkommission) gehören. Aktuelles Beispiel ist die neue Meningokokkenimpfung Bexsero®, die von einigen Kassen bereits erstattet wird. Weitere typische Satzungsleistungen sind Haushaltshilfen oder häusliche Krankenpflege, deren Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Auch Gesundheitskurse und Bonusprogramme gehören zu den Satzungsleistungen, durch die sich die einzelnen Krankenkassen voneinander abgrenzen können.

Für die Apotheke besonders interessant ist der Punkt, dass auch nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel für Erwachsene zum Teil erstattungsfähig sind. Diese waren 2004 durch die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie AM-RL bis auf die Ausnahmen in der Anlage I (OTC-Liste) eigentlich nicht mehr verordnungsfähig geworden.

Satzungsleistungen nach Sozialgesetzbuch V seit dem 1.1.2012

§ 11 SGB V Nr. 6

6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche, vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich

  • der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40),
  • der künstlichen Befruchtung (§ 27a),
  • der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Abs. 2),
  • bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs. 1 Satz 1),
  • mit Heilmitteln (§ 32) und
  • Hilfsmitteln (§ 33),
  • im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und
  • der Haushaltshilfe (§ 38) sowie
  • Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen.

Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

Viele, aber nicht alle Kassen

Nicht alle Krankenkassen haben ihre Satzungen im Bereich der Arzneimittel geändert. Es lohnt sich also immer ein Blick in die Satzung der jeweiligen Krankenkasse, um die genaue Formulierung zu sehen. So erstatten zwar viele Krankenkassen „alternative“, also homöopathische, anthroposophische und phytotherapeutische Arzneimittel, manche aber ausschließlich homöopathische, andere wiederum nur homöopathische und anthroposophische Arzneimittel. Wieder andere beschränken die Erstattung dieser Arzneimittel auf bestimmte Krankheitsgebiete. Einige Kassen erstatten auch bestimmte Arzneimittel für Schwangere, z.B. Folsäure oder Magnesium.

Grünes oder Privatrezept

Die meisten Kassen schreiben vor, dass ein Privatrezept (oder grünes Rezept), also eine Verordnung des Arztes notwendig ist. Dies soll sicherstellen, dass Patienten die Therapie mit ihrem Arzt abgesprochen haben und nicht eine notwendige schulmedizinische Behandlung unterbleibt. Eine Verordnung durch einen Heilpraktiker wird nicht anerkannt; bei Homöopathen kann es im Rahmen von Homöopathie-Verträgen Ausnahmeregelungen geben. Zudem wird eine Quittung der Apotheke gefordert.

In der Regel gibt es eine jährliche Obergrenze, bis zu der erstattet wird. Manche Kassen fordern auch eine prozentuale Eigenbeteiligung oder ziehen die gesetzlichen Zuzahlungen ab.

„Wir erstatten jetzt auch homöopathische, anthroposophische und pflanzliche Arzneimittel!“ Was auf den ersten Blick als Werbeslogan einer Krankenkasse glasklar klingt, offenbart auf den zweiten und dritten Blick einige Fallstricke. Die betreffen zwar die Apotheke nicht direkt, denn der Patient muss ja in Vorleistung gehen. Aber es kann durchaus zu Rückfragen in der Apotheke kommen, wenn die Krankenkasse ein Arzneimittel doch nicht erstattet.

Antwort kurz gefasst

  • Gesetzliche Krankenkassen können ihren Versicherten in bestimmten Bereichen (s. Kasten) Leistungen anbieten, die über die gesetzlich vorgeschriebenen hinausgehen.
  • Welche Leistungen das sind, unterscheidet sich von Kasse zu Kasse und muss im Einzelfall abgefragt werden.
  • Handelt es sich um Arzneimittel, dürfen diese nicht generell von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sein.
  • Meistens wird vonseiten der Kasse für die Erstattung eine Verordnung auf ein grünes oder auf Privatrezept verlangt.

Achtung Fallstricke

Arzneimittel. Hier sind nur apothekenpflichtige Arzneimittel gemeint. Manchmal finden sich pflanzliche Arzneimittel, die nicht-apothekenpflichtig sind (z.B. Phytohustil® Hustenreizstiller Sirup) oder sich bei näherer Betrachtung als Medizinprodukte entpuppen. Diese sind nicht von den Satzungsleistungen erfasst. Ebenso sind die Mittel der Bachblütentherapie keine Arzneimittel und werden daher nicht erstattet.

Anthroposophische Arzneimittel. Diese Regelung ist am unkompliziertesten. Die Arzneimittel sind in der Lauer-Taxe entsprechend gekennzeichnet und lassen daher außer der Frage nach der Apothekenpflicht wenig Raum für Interpretationen.

Homöopathische Arzneimittel. Hier wird es bereits etwas unübersichtlicher. Eine klare Definition der Homöopathie fehlt, es gibt mittlerweile viele verschiedene Strömungen, die sich teilweise auch widersprechen. Ist hier die klassische Homöopathie gemeint? Dann wären in der Regel nur Einzelsubstanzen gemeint, im Idealfall ein Konstitutionsmittel oder ein Umstimmungsmittel. Komplexhomöopathika, also mit deutlich mehr als zwei Wirkstoffen, sind schon keine klassische Homöopathie im ursprünglichen Sinn mehr.

Schüßler-Salze. Schüßler-Salze werden in der ABDA-Datenbank zwar als Homöopathie/Biochemie eingestuft, aber der Begründer der Biochemie legte Wert darauf, dass diese alternativmedizinische Richtung eben keine Homöopathie sei. Auch das zugrunde liegende Wirkmodell ist kein homöopathisches, auch wenn die Wirkstoffe wie Homöopathika potenziert und nach dem deutschen Arzneimittelgesetz als Homöopathika eingestuft werden. Sie werden in der Regel als Satzungsleistung anerkannt. Weitere unscharf abgegrenzte Bereiche sind die Spagyrik und die Nosoden-Therapie. Gelegentlich finden sich auch Präparate, die auf der Negativliste stehen. Diese werden dann nicht erstattet.

Traditionell angewendete Arzneimittel. Der neu aufgenommene Pelargonium-Extrakt der Firma Hexal ist z.B. als traditionelles pflanzliches Arzneimittel registriert, aber nicht zugelassen. Es wird zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungen eingesetzt. Das Präparat enthält zwar einen Pflanzenextrakt und ist damit ein Phytopharmakon, wird in der ABDA-Datenbank aber als „Traditionelles Arzneimittel nach § 105 AMG“ geführt. Möglicherweise wird es daher von den Krankenkassen nicht erstattet. Auch Myrrhinil intest® gehört zu diesen traditionell angewendeten, registrierten Arznei-mitteln ,ebenso Angocin® Bronchialtropfen.

Phytopharmaka. Problematisch ist hier die Tatsache, dass eine allgemeingültige Definition des Begriffes Phytopharmakon fehlt. So besteht wahrscheinlich Einigkeit darüber, dass Pflanzenextrakte und -trockenextrakte oder Pflanzenpulver Phytopharmaka sind, aber je weiter ein Stoff aus einer Pflanze bearbeitet wird, desto unklarer wird die Begriffsbestimmung. So kann es passieren, dass einige Kassen bei Phlogenzym® (Wirkstoff Bromelain) keine Erstattung mehr vornehmen, da dieses Arzneimittel zwar einen Inhaltsstoff aus Ananaspflanzen enthält und auch als Phytopharmakon bezeichnet wird, der Extrakt aus Ananas aber noch bearbeitet wird, um das Bromelain zu isolieren. Auch Gelomyrtol® forte kann strittig sein, da es ein Gemisch aus ätherischen Ölen enthält, deren Herkunft nicht klar als pflanzlich gekennzeichnet ist.

Möglicherweise wird aber auch ein eindeutig pflanzliches Arzneimittel aufgrund seiner Anwendungsgebiete nicht erstattet. So sind Sinupret®-Präparate natürlich als Phytopharmaka einzustufen, aber einige sind nur bei unkomplizierten Entzündungen der Nasennebenhöhlen zugelassen. Akute unkomplizierte Erkältungserkrankungen sind aber nach § 34 von der Verordnungsfähigkeit für Erwachsene ausgeschlossen, sofern es sich um geringfügige Gesundheitsstörungen handelt. Eine Erstattungsfähigkeit besteht daher bei Sinupret® nur für die Präparate, die auch bei chronischen Beschwerden zugelassen sind.

TCM-Rezepturen. Die Arzneimittel, die im Rahmen der traditionell chinesischen Medizin verwendet werden, sind in der Regel Rezepturen, die neben pflanzlichen Arzneimitteln auch andere Bestandteile enthalten können. Hier sollte bei der jeweiligen Krankenkasse erfragt werden, ob diese Rezepturen übernommen werden. 

Quellen:

SGB V, § 11 und § 34

ABDA Datenbank (LauerTaxe), letzter Zugriff auf die genannten Präparate am 2. April 2014

Satzungen verschiedener Krankenkassen

Autorinnen

Stanislava Dicheva, Insa Heyde, Daniela Böschen, Anna Hinrichs, Heike Peters

Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe „Arzneimittelanwendungsforschung“, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Universität Bremen Zentrum für Sozialpolitik

UNICOM-Gebäude Mary-Somerville-Str. 5, 28359 Bremen

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