Arzneimittel und Therapie

Herpes Zoster erhöht Schlaganfall-Risiko

Varicella-Zoster-Virus konsequent bekämpfen!

Herpes Zoster, umgangssprachlich auch Gürtelrose genannt, tritt durch Reaktivierung einer latenten Infektion mit Varicella-Zoster-Viren auf. Bisher gab es nur Hinweise, dass das Risiko für akute vaskuläre Vorfälle nach einer Zoster-Infektion erhöht ist. Eine aktuelle Studie aus dem Clinical Infectious Diseases Advance Access zeigt nun ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko in den ersten sechs Monaten nach einer akuten Herpes-Zoster-Infektion.

Das Varicella-Zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene klinische Krankheitsbilder verursachen: Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion und Herpes Zoster (Gürtelrose) nach einer endogenen Reaktivierung. Die Gürtelrose ist ein nicht unerhebliches Gesundheitsproblem der älteren Bevölkerung und betrifft eine Million Amerikaner pro Jahr und mehr als 88.650 immunkompetente Menschen im Alter von über 60 Jahren in Großbritannien. Zunächst kommt es dabei zu schmerzhaften Rötungen, die später zu anhaltenden Schmerzzuständen und postherpatischen Neuralgien führen können. In einigen Fallberichten wird auch über eine Erhöhung des Risikos für vaskuläre Ereignisse wie z.B. Schlaganfall nach Zoster-Infektionen berichtet. Man vermutet, dass diese vorübergehende Risikoerhöhung auf endotheliale Dysfunktionen bei schon vorher bestehender arterieller Erkrankung zurückzuführen ist. Durch eine virale Infektion der Arterienwände könnte es dann schließlich zum Abreißen von Plaques oder einer Hyperkoagulopathie kommen. Ob nun das Auftreten von Schlaganfällen nach Zoster-Infektionen bei der älteren Bevölkerung eher zufällig oder unmittelbar darauf zurückzuführen ist, war bisher durch Studien nicht geklärt.

Datenquelle und Studiendesign

Die Clinical Practice Research Datalink (CPRD) ist die weltweit größte EDV-gestützte Datenbank mit anonymisierten Patienten aus Arztpraxen. Darin enthalten sind die Daten von 8% der gesamten englischen Bevölkerung, sie stammen aus mehr als 625 Arztpraxen und umfassen über fünf Millionen Menschen. Die Forscher evaluierten aus dieser Datenbank Patienten, die ≥ 18 Jahre alt waren und während der Beobachtungszeit in einer der registrierten Arztpraxen erstmalig eine Zoster-Infektion und einen Schlaganfall hatten. Diese erstmalige Diagnose und alle übrigen waren in das CPRD-System aufgenommen worden und mithilfe des ICD10-Codesystems klassifiziert worden. Somit konnte in der aktuellen Studie auch differenziert werden zwischen Herpes Zoster Ophthalmicus, unspezifischem Zoster. Auch Augeninfektionen, wie sie häufig nach einer Zoster-Infektion vorkommen, waren hier erfasst. Ebenso wurden die Schlaganfall-Typen, wie Hämorrhagischer, zerebraler Infarkt oder TIA differenziert.

Angefangen mit dem ersten Tag nach dem Auftreten der Gürtelrose bis zum Ende nach zwölf Monaten wurde die Zeit unterteilt in vier Intervalle, nämlich in die Woche 1 bis 4, 5 bis 12, 13 bis 26 und 27 bis 52 nach der Zoster-Diagnose. Die Zeit vor der Zoster- Diagnose galt als die Baseline-Periode. In der ersten Analyse wurde der Einfluss von Zoster in irgendeiner Körperregion bzw. Zoster Ophthalmicus auf Schlaganfälle aller Typen untersucht. Subgruppenanalysen differenzierten nachher im Hinblick auf die verschiedenen Schlaganfall-Typen. In einer weiteren stratifizierten Analyse wurde untersucht, ob das Schlaganfall-Risiko nach einer Zoster-Infektion unterschiedlich war bei den Patienten, die einer antiviralen Therapie unterzogen worden waren oder nicht.

Signifikant mehr Schlaganfälle nach Zoster-Infektion

Das mediane Alter der 6584 Patienten, die erstmalig mit Zoster und Schlaganfall diagnostiziert worden waren und die somit in die Studien aufgenommen worden waren, betrug 77 Jahre, 57% waren Frauen. Die meisten Schlaganfälle waren von einem unspezifischen Typ (60%) und die meisten Zoster-Fälle (93%) waren an einer unspezifischen Stelle aufgetreten. 6% der Patienten hatten einen Herpes Zoster Ophthalmicus. 55% der Studienteilnehmer waren systemisch mit einer antiviralen Therapie behandelt worden.

Im Vergleich zur Baseline-Gruppe war die Schlaganfall-Rate im Zeitfenster ein bis vier Wochen nach Zoster signifikant erhöht (IR = 1,63; 95% CI: 1,32 bis 2,02) mit langsam abnehmender Risikoerhöhung im Laufe der ersten sechs Monate nach Zoster-Infektion: Wochen 5 bis 12: IR = 1,42 (95% CI: 1,21 bis 1,68), Wochen 13 bis 26: IR = 1,23 (95% CI: 1,07 bis 1,42). Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang bei den Patienten, die nicht einer antiviralen Therapie unterzogen worden waren: Wochen 1 bis 4: IR = 2,14; 95% CI: 1,62 bis 2,84. Im direkten Vergleich der antiviral behandelten Patienten mit denen ohne Behandlung war das Schlaganfall-Risiko in der 1. bis 4. Woche fast verdoppelt. In der Analyse, die sich auf den Ort der Gürtelrose bezog, zeigte sich, dass nach Herpes Zoster Opthalmicus das Schlaganfall-Risiko ganz besonders im Bereich der Wochen 5 bis 12 erhöht war: IR = 3,38 (95% CI: 2,18 bis 5,24). Auch bei diesen Patienten war eine antivirale Therapie äußerst hilfreich gewesen im Hinblick auf die Verringerung des Schlaganfall-Risikos. So hatten nicht antiviral behandelte Patienten ein mehr als fünffach erhöhtes Schlaganfall-Risiko in den Wochen 5 bis 12 (IR = 5,47; 95% CI: 2,8 bis 10,71).

Erkenntnisse und Konsequenzen

Eindeutig war die Erkenntnis, dass eine akute Zoster-Infektion innerhalb der ersten sechs Monate nach der Infektion das Schlaganfall-Risiko erhöht. Bei Patienten mit Herpes Zoster Ophthalmicus war die Risikoerhöhung ganz besonders hoch, ebenso bei solchen, im Zusammenhang mit einem Befall des Trigeminusnerv. Eine orale antivirale Therapie kann dieses Risiko deutlich senken. Insofern, betonen so die Autoren dieser Analyse, müssten Ärzte noch viel konsequenter eine antivirale Therapie verschreiben, als es bis jetzt noch der Fall ist. Außerdem seien die Ergebnisse dieser Studie die besten Argumente für eine konsequente und umfassende Durchführung von Impfprogrammen gegen das Varizella-Zoster-Virus, da sowohl die Inzidenz von Zoster, als auch in der Folge die dadurch hervorgerufenen Schlaganfälle reduziert werden können. 

Quelle

Langan SM et al. Risk of Stroke Following Herpes Zoster: A Self-controlled Case-Series Study. Clinical Infectious Disease Advance Access published 2. April 2014.

 

Apothekerin Dr. Annette Junker

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