Die Seite 3

„Näher am Patienten“ ...

Dr. Benjamin Wessinger,
Chefredakteur der DAZ

… so lautet der Slogan der neuen ABDA-Imagekampagne, die am Montag angelaufen ist. „Näher am Patienten“ könnte auch als Motto über dem neuen Leitbild stehen, dessen Entwurf nun auf der Website leitbildprozess.de veröffentlicht wurde. Wobei es, nebenbei bemerkt, bis Redaktionsschluss dieser DAZ so aussah, als ob sich deutlich mehr Apotheker an der Imagekampagne beteiligen (s. Seite 11) als an der Kommentierung des Leitbild-Entwurfs. Aber das kann sich ja noch ändern.

Unterzieht man den Entwurf einer Analyse, was wir auf Seite 18 dieser DAZ getan haben, stellt man fest, wie ernst es den Autoren mit diesem „Näher am Patienten“ ist. Nicht nur, dass ein ganzes Kapitel so heißt; schon die Begründung, warum die Apotheke ein Leitbild braucht, wird durch den Patienten geliefert, der älter wird (demografischer Wandel), lieber im Internet bestellt (Digitalisierung), länger „jung bleiben“ möchte (Lebensstil) oder in die Stadt zieht (Urbanisierung). Die Beratung soll sich in Zukunft am Patienten und seinen Bedürfnissen orientieren, der Auf- und Ausbau einer Vertrauensbasis zum Patienten stellt ein „Kernelement“ der apothekerlichen Tätigkeit dar und so weiter und so fort.

Diese Hinwendung zum Patienten ist absolut richtig. Natürlich bleibt das Arzneimittel auf absehbare Zeit das wichtigste Produkt des Apothekers. Aber das Arzneimittel ist kein Selbstzweck, es muss dem Patienten dienen. Wenn der Patient im Mittelpunkt der Tätigkeit steht und nicht mehr das Arzneimittel, dann wird der Apotheker zum Manager der Arzneitherapie, ist das Medikationsmanagement der logische nächste Schritt. Bleibt die Frage, ob das alle Kollegen so sehen und mittragen wollen.

Und was ist mit der Frage nach der „wirtschaftlichen Ausrichtung“ der Apotheke? Werden die Apotheken sich zu „Gesundheitsfachgeschäften“ mit einem breiteren Warenangebot als heute weiterentwickeln oder stellen wir Arzneimittelversorgung in den Vordergrund und ergänzen sie mit neuen Dienstleistungen wie dem Medikationsmanagement? Sollen dem Apotheker mehr unternehmerische Freiheiten eingeräumt werden oder fordern wir, dass die Gesellschaft den Apothekern für die Erfüllung des Versorgungsauftrags wieder ein angemessenes Honorar zahlt?

Auf den ersten Blick überwiegt im Entwurf die „heilberufliche“ Seite, es ist beispielsweise immer von „Patienten“ die Rede, nie von Kunden. Aber auch sehr „kaufmännisch“ ausgerichtete Kollegen werden Stellen finden, die ihre Sicht bestätigen. So bekräftigt der Entwurf explizit die unternehmerische Verantwortung der Apotheker und beschreibt einen wachsenden Bedarf an Waren– und Serviceangeboten außerhalb der Arzneimittelversorgung.

Aber vielleicht entscheiden über diese Frage, ganz im Sinne des Leitbilds, am Ende die Patienten.

Dr. Benjamin Wessinger

 

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