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„Pflegesensible Arbeitszeiten“

Ein Modell für Beschäftigte, die ältere Angehörige pflegen

Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeaufgaben ist in einer alternden Gesellschaft für die pflegenden Angehörigen wie für die Unternehmen wichtig. Doch reichen die gesetzlichen Ansprüche für Arbeitnehmer, die ihre pflegebedürftigen Eltern versorgen müssen, nicht aus. Ein Konzept pflegesensibler Arbeitszeiten könnte hier Lösungen aufzeigen.

Das Konzept der Pflegesensiblen Arbeitszeiten ist Bestandteil einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten empirischen Studie, die vom Institut für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften der Universität Münster und dem Institut für Sozialwissenschaftlichen Transfer in Berlin durchgeführt wurde. Sie beruht auf Interviews mit 90 pflegenden Beschäftigten.

Dabei geht es um die drei Bereiche Arbeitszeiten, Arbeitsorganisation sowie Betriebskultur. Hier ein Überblick auf die Ausgestaltung von Arbeitszeiten, die den Wünschen der Befragten entgegenkommen:

Wünsche der Arbeitnehmer

Pflegesensible Arbeitszeiten sind sowohl flexibler – allerdings selbstbestimmt durch den Arbeitnehmer – als auch planbarer. Nacht- und Wochenendarbeit laufen den Wünschen der meisten Befragten zuwider. Günstig wäre eine „pflegegerechte Vollzeit“, d.h. eine leichte Absenkung mit einem finanziellen Ausgleich. Aber auch existenzsichernde Teilzeitmodelle sind denkbar. Zudem können Arbeitszeitkonten hier hilfreich sein! Spontane kurzfristige Freistellungen sind ebenso wichtig wie planbare längerfristige Freistellungen.

Gesetzliche Regelungen

Pflegezeitgesetz (PflegeZG)

Kurzfristige Arbeitsverhinderung: Nach § 2 Pflegezeitgesetz darf ein Mitarbeiter bis zu zehn Arbeitstage von der Arbeit fernbleiben, wenn er für einen pflegebedürftigen Angehörigen zum Beispiel eine bedarfsgerechte Pflege organisieren muss. Einen gesetzlichen Gehaltsanspruch während dieser Zeit gibt es allerdings nicht.

Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten haben einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung für maximal sechs Monate, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen – auch hier gibt es keine Gehaltsfortzahlung.

Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)

Die Familienpflegezeit kann man sich vorstellen wie eine umgekehrte Altersteilzeit: Zuerst wird der Arbeitnehmer freigestellt, und anschließend muss er nacharbeiten. Voraussetzung dafür ist eine Einigung mit dem Arbeitgeber. Dabei gibt es keine völlige Freistellung, sondern man muss mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten.

Während der Freistellungsphase stockt der Arbeitgeber das Gehalt um die Hälfte der reduzierten Arbeitszeit auf. Ein Beispiel: Wer von 40 auf 20 Stunden reduziert, bekommt 30 Stunden bezahlt.

In der Nacharbeitungsphase muss man zum niedrigeren Gehalt (im Beispiel: 30 Std.) wieder die frühere höhere Stundenzahl (im Beispiel: 40 Std.) arbeiten, bis der Vorschuss abgezahlt ist.

Der Arbeitgeber kann während der Freistellungsphase vom Staat ein zinsloses Darlehen erhalten, das in Raten zurückgezahlt werden kann.

Familienpflegezeit kann für höchstens zwei Jahre beantragt werden. Einen Rechtsanspruch gibt es nicht.

Letztlich werden die Lösungen je nach Betrieb und individueller Situation entwickelt und angepasst werden müssen. Klar ist aber, dass auch die Apothekenteams immer häufiger mit entsprechenden Problemen konfrontiert werden. 

Weitere Informationen: www.boeckler.de/pdf/p_pflegesensible_arbeitszeiten.pdf

 

Dr. Sigrid Joachimsthaler

 

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