Arzneimittel und Therapie

Wachstum verzögert

Wie sich inhalative Glucocorticoid-Nebenwirkungen bei Kindern vermeiden lassen

Inhalative Glucocorticoide kontrollieren sowohl Asthma als auch allergische Rhinitis und haben weniger Nebenwirkungen als systemisch applizierte Glucocorticoide. Allerdings hat sich gezeigt, dass Kinder mit chronischem Asthma, die Budenosid und Beclometasondipropionat erhalten, ein geringeres Körperwachstum aufweisen, was zu einem Größendefizit im Erwachsenenalter führt. Auch auf die Dichte des Knochens wirken sich inhalative Glucocorticoide negativ aus. In einem Review wurden diese unerwünschten Wirkungen detailliert analysiert und Auswege gezeigt.

Als Basis für den Review dienten randomisierte, prospektive und kontrollierte Studien, die bei einer Recherche in der Datenbank PubMed mit den Schlagwörtern „inhaled corticosteroids“, „glucocorticoids“, „children“, „growth“ und „bone mineral density“ gefunden wurden. In Studien der frühen 1990er Jahre konnte gezeigt werden, dass bei einer kontinuierlichen Anwendung inhalativer Corticoide über ein bis zwei Jahre die Geschwindigkeit des Körperwachstums vermindert wurde. Dieser Effekt trat bei geringen bis mittleren Dosierungen auf, und das Ausmaß der Verlangsamung des Wachstums schien abhängig vom Arzneistoff und der Applikationsart zu sein. Da sich aber einige Jahre nach Therapiebeginn die Geschwindigkeit des Körperwachstums wieder normalisierte, war lange unklar, ob die Verlangsamung des Wachstums sich letztlich wieder durch das Wachstum nach der Therapie ausgleichen würde. Aber die Nachbeobachtung der dreiarmigen, doppelblinden CAMP-Studie, in der 1041 Kinder im Alter zwischen fünf und 13 Jahren mit mildem bis moderatem Asthma entweder Budenosid (Trockenpulver-Inhalation von 200 µg zweimal täglich = 400 µg Tagesdosis), Nedocromil (Inhalation von zweimal täglich 8 mg = 16 mg/Tag) oder Placebo erhalten hatten, war eindeutig: Zunächst war die Körpergröße in der Budenosid-Gruppe im Vergleich zu Placebo nach zwei Jahren um 1,3 cm und am Ende der Studie um 1,2 cm geringer. Dieser Effekt blieb auch bei der Beobachtung bis zu einem durchschnittlichen Alter von 25 Jahren bestehen. Die mediane Größe in der Nedocromil-Gruppe unterschied sich nicht signifikant von Placebo.

Wirkstoff, Formulierung und Dosierung variieren

Bei genauerer Analyse der systemischen Aktivität von topisch applizierten Corticosteroiden zeigte sich eine Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren wie der Formulierung (Suspension bzw. Lösung) und pharmakokinetischen Eigenschaften wie Absorption, Verteilung und Elimination. In den ersten Studien, die über ein vermindertes Wachstum berichtet hatten, wurden z.B. Beclometasondipropionat und Budenosid angewandt. Allein durch Verschlucken wurde hier eine 20- bis 40%ige bzw. 11%ige systemische Bioverfügbarkeit erzielt. Zudem führt die Art der Inhalation zu unterschiedlichen systemischen Wirkstoffspiegeln. Neuere Substanzen wie Fluticasonpropionat, Mometasonfuroat und Ciclesonid dagegen führen schon aufgrund ihrer Eigenschaften zu einer geringeren systemischen Bioverfügbarkeit (< 1%) als Budesonid und Betameclasondipropionat. Sie werden auch als Trockenpulver-Inhalat angeboten und haben in Dosierungen von 100 bis 200 µg/Tag keinen Effekt auf das Größenwachstum. Zu einer deutlichen Reduktion der Wachstumsgeschwindigkeit kam es allerdings auch unter Fluticasonpropionat, wenn zu Anfang der Therapie eine Dosierung von 1000 µg/Tag gewählt wurde. Beim Dosierungsvergleich von Mometasonfuroat Trockenpulver-Inhalat, 110 µg/Tag gegenüber 220 µg/Tag, morgens verabreicht, zeigte sich nur bei der höheren Dosierung ein signifikant verringertes Wachstum. Aber schon wenn diese höhere Tagesdosierung aufgeteilt wurde in zwei Einzeldosierungen (morgens und abends je 110 µg), war der Unterschied zu Placebo nicht mehr signifikant.

Vitamin D und Knochendichte

Sowohl hochdosierte inhalative als auch orale Corticosteroide verringern bei Erwachsenen die Knochendichte und erhöhen damit das Osteoporose- und das Frakturrisiko.

Dieser Effekt ist aber bei inhalativen Corticosteroiden im niedrigen und mittleren Dosierungsbereich deutlich geringer. Offensichtlich gibt es keinen Zusammenhang zwischen einer Corticoid-Therapie in der Kindheit und der Knochenmasse im Erwachsenenalter. Aufgrund der Datenlage dieses Reviews konnte auch kein Zusammenhang zwischen dem Risiko von Knochenbrüchen im Erwachsenenalter und der Anwendung von inhalativen Corticoiden in der Kindheit gesehen werden.

Fazit

Die Effekte inhalativer Corticosteroide auf das Wachstum von Kindern sind abhängig von der Dosierung und der Dauer der Therapie. Pharmakokinetische Eigenschaften und auch das Freisetzungssystem haben Einfluss auf systemische Wirkungen. Wegen der Auswirkungen auf die Knochendichte der Kinder sollten Langzeit-Therapien mit geringen bis mittleren Dosierungen bevorzugt werden. Häufige hochdosierte Stoßtherapien sind zu vermeiden. Eine Vitamin-D-Supportiv-Therapie kann in Erwägung gezogen werden. Die topische Anwendung ist wegen der geringeren Effekte auf Wachstum und Knochendichte einer systemischen Anwendung vorzuziehen. Bei der topischen Therapie sollten die im Kasten dargestellten Empfehlungen befolgt werden. 

Kinder mit Asthma: Empfehlungen für eine sichere Corticoid-Therapie

Kinder ≥ 5 Jahre

  • Beginn der Therapie mit inhalativen Corticoiden mit der niedrigst möglichen Dosierung gemäß der Leitlinien
  • inhalative Corticosteroide mit hohem therapeutischem Index verwenden, wie Fluticasonpropionat als Trockenpulver-Inhalat, Mometason oder Ciclesonid
  • Größenmessung der Kinder alle sechs Monate
  • Falls das Asthma mit niedrigen Dosierungen nicht mehr kontrolliert werden kann, sollte zunächst die Kombination mit Betasympathomimetika erwogen werden, bevor die Corticoid-Dosierung erhöht wird.
  • Bei Kindern mit persistierendem Asthma oder schweren Exazerbationen sollte der Vitamin-D-Spiegel jährlich kontrolliert werden.
  • Ermunterung zu körperlichen Aktivitäten


Kinder von 1 bis 4 Jahren

  • niedrig dosiertes Budenosid als Lösung zur Inhalation per Vernebler oder Dosieraerosol mit Spacer verwenden
  • Kinder mit intermittierendem Asthma nur zeitweilig mit hochdosierten Corticoiden behandeln

Quelle

Fuhlbrigge Al, Kelly HW. Inhaled corticosteroids in children: effects on bone mineral density and growth. www.thelancet.com/respiratory. Published online April 9, 2014 http://dx.doi.org/10.1016/S2213-2600(14)70024-4.

 

Apothekerin Dr. Annette Junker

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