Leitbild

Gute Grundlage

Ein Kommentar von Thomas Müller-Bohn

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur, gewinnt dem Entwurf viel Positives ab, nicht jedoch dem Prozedere.

Der erste Leitbildentwurf der ABDA erscheint mir als gute Grundlage für weitere Diskussionen. Er bildet viele wichtige Positionen in allgemein gehaltenen Formulierungen ab, ohne sich in Details zu verlieren. Vieles kann man als selbstverständlich oder vage kritisieren, mit Wohlwollen lässt sich manches aber auch als geschickte Umgehung von Kontroversen lesen. Der Wille zum Kompromiss wird deutlich, doch das geht auf Kosten der Schärfe. Die meisten Apotheker werden sich in dem Entwurf wiederfinden. Doch ob Politiker oder Patienten die Hintergründe erkennen, bleibt zweifelhaft. Der Entwurf beschreibt „bewährte und zukünftige Elemente“, aber dabei drohen Wunsch und Wirklichkeit zu verschwimmen. Vielleicht sollte die zu bearbeitende Agenda klarer hervorgehoben werden.

Die nötige Diskussion wird nicht einfach. Denn erstens ist dafür auf der Internetseite des Leitbildprozesses nur bis zum 14. Mai Zeit. Und zweitens erscheinen die Regeln auch in dieser Phase unnötig streng. Jeder Apotheker darf jeden Leitbildabsatz höchstens einmal kommentieren. Wer also eine neue Formulierung vorschlägt, kann seinen eigenen Beitrag anschließend nicht mehr erläutern oder abwandeln. Dies behindert eine konstruktive Diskussion. Die laufende Beteiligungsphase ist daher im engsten Wortsinn nur eine Kommentierung des vorliegenden Entwurfs. Immerhin wurde die Barriere zwischen den Bundesländern etwas gelockert. Die Leitbildredaktion wird die neuen Textbeiträge inhaltlich zusammenfassen und diese komprimierten Kommentare können dann bundesweit zustimmend, neutral oder ablehnend bewertet werden, aber auch nicht mehr.

Inhaltlich dominiert im Text die Rolle des Apothekers als Berater. Das ist gut so, aber ein langfristiges Leitbild sollte für mehr Neuerungen offen sein, besonders für den pharmazeutischen Fortschritt. Im letzten Absatz des Kapitels „Leistungen und Angebote“ ist von „demografischen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen“ die Rede. Doch als Naturwissenschaftler steht uns auch ein Hinweis auf pharmazeutisch-wissenschaftliche Entwicklungen an. Denn nichts könnte die Apotheke stärker verändern als grundlegende pharmazeutische Innovationen. Tests für die stratifizierte Medizin sind bereits Realität, aber die Apotheker wurden im Gendiagnostikgesetz „vergessen“. Vielleicht gibt es bis 2030 die „smart pill“, deren Freisetzung in der Rezeptur individuell programmiert wird.

Nicht nur darum hat die Rezeptur mehr Aufmerksamkeit verdient als knapp drei Zeilen. Dort vermisse ich den Verweis auf das Schließen therapeutischer Lücken im Fertigarzneimittelangebot sowie Bekenntnisse zur Qualitätssicherung bei der Herstellung und zur Offenheit gegenüber pharmazeutisch-technologischen Innovationen. Denn so wichtig die Patientenorientierung ist, bleibt das Arzneimittel die nötige Grundlage für jedes Handeln des Apothekers.

Noch zurückhaltender ist das Leitbild im Absatz „Waren und Dienstleistungen außerhalb der Arzneimittelversorgung“ formuliert. Der Bedarf an solchen Angeboten wird auf das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung zurückgeführt. Dies liest sich fast wie eine Entschuldigung dafür, solche Angebote in Apotheken überhaupt zu dulden. Dabei fehlt mir der Hinweis, dass diese Angebote sehr nützlich sein können und der Rat aus der Apotheke den Weg zu ihrer richtigen Anwendung öffnet.

Zu diskutieren bleibt, ob die explizite Forderung nach zusätzlichem Geld für neue Leistungen in ein Leitbild gehört. Oder soll das aus dem Verweis auf eine nötige Vergütungsordnung herausgelesen werden? Dagegen frage ich mich an anderen Stellen, ob die Leitbildautoren wirklich alles so meinen, wie es aus dem Text herausgelesen werden könnte. So heißt es im Kapitel „Näher am Patienten“, die Apotheken würden grundsätzlich evidenzbasiert beraten. Je nach Interessenlage ließe sich daraus eine Hürde für Beratungen aufgrund persönlicher Erfahrungen oder das Ende der Homöopathie herauslesen. Was ist hier gemeint? Im Absatz zur „Qualifizierung“ verstehe ich die Aussage, dass Apotheker ihr Wissen „nachweislich“ auf aktuellem Stand halten, als Festlegung auf eine Pflichtfortbildung mit Punkten. Will die ABDA diese Kontroverse hier durch die Hintertür klären? – Ich bin gespannt auf die anstehenden Diskussionen.

Dr. Thomas Müller-Bohn

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