Arzneimittel und Therapie

Statine und ihre Nebenwirkungen

Hinweise auf erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus

Diskussionen über die Statin-Effektivität in der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse basieren oft auf kontrollierten, verblindeten, randomisierten Studien. Diejenigen über unerwünschte Wirkungen dagegen leider nicht. Ärzte und Patienten führen unerwünschten Symptome auf die Statin-Therapie zurück, obwohl nicht belegt ist, dass sie durch diese Wirkstoffe ausgelöst wurden. Ein Review analysierte nun anhand von randomisierten kontrollierten Studien systematisch die Zusammenhänge zwischen Statin-Therapie und aufgetretenen Nebenwirkungen [1].

Zweifelsohne brauchen Patienten und Ärzte eindeutige und zuverlässige Informationen über den Benefit, aber auch über die Risiken einer Dauertherapie, um angemessene Entscheidungen treffen zu können. Der Benefit von Statin-Therapien ist im Hinblick auf die Zielparameter Tod, Schlaganfall und kardiovaskuläre Ereignisse jeweils im Vergleich zu Placebo nachgewiesen, Informationen über unerwünschte Wirkungen aber leider nicht. Die Nebenwirkungen, die Statinen zugeordnet werden, entstammen unterschiedlichen Quellen. Meist ist es nicht nachvollziehbar, ob die jeweilige Nebenwirkung durch die Statine zustande gekommen oder aber spontan aus anderen Gründen aufgetreten ist. So ist die Datenlage zur Evidenz für das erhöhte Risiko von Myopathien und Rhabdomyolyse widersprüchlich: In drei Beobachtungsstudien [2, 3, 4] wird berichtet, dass es hier einen Zusammenhang gebe, in einer vierten jedoch konnte kein erhöhtes Risiko für schwere muskuläre Einschränkungen durch Statin-Therapie gefunden werden [4]. Daher war es das Ziel der vorliegenden Studie, zu unterscheiden zwischen Symptomen, die aus irgendeinem Grund parallel zu einer Statin-Therapie aufgetreten sind, oder aber solchen, die als direkte unerwünschte Wirkung der Statin-Therapie verstanden werden müssen. Dazu bedarf es zweiarmiger randomisierter placebokontrollierter Studien.

Methodik des Datenreviews

Die Datenbanken Medline/PubMed und Cochrane wurden vom Zeitpunkt ihrer Gründung bis 2012 nach randomisierten kontrollierten Studien durchsucht, in denen der Einsatz von Statinen erforscht worden war. Um in diese Metaanalyse aufgenommen zu werden, mussten in den Studien Statine doppelblind gegen Placebo getestet worden sein. Außerdem mussten in beiden Arme die Nebenwirkungen separat erfasst worden sein. Ausgeschlossen wurden Studien, in denen Patienten bereits dialysepflichtig oder organtransplantiert waren. Letztlich gingen in das Review 14 randomisierte kontrollierte Studien ein, in denen bei 46.262 Probanden Statine zur Primärprävention gegeben worden waren, und 15 Studien, in denen 37.618 Patienten in der Sekundärprophylaxe mit Statinen therapiert worden waren.

Mehr Diabetes, aber nicht mehr Myopathien

Bei den Patienten der 14 Primärpräventionsstudien war die Rate von neu diagnostiziertem Diabetes mellitus im Vergleich zu Placebo signifikant um 0,5% erhöht (95% CI: 0,1 bis 1%, p = 0,012). Um die gleiche Rate von 0,5% war gleichzeitig das Risiko zu sterben verringert worden (–0,9 bis –0,2%, p = 0,003). In den 15 Studien, in denen Statine zur Sekundärprävention eingesetzt worden waren, wurde im Vergleich zu Placebo die Todesrate signifikant um 1,4% gesenkt (–2,1 bis –0,7%, p < 0,001). Nur in einer dieser Studien wurde von neu aufgetretenen Fällen von Diabetes mellitus unter Statinen berichtet. Hier war der Unterschied aber im Vergleich zu Placebo nicht signifikant (95% CI –0,5 bis 1,6%, p = 0,387). Kein anderes Symptom unterschied sich signifikant von der Placebo-Gruppe. Bemerkenswerterweise gab es bezüglich einiger Symptome, die landläufig den Statinen als Nebenwirkungen zugeschrieben werden, wie Myopathie, Fatigue und Rhabdomyolyse keine signifikanten Unterschiede zwischen Statinen und Placebo. In beiden Studiengruppen, denen zur Primärprävention und denen zur Sekundärprävention, kam es allerdings jeweils zu einem im Vergleich zu Placebo signifikanten asymptomatischen Anstieg von Lebertransaminasen von 0,4% (0,2 bis 0,6%, p = 0,024) bei der Primärprävention bzw. auch um 0,4% (0,2 bis 0,7%, p = 0,006) bei der Sekundärprävention. In keiner der Studien war die Rate von schweren Nebenwirkungen unter Statinen signifikant höher als unter Placebo. Zum Studienabbruch kam es häufiger in den jeweiligen Placebo-Gruppen, nämlich bei 13% im Vergleich zu 12% unter Statinen in der Primärprävention (p = 0,03) und in der Sekundärprävention bei 15% unter Placebo vs. 13% unter Statinen (p = 0,05).

Mehr Fragen als Antworten

Viele Patienten unter Statinen berichten über eine die Muskeln betreffende Symptomatik. Das steht in Kontrast zum Ergebnis dieses Reviews. Das könnte zunächst daran liegen, dass die einbezogenen Studien überwiegend von kommerziellen Sponsoren durchgeführt wurden, die kein großes Interesse daran hatten, Symptomatiken wie Myopathien dezidiert zu erfassen. Aus vielen dieser Studien ging auch nicht klar hervor, wie und wie oft Nebenwirkungen erfasst wurden. Das sollte in zukünftigen Studien auf jeden Fall besser stratifiziert werden, äußerten die Autoren des Reviews. Bei vielen dieser Studien waren von vornherein Patienten ausgeschlossen worden, die gleichzeitig Wirkstoffe einnahmen, die über den gleichen Weg wie die Statine metabolisiert bzw. ausgeschieden werden. Ursache für die Statin-Toxizität sind nämlich oft erhöhte Wirkspiegel, die auf individuelle Genvariationen zurückzuführen sind. Verantwortlich sind die hepatische Metabolisierung und mehrere Transportersysteme, welche die Resorption bzw. Ausscheidung der Statine im Darm regulieren. Insofern waren potenzielle Wechselwirkungen, die zu einer Statin-Überdosierung und den bekannten Nebenwirkungen hätten führen können, bei vielen Studien von vornherein ausgeschlossen. Letztlich wurden in diesem Review auch alle Statine und alle Dosierungen zusammen untersucht, es gab weder eine Stratifizierung der Substanz noch eine der Dosierung. Eine anschließend durchgeführte Subgruppenanalyse ergab dann tatsächlich einen Unterschied der aufgetretenen Nebenwirkungen in Abhängigkeit davon, ob Low-intensity- oder High-intensity-Regime eingesetzt worden waren. Tatsache war in diesem Review, dass in den meisten Studien Low-intensity-Statin-Regime benutzt worden waren. Und ob der asymptomatische Anstieg der Leberenzyme wirklich harmlos ist, sei, so die Autoren, auch nicht klar und müsse sicher noch weiter untersucht werden.

Insofern bleiben noch viele Fragen offen, bevor man eine generelle Entwarnung aussprechen kann im Hinblick darauf, dass es unter Statin-Einnahme nicht zu Myopathien oder Rhabdomyolyse kommen könne. Eine gute Dosis-Einstellung unter Berücksichtigung eventuell auftretender Wechselwirkungen sollte oberstes Gebot für den Arzt sein, der mithilfe des ein oder anderen Statins seine Patienten vor kardiovaskulären Ereignissen schützen will. 

Quelle

[1] Finegold JA et al. What proportion of symptomatic side effects in patients taking statins are genuinely causes by the drug? Review of randomized placebo-controlled trials to aid individual patient choice. Europ J Prev Cardiol (2014) 21: 464, online 12. März 2014 DOI: 10.1177/2047487314525531.

[2] Nichols GA, Koro CE. Does statin therapy initiation increase the risk for myopathy? An oberservational study of 21.225 diabetic and nondiabetic patients. Clin Ther 2007; 29: 1761–1770.

[3] Bruckert E et al. Mild to moderate muscular symptoms with high-dosage statin therapy in hyperlipidemic patients – the PRIMO study. Cardiovasc Drugs Ther (2005) 19: 403–414.

[4] Hippisley-Cox J et al: Unintended effects of statins in men and women in England and Wales: population based cohort study using QResearch database. BMJ (2010) 340: 2197.

[5] Smeeth L et al. Effect of statins on a wide range of health outcomes: a cohort study validated by comparison with randomized trials. Br J Clin Pharmacol (2009) 67: 99–109.

 

Apothekerin Dr. Annette Junker

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