Wie kommt es zur Schmerzkarriere?

Die Funktion von Nervenzellen wird wesentlich durch die intrazelluläre Konzentration bestimmter Ionen bestimmt, indem diese Ionen die Genexpression beeinflussen. Die Ionenkanäle, durch die die Ionen vom Interstitium in die Zelle einströmen, sind bei allen Lebewesen gleich oder vergleichbar – vom Menschen bis zum primitiven Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Der Letztere besitzt als Sinnesorgane zwei Amphidien mit verschiedenartigen Neuronen. Der Zelltyp AHS (amphid sensory neuron) ist für die Schmerzempfindung zuständig, und sein Ionenkanal OSM-9 ist das Homolog zum Ionenkanal TRPV4 (transient receptor potential vanilloid 4) der Säugetiere. Durch beide Kanäle strömen bei mechanischen, chemischen oder osmotischen Reizen Calciumionen in die Neuronen. Doch was bewirken sie?

Forscher um Wolfgang Liedtke in Durham (North Carolina) haben durch Genmanipulation Exemplare von C. elegans ohne OSM-9 gezüchtet und in mehreren Experimenten ihr Verhalten mit demjenigen von natürlichen Exemplaren verglichen. Wenn die Würmer einem Reiz exponiert wurden, reagierten sie anfangs in beiden Gruppen gleich. Bei mehrfacher Wiederholung derselben Exposition zeigten die Wildtyp-Würmer schließlich kaum noch eine Schmerzempfindung, denn sie hatten sich an den Reiz gewöhnt. Die genmanipulierten Würmer hingegen reagierten immer wie beim ersten Mal.

Die Forscher schließen daraus, dass die Calciumionen in den nozizeptiven Neuronen dafür sorgen, dass der Körper eine fortwährende Schmerzquelle auf die Dauer ignoriert. Wenn der zuständige Ca²⁺-Ionenkanal aber nicht mehr funktioniert, kommt es zu chronischen Schmerzen. – Da bereits bekannt ist, dass das Alkaloid Capsaicin den Ionenkanal TRPV1 aktiviert und dadurch schmerzlindernd wirkt, dürfte es möglich sein, auch einen selektiven Agonisten von TRPV4 zu finden. 

Quelle: Lindy AS, et al. TRPV channel-mediated calcium transients in nociceptor neurons are dispensable for avoidance behavior. Nature Comm; Epub 02.09.2014