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Den Vertriebskanal Apotheke pflegen

WuV-Chef Metin Ergül im DAZ-Interview über die Expopharm

STUTTGART (wes) | Metin Ergül, 45, ist seit Juni 2012 Geschäftsführer der Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker (WuV), die jedes Jahr die Expopharm veranstaltet. Im DAZ-Interview erklärt er, warum sich auf der traditionsreichen Messe viel geändert hat – und was bleiben wird.
Die Entscheidung, als Aussteller auf eine Messe zu gehen, werde heute stärker hinterfragt, meint Metin Ergül, Chef der Expopharm-Veranstalterin WuV Foto: WuV

DAZ: Im vergangenen Jahr gab es bei der Expopharm viele Veränderungen: neue Terminierung, ein neues Logo, eine neue Website mit einem Online-Ticket-System, Social-Media-Aktivitäten. Sind das nur Äußerlichkeiten, sozusagen ein „Facelift“, oder stehen dahinter tiefergehende konzeptionelle Neuerungen?

Metin Ergül: Die Dinge, die Sie genannt haben, sind sozusagen Werkzeuge, mit denen wir unsere Ideen zur Weiterentwicklung der Expopharm umsetzen. Wir wollen damit die Module und Konzepte, die die Messe seit letztem Jahr prägen, an Besucher und Aussteller kommunizieren. Wir wollen Feedback erhalten und mit den Kunden in einen Dialog treten. Die Wünsche, die uns so erreichen, können wir dann wieder einfließen lassen in die konzeptionelle Weiterentwicklung.

DAZ: Welche konzeptionellen Veränderungen sind das denn?

Ergül: Wir haben einiges an Neuheiten implementiert, zu denen es konkrete strategische Hintergedanken gibt. Vor allem ist das die Pharma-World. Dieses Konzept resultiert aus konkreten Gesprächen mit unseren Ausstellern, die sich neue Formate wünschten, mit denen sie größere Kundengruppen über neue Produkte und Konzepte informieren können. Daneben haben die Aussteller natürlich weiterhin die Unternehmenspräsenz auf den Messeständen, wo sie mit ihren Kunden in den individuellen Dialog treten können.

Ausgehend von diesen Wünschen der Aussteller haben wir uns überlegt, wie ein solches Konzept aussehen könnte. Dabei muss auch die Besucherpsychologie einer Messe mit über 25.000 Gästen beachtet werden. Wir haben ein Konzept entwickelt, dass in das Besucherverhalten und die Laufströme passt – und das ist dann die Pharma-World geworden.

DAZ: Wie sieht denn die Pharma-World konkret aus?

Ergül: Es handelt sich um ein integriertes Areal, eine Vortragsarena, die technisch und funktional so ausgestaltet ist, dass man dort sowohl Vorträge wie auch Podiumsdiskussionen veranstalten kann. Sie ist durch eine hohe Aufenthaltsqualität geprägt, Das ist sehr wichtig. Wenn eine Arena mit 100 bis 150 Plätzen zu Anfang eines Vortrags leer ist, stellt das doch eine gewisse Eintrittshürde für die Besucher dar. Niemand möchte der Erste sein, der sich hinsetzt.

DAZ: Haben Sie eine Lösung für dieses Problem gefunden?

Ergül: Wir haben die Gestaltung so vorgenommen dass wir die schon erwähnte hohe Aufenthaltsqualität bieten. Die Besucher können dort auch längere Zeit verbringen – es gibt ein Catering-Areal mit Angeboten für Getränke und kleine Speisen. So kommen zu den Interessierten, die ganz gezielt einen Vortrag besuchen, diejenigen Gäste, die sich eher zufällig dort aufhalten und sich dann dem Geschehen auf der Bühne zuwenden. Wen der aktuelle Programmpunkt nicht interessiert, der steht dann ohnehin auf und geht. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Arena schnell füllt – denn wenn schon eine kritische Masse da ist, kommen auch schnell neue Leute dazu. Das ist übrigens auch der Unterschied zu einem Kongress. Dort stehen die Vorträge im Vordergrund. Bei uns liegt das Primat des Besuchs auf der Messe. Die Menschen laufen durch die Messe und finden dieses Format vor. Das hat wiederum zur Folge, dass die Hürden niedrig sein müssen. Deswegen ist es ein komplett offen gestaltetes Areal. Technisch bringt das schon ein paar Herausforderungen mit sich. Wir müssen beispielsweise die Akustik so abgrenzen, dass es keine Störfaktoren gibt – aber das haben wir im Griff.

DAZ: Und wie sieht das Konzept dahinter aus?

Ergül: Es handelt sich um ein Format, in dem sich Unternehmen über Vorträge zusätzlich positionieren können. Die Attraktivität besteht darin, dass es nicht in erster Linie Werbe- oder Marketingveranstaltungen für die Aussteller sind. Das Programm hat einen wissenschaftlichen Anspruch. Es wird von den Professoren Dingermann und Schubert-Zsilavecs kuratiert, die über unseren Beirat für die Programmgestaltung verantwortlich sind. Daraus ergibt sich ein völlig unternehmens- und produktneutrales Programm zu verschiedenen Indikationsbereichen. Die Unternehmen können dieses Programm dann mit ihren Vorträgen ergänzen oder sich im Bereich der Pharma-World an eigenen Ständen präsentieren, wenn sie Lösungen in den Themenbereichen der Vorträge anbieten.

DAZ: Der Preis für das offene Konzept war im vergangen Jahr eine gewisse Unruhe. Viele Besucher haben das Areal genutzt, um sich hinzusetzen und auszuruhen. Zu Beginn der Vorträge sind dann viele Besucher aufgestanden und gegangen.

Ergül: Ein solches Format ist natürlich unruhiger als ein Kongress. Aber durch die wissenschaftlichen Themen, die wir dieses Jahr anbieten, erwarten wir ein etwas fokussierteres Besucherverhalten. Es gibt schon Anzeichen dafür. Beispielsweise zeigt die Nachfrage nach den Abstracts, die wir seit vier Wochen online haben, dass es viel Vorausplanung des Besuchs gibt. Letztes Jahr haben viele Besucher eher „reingeschnuppert“, weil sie gesehen haben, „Oh, hier gibt es etwas Neues …“

Aber grundsätzlich ist ein solches Format auf einer Messe einfach unruhiger als ein Kongress. Und natürlich muss das Pharma-World-Konzept noch weiter wachsen.

DAZ: Für die Vorträge gibt es dieses Jahr Fortbildungspunkte. Was müssen die Besucher tun, um diese zu bekommen?

Ergül: Die Teilnahme an den Veranstaltungen wird vor Ort registriert. Durch die Registrierung erhalten sie nachträglich das Zertifikat.

DAZ: Wie war denn die Resonanz der an der Pharma-World beteiligten Firmen im vergangenen Jahr?

Ergül: Die Firmen waren sehr zufrieden, weil sie das als neue Möglichkeit erkannt haben, sich den Besuchern auch wissensbasiert zu präsentieren. Was Sie auch nicht vergessen dürfen: Unser Blick auf die Messe ist ein 365-Tage-Blick. Die Messe hat eine sehr lange Vorbereitungszeit im Rahmen des Pre-Marketings und der Prä-Kommunikation. Dazu kommt die Nachberichterstattung. Und für uns ist es bedeutend einfacher, unsere Aussteller kommunikativ in Szene zu setzen, wenn wir frühzeitig Inhalte transportieren können. Denn daran orientieren sich letzten Endes die Besucher. Jedes Vortragsthema, das Firmen im Rahmen der Pharma-World platzieren oder unterstützen, ist für uns ein Kommunikationsanlass, den wir nutzen können. Das lässt sich dann in sämtlichen Kanälen spielen und schafft Besucherattraktivität. Die Unternehmen haben erkannt, dass das für sie eine zusätzliche attraktive Kommunikationsmöglichkeit ist.

DAZ: Thematisch ist die Pharma-World ein ziemlich wilder Mix. Es gibt Marketing-Themen, wissenschaftliche Vorträge und politische Diskussionen. Wie kam dieser Mix bei den Besuchern an?

Ergül: Das kam sehr gut an, weil wir eine ziemlich heterogene Zielgruppe haben. Das sind zwar im Wesentlichen die Inhaber und Mitarbeiter aus den Apotheken, sowohl approbierte Apotheker wie PTA und PKA, aber natürlich sind die Interessenlagen, mit denen diese auf die Messe kommen, sehr unterschiedlich. Das gilt selbst für eine einzelne Person! Die Interessen und darauf abgestimmt unsere Angebote reichen von der wirtschaftlich erfolgreichen Führung einer Apotheke über wissenschaftliche Themen bis zur Politik, die ja auch parallel auf dem Apothekertag sehr intensiv diskutiert wird. Dass die Mischung ankommt, zeigt sich auch in den Teilnehmerzahlen. Wir sehen zudem an den Klickzahlen auf der Website und an der Resonanz in den Social-Media-Kanälen, dass ein reges Interesse da ist. Wir wollen die Pharma-World als genau dieses vielschichtige Format weiter etablieren – weil die Pharma-World eine wichtige Dialogplattform zwischen den Apothekern und den anderen Stakeholdern im Apothekenwesen darstellt. Da gehören eben all diese Disziplinen dazu.

DAZ: Also wird es auch im nächsten Jahr wieder eine Pharma-World geben?

Ergül: Ja, auf jeden Fall.

DAZ: Die wahrscheinlich auffälligste Neuerung des vergangenen Jahres waren die neuen Öffnungstage Mittwoch bis Samstag statt wie bisher Donnerstag bis Sonntag. Was war der Grund für diese Änderung?

Ergül: Da spielen mehrere Gründe eine Rolle. Einerseits sind das organisatorische Gründe, beispielsweise die Bereitstellung des Messegeländes. Hinzu kam aber auch, dass der Sonntag für die Aussteller nicht so attraktiv war. Es kamen weniger Besucher – und die Messe dauerte nur bis 16.00 Uhr. Viele namhafte Vertreter der Aussteller oder auch Messebesucher, die nicht aus Apotheken stammen, sind bereits am Samstag abgereist. Dafür mussten die Unternehmen ihren Mitarbeitern dann aber auch noch Sonntagszuschläge zahlen. Die jetzige Abfolge von Mittwoch bis Samstag entsprach dem Wunsch unserer Aussteller. Von den Apothekern – das zeigen unsere Erfahrungen aus Düsseldorf – wird diese Abfolge ebenfalls akzeptiert. Wichtig war für uns, den gleichzeitigen Start von Apothekertag und Messe weiter zu ermöglichen. Es ist schwierig zu kommunizieren, wenn zwei so eng miteinander verwobene Veranstaltungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen. Zudem sind die Apothekertagsteilnehmer in den Pausen immer wieder auf der Messe. Und den ersten Messetag auch gleich als Apothekertags-Tag zu haben, bedeutet, dass von Anfang an wichtige Entscheidungsträger auf der Messe präsent sind.

DAZ: An der Kopplung der Expopharm an den Apothekertag wollen Sie also – bei allen Neuerungen – weiterhin festhalten?

Ergül: Ja, das ist eine ganz wichtige Symbiose für uns. Hier stehen keine Änderungen an.

DAZ: Hat die Verschiebung der Tage zu einer Veränderung der Besucherzahlen geführt?

Ergül: Nein, eigentlich nicht. Durch die Tagesfolge mag der Eine oder Andere seine individuellen Besuchstage auf der Messe angepasst haben – die meisten bleiben ja nicht für die ganze Zeit, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt eher bei zwei Tagen. Insofern verschiebt sich das für den individuellen Besucher. Aber in der Summe der Besuchstage macht das für uns keinen Unterschied.

DAZ: Bedeutet das, dass es auch zukünftig bei den jetzigen Messetagen bleibt?

Ergül: Es gibt keine konzeptionellen Überlegungen, zu den alten Tagen zurückzukehren. Es kann natürlich sein, dass sich bestimmte Zwänge ergeben, die uns über die Termine nachdenken lassen. Aber im Moment ist eine Änderung nicht vorgesehen.

DAZ: Wird es auch beim Wechsel-Turnus zwischen Düsseldorf und München bleiben?

Ergül: Es gibt im Moment keine Überlegungen, das zu ändern.

DAZ: Letztes Jahr hatte die Expopharm über 500 Aussteller. Schaffen sie die 500er-Marke auch in diesem Jahr?

Ergül: Ja, wir werden knapp 500 Aussteller haben. Wie in München 2012. Die Expopharm München hat traditionell immer einige Aussteller weniger als Düsseldorf. In Düsseldorf waren wir letztes Jahr knapp über 500. Der Unterschied ist jedoch gering und wichtiger ist, dass die führenden Unternehmen der jeweiligen Angebotssegmente an beiden Veranstaltungsorten ausstellen. Das ist der Fall.

DAZ: Sind für eine Apothekermesse nicht relativ wenige Arzneimittelhersteller auf der Expopharm? Auch große deutsche OTC- und Generikahersteller sind nicht vertreten.

Ergül: Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber vorweg: Wir haben Hersteller wie Aliud, Engelhard, Heumann, Orthomol, Pfizer, Stada und eine Menge anderer Firmen auf der Messe. Aber grundsätzlich hinterfragen die Unternehmen heute solche Entscheidungen mehr als in der Vergangenheit, wo man sich auch schon einmal aus Gewohnheit auf eine Messe gestellt hat.

Wir sind mit sehr vielen Unternehmen in einem sehr guten Dialog. Und das nicht nur mit OTC-Herstellern – für die der Apotheker ja der wichtigste Entscheider ist – sondern auch mit vielen forschenden Unternehmen, die verschreibungspflichtige Arzneimittel herstellen. Da könnte man sich ja schon die Frage stellen: Was wollen die auf der Expopharm? Aber immer mehr Firmen erkennen, dass es wichtig ist, den einzigen Vertriebskanal zu pflegen und die Apotheker zu informieren. Deswegen denken sie über eine Teilnahme nach. Dieses Jahr haben wir Pfizer gewinnen können. Daran sehen Sie, dass sich auch solche Unternehmen wieder mit der Expopharm auseinandersetzen.

DAZ: Können die Apotheker also in Zukunft mit mehr Arzneimittelherstellern auf der Expopharm rechnen?

Ergül: Wir sind da guter Dinge. Das ist auch ein Grund, warum wir Formate wie die Pharma-World entwickeln. Dieses Thema muss man aber auch mit einer gewissen Geduld und einer mittelfristigen Strategie betrachten.

Was wir in allen Gesprächen feststellen ist, dass den Unternehmen sehr klar ist, dass die Apotheke der einzige Vertriebskanal für ihre apothekenpflichtigen und verschreibungspflichtigen Produkte ist. Dadurch sind die Apotheker natürlich eine ganz wichtige Zielgruppe für die Hersteller.

DAZ: Im Pharmazeutischen Großhandel ist viel Unruhe. Schlägt sich das in der Zahl der Aussteller aus dieser Branche nieder?

Ergül: Die Großhandelsunternehmen haben sich schon in der Vergangenheit mehr über ihre Kooperationen auf der Messe präsentiert als über die Großhandlungen selber. Das ist auch dieses Jahr wieder so, insofern merken wir hier keine großen Veränderungen. Natürlich würden wir uns mehr Großhandel auf der Messe wünschen, aber die Änderungen zu den Vorjahren sind für die Expopharm marginal.

DAZ: Und wie sieht es mit den Software-Unternehmen aus?

Ergül: Die Großen sind komplett an Bord. Sie sind eine unserer wichtigsten Ausstellergruppen, weil sie den wahrscheinlich höchsten Innovationstakt haben. Deshalb stellen sie eine ganz wichtige Branche für unsere Besucher dar. Die Apotheker erwarten, bei der Software und bei den Rechenzentren auf der Messe einen Marktvergleich vornehmen zu können.

DAZ: Die Apotheken werden von den Firmen das ganze Jahr über mit Werbung bedacht, der Außendienst kommt in die Apotheken, die Firmen informieren über die Fachzeitschriften – warum muss ein Apotheker trotzdem nach München kommen?

Ergül: Die persönliche Kommunikation ist die wesentliche Funktion einer Messe. Und es gibt keine Alternative zur Expopharm, wenn man ein Benchmark im Apothekenmarkt in Deutschland vornehmen will. Es ist die wichtigste Leistungsschau für den Apothekenmarkt, die die Möglichkeit bietet, sich in kurzer Zeit einen sehr guten Überblick zu verschaffen, welche Produkte und Dienstleistungen es im Markt gibt – und das über die gesamte Wertschöpfungskette. Das ist mit einer Werbekampagne oder einem Außendienstbesuch überhaupt nicht vergleichbar.

Dazu kommt die Möglichkeit, mit den Unternehmen auch auf mittlerer oder sogar Executive-Managementebene persönlich zu kommunizieren. Auf Messen kann man mit den wichtigsten Lieferanten in einen direkten Dialog treten. Diese Plattform zum Wissenstransfer zu nutzen, das wissen die Apotheker, die jedes Jahr wieder kommen, sehr zu schätzen.

Und vergessen Sie nicht: Rund 25.000 Besucher bedeuten, dass im Schnitt aus jeder Apotheker mehr als eine Person die Messe besucht. Das ermöglicht auch einen intensiven Austausch mit Kollegen, die man dort – gezielt oder zufällig – treffen kann. Es gibt schon das Gefühl, dass man etwas verpasst, wenn man nicht auf die Expopharm geht. 

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! 

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