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Dispensierverbot für Ärzte spart Geld

Vergleich des Verordnungsverhaltens in Schweizer Kantonen mit und ohne Dispensierrecht

BERN (tmb) | Die Schweiz mit ihren kantonsspezifischen Regelungen ist ein gutes Experimentierfeld, um die Wirkung unterschiedlicher Gestaltungen im Gesundheitswesen zu testen. Wissenschaftler untersuchten dort das ärztliche Dispensierrecht und fanden einen klaren Zusammenhang: Wenn Ärzte Arzneimittel abgeben dürfen, steigen die Kosten für Arzneimittel und für die Gesundheit insgesamt.

Boris Kaiser und Christian Schmid, zwei Ökonomen an der Universität Bern, haben das Verordnungsverhalten von Ärzten in Kantonen mit und ohne ärztliches Dispensierrecht verglichen. International ist das Dispensierrecht unterschiedlich geregelt. Während in einigen Ländern Ärzte Arzneimittel abgeben dürfen, sind die Aufgaben von Ärzten und Apothekern in vielen anderen Ländern strikt getrennt, um Fehlanreize für die Ärzte zu verhindern und sie von überflüssigen, am eigenen Gewinnstreben orientierten Verordnungen abzuhalten. Empirische Tests über die Frage, ob solche Fehlanreize tatsächlich bestehen und wie stark sie wirken, gab es nach den Recherchen der Studienautoren jedoch bisher kaum. Für Taiwan hätten Chou und Kollegen 2003 gezeigt, dass die Abschaffung des ärztlichen Dispensierrechts dort zu einem Rückgang der Arzneimittelausgaben pro Arztbesuch geführt hat.

Erster empirischer Test

Die Berner Wissenschaftler sehen ihre Studie als ersten empirischen Test, der den kausalen Zusammenhang zwischen dem ärztlichen Dispensierrecht und den Gesundheitsausgaben untersucht. Die Schweiz betrachten sie dafür als ideales Studiengebiet. Denn dort gibt es bei vergleichbaren Lebensverhältnissen, identischem Gesundheitssystem und landesweit einheitlichen Preisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel Kantone mit unterschiedlichem Dispensierrecht. In einigen Kantonen dürfen Ärzte Arzneimittel abgegeben, in anderen nicht und in manchen nur unter besonderen Bedingungen. Da die französisch- oder italienischsprachigen Kantone kein ärztliches Dispensierrecht haben, wurden nur deutschsprachige Kantone einbezogen, um Einflüsse durch kulturelle Unterschiede zu vermeiden.

Die Daten stammen aus der gemeinsamen Datenbank der schweizerischen Krankenversicherungen, die etwa 90 Prozent der Bevölkerung erfasst. Von 2008 bis 2010 wurden 1416 dispensierende und 1908 nicht-dispensierende Ärzte (ohne Psychiater) miteinander verglichen. Die Arzneimittel wurden mit Abgabepreisen einschließlich Handelsmarge und packungsbezogenem Aufschlag, aber ohne die apothekenspezifischen Zuschläge für pharmazeutische Dienstleistungen wie den Interaktionscheck bewertet. Dadurch gehen Arzneimittel bei der Abgabe durch den Arzt und in der Apotheke mit demselben Preis in den Vergleich ein. Die Selbstmedikation wurde nicht berücksichtigt.

Ärztliches Dispensierrecht erhöht Ausgaben

Bei den dispensierenden Ärzten waren sowohl die Arzneimittelkosten als auch die sonstigen erfassten Behandlungskosten, jeweils pro Patient und Jahr, im Durchschnitt deutlich höher als bei den nicht-dispensierenden Ärzten. Die Autoren vertieften diese Analyse und bereinigten die Daten anhand diverser Unterschiede zwischen den beiden Ärztegruppen. Dabei berücksichtigten sie beispielsweise die Facharztgruppe, Alter und Geschlecht der Ärzte, die Altersverteilung der Patienten und die Eigenschaften der Region wie Ärztedichte, Gesundheitsdaten, Migrantenanteil, Arbeitslosenrate und Bevölkerungsdichte. Daraufhin ergaben sich für dispensierende Ärzte um etwa 75 Schweizer Franken (ca. 60 Euro) bzw. etwa 30 Prozent höhere Arzneimittelausgaben pro Patient und Jahr als für nicht-dispensierende Ärzte. Die übrigen erfassten Gesundheitsausgaben waren bei den dispensierenden Ärzten um etwa 98 Franken (ca. 80 Euro) bzw. etwa 20 Prozent höher. Als Erklärungsansatz für den Anstieg der nicht arzneimittelbezogenen Kosten führen die Autoren den zusätzlichen Aufwand bei der Verschreibung weiterer Arzneimittel an. Jedenfalls scheidet die Zahl der Arztbesuche pro Patient als Erklärung aus, denn diese war bei den dispensierenden Ärzten nicht erhöht. Ob sich die medizinischen Behandlungsergebnisse zwischen den beiden Arztgruppen unterschieden, konnte anhand der verfügbaren Daten nicht geprüft werden.

Kaiser und Schmid folgern, dass die finanziellen Anreize durch den Verdienst bei der Arzneimittelabgabe die Ärzte zu vermehrten oder teureren Verordnungen bzw. Arzneimittelabgaben veranlassen. Die Auswirkungen würden durch den Effekt auf die nicht arzneimittelbezogenen Kosten sogar noch verstärkt. Die Autoren halten diese Erkenntnisse für hochgradig relevant, um Gesundheitsausgaben durch die Gestaltung des Dispensierrechts zu reduzieren. 

Literatur

Kaiser B, Schmid C. Does Physician Dispensing Increase Drug Expenditures? Universität Bern, Department of Economics, Working Paper, 7.1.2014, http://staff.vwi.unibe.ch/schmid/publications.html

Chou Y, Yip WC, Lee CH et al. Impact of Separation Drug Prescribing and Dispensing on Provider Behaviour: Taiwan`s Experience. Health Policy and Planing 2003;18,316-329

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