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INTERPHARM 2014 – Pubertät
Zwischen Magersucht und Kummerspeck
Essstörungen in der Pubertät
Zwar kommen Essstörungen nicht nur bei Pubertierenden vor, dennoch erkranken an der Anorexie und Bulimie fast ausschließlich junge Menschen und in den meisten Fällen Mädchen und Frauen. Häufig kommt es zu schwerwiegenden Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit und damit auch zu Auswirkungen auf die schulische bzw. berufliche Entwicklung. Daher sollten die Betroffenen möglichst frühzeitig Unterstützung erhalten.
Merkmale einer Essstörung
Ob ein junger Mensch an einer Essstörung erkrankt, hängt von verschiedenen Risikofaktoren ab. Nach neuesten Erkenntnissen spielen nicht nur psychisch-biografische Faktoren wie emotionale Vernachlässigung oder emotionale oder körperliche Gewalt, sondern vermutlich auch genetische Faktoren eine Rolle. Die gesundheitlichen Folgen sind jedoch gravierend, denn bei längerer Mangel- bzw. Fehlernährung bleibt kaum ein Organsystem verschont.
Gemeinsam ist allen Essstörungen, dass die Themen Essen, Figur und Gewicht überbewertet werden. Im Einzelnen lassen sich noch verschiedene Verdachtskriterien ausmachen, die besonders für Angehörige hinweisend sein können (s. Kasten).
Verdachtskriterien einer Essstörung
- niedriges Körpergewicht
- Amenorrhö oder Infertilität
- Zahnschäden, insbesondere bei jüngeren Patientinnen
- Sorgen über das Körpergewicht bzw. Normalgewicht
- erfolglose Gewichtsreduktionsmaßnahmen bei Übergewicht und Adipositas
- gastrointestinale Störungen, die nicht eindeutig einer anderen medizinischen Ursache zugeordnet werden können.
- Kinder mit Wachstumsverzögerung
- Kinder, deren Eltern sich besorgt zeigen über ihr Gewicht und Essverhalten
nach Herpetz et al. Dt. Ärzteblatt 2011
Anorexie, Bulimie oder Binge Eating
Zur Abgrenzung der drei Formen von Essstörungen gibt es eine Reihe von diagnostischen Kriterien.
So ist für die Anorexia nervosa typisch, dass die Betroffenen ihr Körpergewicht absichtlich zu mindestens 15 Prozent unterhalb dem für das Alter und die Körpergröße zu erwartenden Gewicht halten. Es besteht eine massive Furcht vor einer Gewichtszunahme oder dem Dickwerden (Gewichtsphobie), und die Körperwahrnehmung ist gestört, das heißt: Betrachtet sich die Patientin in ihrem „inneren Spiegel“, sieht sie sich immer dicker. Wichtig zu wissen: Beim „bulimischen Typ“ der Anorexia nervosa werden Abführmittel bzw. Diuretika missbräuchlich eingenommen, um regelmäßige Essanfälle zu kompensieren, die bei diesem Typ auftreten können. Beim restriktiven Typ der Anorexie ist dies nicht der Fall.
Bei der Bulimie sind dagegen wiederholte kompensatorische Verhaltensweisen wie Erbrechen, Fasten, exzessiver Sport sowie ggf. Arzneimittel (Laxanzien, Abführmittel, Schilddrüsenhormone, Diabetikern spritzen weniger Insulin!) immer vorhanden. Gemeinsam mit den „Fressattacken“ treten sie über drei Monate mit einer Häufigkeit von durchschnittlich zweimal pro Woche auf. Bei den Essattacken wird in kurzer Zeit eine große Nahrungsmenge verzehrt, es tritt ein Gefühl des Kontrollverlustes auf.
Auch bei der Binge-Eating-Störung, die erst Anfang der Neunzigerjahre beschrieben wurde, sind Essanfälle (mindestens einmal/Woche über drei Monate) typisch, allerdings werden keine gegenregulierenden Maßnahmen durchgeführt, was häufig zu Adipositas führt. Ohne Hungergefühl zu verspüren, essen die Betroffenen schnell, meistens allein, bis zu einem unangenehmen Völlegefühl. Begleitet sind die Essattacken von negativen Gefühlen wie Ekel, Niedergeschlagenheit oder Schuld.
Behandlungsmöglichkeiten
Medikamentöse Optionen stehen für die Behandlung von Essstörungen nur eingeschränkt zur Verfügung. Für die Bulimie ist in Deutschland Fluoxetin, ein SSRI, ab dem 18. Lebensjahr zugelassen, wobei die Ansprechraten bei rund 18 Prozent liegen. Therapie der ersten Wahl ist bei Bulimie die kognitive Verhaltenstherapie.
Auch magersüchtige Patientinnen können mit einer Psychotherapie häufig erfolgreich ambulant behandelt werden. Das zeigte die Studie ANTOP (Anorexia Nervosa Treatment of Out Patients, Lancet (2014) 383(9912): 127–137), die weltweit größte Therapiestudie zur Magersucht, an der auch Apotheker mitgewirkt hatten. 242 erwachsene Patientinnen wurden über zehn Monate psychotherapeutisch behandelt, wobei eine Standard-Psychotherapie und zwei weitere Verfahren (fokale psychodynamische Psychotherapie, kognitive Verhaltenstherapie) zum Einsatz kamen. Besonders rasch nahmen die Teilnehmerinnen unter einer kognitiven Verhaltenstherapie zu. Dennoch hatte sich zwölf Monate nach Therapieende bei etwa einem Viertel der Teilnehmerinnen die Anorexie nicht gebessert.
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