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„Genossenschaft ist modern“
DAZ-Interview mit dem Sanacorp-Vorstandsvorsitzenden Dr. Herbert Lang
Im vergangenen Jahr konnte die Sanacorp ihren Umsatz um 4,4 Prozent auf 3,82 Milliarden Euro steigern. Allerdings stand unter dem Strich nur ein Ergebnis „knapp über der schwarzen Null“, nämlich in Höhe von 2,74 Millionen Euro. Um die Ausschüttung stabil zu halten, musste die Apothekergenossenschaft auf Rücklagen zugreifen. Das soll eine Ausnahme bleiben. Laut Lang leidet der Markt seit Jahren unter „massiven Überkapazitäten“. Die seit mehr als einem Jahr andauernde und erbittert geführte Rabattschlacht hat ein Übriges dazu getan, die Situation zu verschärfen.
DAZ: Herr Lang, in den letzten 90 Jahren war der Genossenschaftsgedanke nicht immer attraktiv. Er galt zwischenzeitlich auch mal als verstaubt und behäbig. Andere Großhändler setzen auf Globalisierung. Wie sieht die Zukunft der Sanacorp aus?
Lang: Einige unserer Wettbewerber wurden von internationalen Konzernen aufgekauft. Ob das für die deutschen Apotheken eine gute Nachricht ist, muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass der genossenschaftlich organisierte Pharmagroßhandel damit einmal mehr erheblich an Bedeutung gewinnt. Als Genossenschaft sind wir nicht nur ein leistungsstarker Partner und Interessensvertreter der inhabergeführten Apotheke, wir sind auch ein Korrektiv gegen die wirtschaftlichen Interessen der großen Konzerne. Auch deshalb erleben wir gerade eine Rückbesinnung auf die apothekereigenen Marktkräfte. Gemeinschaftliches Handeln im Sinne eines gemeinsamen Ziels entspricht aber auch dem Zeitgeist. Denken Sie nur an den Erfolg von Wikipedia oder an die neuen Crowd-Funding-Projekte, die gerade überall entstehen. Genossenschaft ist wieder modern, moderner denn je. Viele junge Genossen, die gerade eine Apotheke gegründet oder übernommen haben, sagen: Das ist unsere Heimat, hier können wir mitbestimmen und profitieren als Mitinhaber nicht nur von guten Konditionen, sondern werden über die attraktive Dividende auch noch direkt am Erfolg beteiligt.
DAZ: Aber die Geschäfte laufen nicht besonders gut. Sanacorp musste in die Rücklagen greifen, um die Dividende zu halten.
Lang: Das ist richtig, derzeit können wir nicht zufrieden sein. Wobei die Sanacorp insgesamt sicher nicht schlechter durch diese schwierige Phase gekommen ist, als andere. Dass alle Großhändler unter dem extremen Konditionenwettbewerb gelitten haben, ist allgemein bekannt. Dem konnte sich auch die Sanacorp nicht entziehen. Dabei ist der Umsatzverlauf durchaus positiv. Aber das Ergebnis ist unbefriedigend, weil das Konditionenniveau absolut unvertretbar ist.
DAZ: Wie kann es sein, dass sich rationale Manager über mehrere Jahre eine irrationale Konditionenschlacht liefern?
Lang: Man darf nicht vergessen: Wir bewegen uns in einem engen Oligopol mit wenigen Wettbewerbern. Wenn da ein oder zwei Marktteilnehmer drastische Umsatzverlagerungen erzwingen wollen, betrifft das alle. Die politisch veranlasste Margenumstellung führte 2012 zu erheblichen Marktanteilsverschiebungen unter den Großhändlern. Bestimmte Unternehmen sind unter Druck geraten und haben darauf reagiert. Deren Vorstände haben ja schließlich auch eine Verantwortung für viele hundert Arbeitsplätze, deren Erhalt stark vom Umsatz abhängig ist. So wurde die Rabattspirale in Gang gesetzt. Hinter der Irrationalität steckt also durchaus ein gewisses Maß an Rationalität.
DAZ: Und jetzt versuchen alle, die Konditionenschraube wieder anzuziehen.
Lang: Es zeichnet sich langsam eine gewisse Entspannung ab. Alle Großhändler stehen unter erheblichem Ertragsdruck. Jetzt geht es zwangsläufig darum, bei den Konditionen wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Das ist dringend notwendig, auch wenn manche Kunden das nicht gerne hören.
DAZ: Wie geht Sanacorp damit um?
Lang: Wir müssen gegenüber unseren Kunden und Mitgliedern schlüssig argumentieren. Viele Apotheker sind durchaus bereit zuzugestehen, dass sie in den vergangenen Monaten von einer ungewöhnlichen Entwicklung profitiert haben. Dass diese Konditionen kein Dauerzustand sein konnten, ist glaube ich nachvollziehbar. Darüber hinaus investieren wir laufend in unsere Qualität, um uns ein Stück aus dem Preiswettbewerb herauszuziehen. Dank unseres neuen Lieferkettenmanagements ist unsere Defektquote auf einem historischen Tiefststand. Unsere Lieferfähigkeit setzt Maßstäbe in der Branche. Außerdem unterstützen wir unsere Kunden mit zahlreichen Zusatzleistungen, die bares Geld wert sind: Pro Jahr schulen wir beispielsweise viele hundert Apotheken im Rahmen unserer „leanstore“-Programme. Auch damit stärken wir die Bindung zu unseren Kunden.
DAZ: Mit AEP hat ein Newcomer unter diesen schwierigen Bedingungen den Markteintritt geschafft. Überrascht Sie das?
Lang: AEP hat viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, aber ob sich das Unternehmen wirklich dauerhaft etablieren kann, muss man abwarten. Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Sorgen machen mir die wirtschaftlichen und politischen Folgen für die Apotheker, sollte sich das Discountsystem als neue Versorgungsform durchsetzen.
DAZ: Wie meinen Sie das?
Lang: Falls die Politik das AEP-Modell als Sparausgabe für den Großhandel versteht, sind am Ende die Apotheker die Verlierer. Wenn in der Politik der Eindruck entsteht, die Arzneimittelversorgung funktioniert auch mit nur noch einer Lieferung am nächsten Tag, würde sich letztlich wohl die ganze Branche auf einem niedrigeren Niveau wiederfinden. Der Großhandel müsste sich anpassen und Apotheken könnten nicht mehr so arbeiten wie heute. Jede einzelne Apotheke müsste sich ein Warenlager mit einer deutlich größeren Sortimentsbreite und Sortimentstiefe aufbauen. Das braucht zusätzlichen Platz und kostet viel Geld. Heute übernehmen wir einen großen Teil der Lagerfunktion für die Apotheker.
DAZ: Der Großhandel liefert sich eine Rabattschlacht und beklagt sich gleichzeitig bei der Politik über eine zu kleine Marge. Wie wollen Sie da auf offene Ohren stoßen?
Lang: Dass der Phagro bei der Politik für die Interessen des Pharmagroßhandels eintritt, ist legitim und dringend notwendig. Daran ändert auch das zugegebenermaßen irrationale Marktgebaren einiger unserer Wettbewerber nichts. Im Kern geht es darum, dass auch einmal verabschiedete Vergütungsmodelle nicht für die Ewigkeit gelten können, sondern laufend an die Entwicklung der allgemeinen Kosten angepasst werden müssen. In welcher Form und zu welcher Zeit die politischen Entscheidungsträger für dieses Thema sensibilisiert werden, muss man abwarten.
DAZ: Kommen wir zurück zur Sanacorp. Sie wollen die Konditionenmodelle stärker auf Packungszahlen umstellen?
Lang: Wir stecken in einer schwierigen Diskussion mit unseren Kunden. Unsere Marge von 70 Cent pro Packung plus 3,15 Prozent orientiert sich seit 2012 an Packungszahl und Packungswert. Unsere Konditionen orientieren sich aber vor allem am Umsatz. Das ist eine verrückte Situation, weil im Vorfeld ja nicht bekannt ist, was der Kunde konkret bei uns bestellen wird. Ordert der Kunde wie erwartet ein ausgewogenes Sortiment, ist alles gut. Bestellt er aber wenige niedrigpreisige Artikel, muss die Kondition korrigiert und ein Packungswertausgleich verrechnet werden. Unseren Kunden diesen Mechanismus zu erklären, ist nicht immer einfach.
DAZ: Sie wollen die Konditionenmodelle stärker auf Packungszahlen umstellen?
Lang: Ja. Damit haben wir 2012 bereits begonnen, aber der Rabattwettbewerb hat das durchkreuzt. Jetzt sind wir dabei, wieder entsprechend umzusteuern.
DAZ: Gehe hat gerade angekündigt, OTC-Eigenmarken zu entwickeln. Kann man so etwas auch von Sanacorp erwarten?
Lang: Wir haben unser Sortiment an Eigenmarken gerade noch einmal deutlich erweitert. Mit Sanatop und mea-Samtweich haben wir zum Beispiel hoch attraktive Körperpflegeprodukte für die Freiwahl entwickelt. Diese Produkte bieten unseren Kunden nicht nur einen überdurchschnittlich hohen Stücknutzen, sie haben auch Alleinstellungscharakter. Dass wir unser Sortiment auch auf OTC-Produkte ausweiten, sehe ich im Moment nicht: Nach meinem Verständnis müssen Apotheker in diesem Marktsegment ihre Beratungs- und Verkaufsentscheidungen eigenständig treffen können.
DAZ: Herr Lang, vielen Dank für das Gespräch!
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