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- DAZ 23/2014
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Die Seite 3
Hilflos
Patienten mit Krebs, oft unheilbar krank, greifen nach jedem Strohhalm, der ihnen einen Weg aus einer schier aussichtslosen Situation verspricht. Dass diese Verzweiflung immer wieder skrupellos ausgenutzt wird, ist nicht neu. Ein besonders dreister Fall sorgt zurzeit für große Aufregung: die Bewerbung des „Wundermittels“ Miracle Mineral Supplement (MMS). Auf einer dubiosen Website und Esoterikmessen preist ein gewisser Jim Humble – dem Vernehmen nach Ex-Scientologe mit missionarischem Anspruch – MMS als seine Erfindung und die Lösung für Aids, Hepatitis, Malaria, Herpes, Tuberkulose, die meisten Krebsformen und viele weitere ernste Erkrankungen. Beispiele von Malariakranken werden genannt, die innerhalb weniger Stunden gesunden. AIDS-Kranke sind nach einem Monat symptomfrei, Krebskranke werden geheilt.
Wer nun MMS bestellen möchte, erfährt auf der Website des Jim Humble, dass es sich bei MMS schlicht um Natriumchlorit handelt. Es müsse mit einer verdünnten Säure wie Weinsäure „aktiviert“ werden, dabei entsteht Chlordioxid. In Europa, so ist zu lesen, dürfe es keinesfalls zur innerlichen Anwendung verkauft werden, da die Substanz hier als gefährliche Chemikalie eingestuft sei. Aufgrund der Rechtslage müsse man sehr zurückhaltend mit der Bewerbung und dem Verkauf sein. Doch der auf ein Wunder hoffende Leser wird nicht im Stich gelassen. Er wird an ein Schweizer Unternehmen verwiesen, das sich auf die Wasseraufbereitung und -reinigung spezialisiert hat und zu diesem Zwecke Natriumchlorit vertreibt. Das entsprechende Produkt soll genau die Zusammensetzung bieten, die der Erfinder empfiehlt, unter anderem auch den Zusatz von DMSO. Allerdings wird betont, dass aus rechtlichen Gründen nur Bestellungen für Wasserreiniger entgegengenommen werden dürfen.
Schon im Juli 2012 hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung vor der Einnahme von Miracle Mineral Supplement gewarnt, einige Landesbehörden haben nachgezogen. Verhindern konnten sie den Handel nicht. Jetzt endlich tritt auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf die Bühne, betont, dass MMS keinesfalls ein zugelassenes Arzneimittel ist und warnt ebenfalls vor den ätzenden Wirkungen des aus MMS und Säure entstehenden Chlordioxids. Man stehe mit den zuständigen Landesbehörden in engem Austausch um zu klären, ob einzelne Produkte als zulassungspflichtige Arzneimittel einzustufen sind, so die Behörde. Das BfArM selbst könne diese Entscheidung nicht im Alleingang treffen, sondern nur, wenn eine Landesbehörde eine solche Entscheidung beim BfArM beantragt.
Das klingt alles ziemlich hilflos. Denn selbst wenn diese Frage geklärt wäre, Natriumchlorit zur Wasseraufbereitung würde damit sicher nicht zum zulassungspflichtigen Arzneimittel werden. Das Spiel mit der Hoffnung todkranker Menschen wird ungehindert weitergehen. Hier helfen nur Aufklärung und die Hoffnung auf die Einsicht der Patienten und Angehörigen.
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