Phytotherapie

Phytopharmaka fürs Immunsystem

Helfen sie bei Erkältungskrankheiten?

Von Kristina Jenett-Siems | Ein leichtes Kratzen im Hals, man fühlt sich schlapp, und der Schädel brummt – typische Symptome einer beginnenden Erkältung, wie sie von vielen Kunden in der Apotheke geschildert werden. Und dann natürlich die Frage: „Kann man da nicht etwas machen, verhindern, dass die Erkältung ausbricht, oder zumindest die Dauer der Erkrankung verkürzen?“ Oder mit anderen Worten, dem eigenen Immunsystem etwas auf die Sprünge helfen – möglichst mit etwas Pflanzlichem? Die Rote Liste nennt in der Hauptgruppe „Immunmodulatoren“ unter der Rubrik „Pflanzliche Immunstimulanzien“ (die Bezeichnung „Immunmodulatoren“ wäre auch für die Phytos korrekter) eine Reihe von Präparaten auf Basis verschiedener Sonnenhut-Arten. Traditionell werden noch weitere Arzneipflanzen zur Steigerung der körpereigenen Immunabwehr eingesetzt. Einen Überblick über neuere Forschungsergebnisse gibt der folgende Beitrag.

Sonnenhut

Die Gattung Sonnenhut (Echinacea) gehört zur Familie der Asteraceae (Korbblütler) und ist ursprünglich im östlichen Nordamerika beheimatet. Die Pflanzen sind ausdauernde Stauden, die mit ihren purpurn gefärbten Zungenblüten auch als Zierpflanzen beliebt sind. Von den Ureinwohnern Nordamerikas wurden Sonnenhut-Arten traditionell zur Behandlung schlecht heilender Wunden genutzt. Schon bald fanden die Pflanzen Eingang in den Arzneischatz der weißen Siedler, insbesondere zur Behandlung von Syphilis und Schlangenbissen, und erreichten schließlich auch Europa. Hier wurde überwiegend der Purpurfarbene Sonnenhut (Echinacea purpurea) angebaut, der schnell zum Gegenstand intensiver Forschung wurde, was zu seiner Anwendung als immunstimulierendes Arzneimittel führte. Auf dem Markt befindliche Präparate enthalten überwiegend Extrakte oder Presssäfte aus den blühenden oberirdischen Teilen von E. purpurea, zum Teil allerdings auch Extrakte aus den Wurzeln des Blassfarbenen und des Schmalblättrigen Sonnenhuts (E. pallida und E. angustifolia).

Grafik: Ruth Hammelehle
Abb. 1: Alkamid (oben) und Kaffeesäureester im Kraut von Echinacea purpurea (Beispiele dieser Stoffgruppen).

Die Inhaltsstoffe des Krautes von E. purpurea können im Wesentlichen sechs Gruppen zugeordnet werden: Kaffeesäurederivate, Alkamide, Flavonoide, Polyacetylene, Polysaccharide und Bestandteile eines ätherischen Öles. Bei den Kaffeesäurederivaten dominieren Ester der Kaffeesäure mit Weinsäure (z.B. 2,3-O-Dicaffeoylweinsäure = Cichoriensäure, Abb. 1) oder Chinasäure, während die Alkamide aus langkettigen ungesättigten Fettsäuren bestehen, die säureamidartig überwiegend mit Isobutylamin verknüpft sind (Abb. 1). Das Inhaltsstoffspektrum anderer Sonnenhut-Arten ist prinzipiell ähnlich, allerdings finden sich in den Wurzeln des Blassfarbenen Sonnenhutes kaum Alkamide, dafür aber mit Kaffeesäure veresterte Glykoside von 3,4-Dihydroxyphenylethanol wie Echinacosid (Abb. 2) oder Verbascosid.

Grafik: Ruth Hammelehle
Abb. 2: Echinacosid, ein mit Kaffeesäure verestertes Glykosid in den Wurzeln von Echinacea pallida.

Nach derzeitigem Wissensstand kann kein Inhaltsstoff und auch keine Inhaltsstoffgruppe allein für eine mögliche immunstimulierende Wirkung der Sonnenhut-Präparate verantwortlich gemacht werden. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass die Aktivität auf einem Zusammenspiel verschiedener Bestandteile beruht, sodass wie bei vielen Phytopharmaka auch hier der Extrakt als Wirkstoff anzusehen ist. Dennoch hat sich die Forschung zu möglichen Wirkmechanismen in den letzten Jahren zunehmend auf die Alkamide fokussiert, da diese – im Gegensatz zu vielen hydrophilen Inhaltsstoffen – eine gute Bioverfügbarkeit besitzen [1].

In einer Vielzahl von In-vitro- und Tiermodellen konnte ein stimulierender Effekt von Sonnenhut-Zubereitungen auf immunkompetente Zellen gezeigt werden. Untersuchungen einzelner Fraktionen zeigten, dass Alkamide und Polysaccharide die Phagozytoseaktivität von Makrophagen erhöhen [2, 3]. Weitere Untersuchungen mit alkamidreichen Extrakten sowie einzelnen Alkamiden ergeben bisher folgendes Bild hinsichtlich möglicher Angriffspunkte:

Alkamide hemmen die Cyclooxygenase-1 und -2 (COX-1 und COX-2) sowie die 5-Lipoxygenase [4], alles Enzyme, die bekanntermaßen für die Bildung proinflammatorischer Prostaglandine verantwortlich sind. Ein weiteres interessantes Target sind die Cannabinoidrezeptoren, von denen bisher zwei Subtypen identifiziert wurden. Der CB-1-Rezeptor befindet sich hauptsächlich auf Neuronen im ZNS, während der CB‑2-Rezeptor auf Zellen des Immunsystems (z.B. B-Zellen und Makrophagen) lokalisiert ist. Als endogener Ligand wurde u.a. das Anandamid identifiziert. Während die Endocannabinoide im ZNS z.B. an der Schmerzverarbeitung und der Appetitregulation beteiligt sind, entfalten sie in der Peripherie eine immunmodulatorische Wirkung. Alkamide binden insbesondere an den CB‑2-Rezeptor, und zwar mit einer Affinität, die etwa einem Fünftel derjenigen des endogenen Liganden Anandamid entspricht [5]. Diese Rezeptorbindung führt in humanen Immunzellen zu einer Modulation der Genexpression, sodass nach der Stimulation mit bakteriellem Lipopolysaccharid weniger proinflammatorische Zytokine wie TNF-α und IL-8 gebildet werden [6]. Zudem ließ sich für einen alkamidhaltigen Echinacea-Extrakt auch eine antivirale Aktivität gegen Rhino- und Influenzaviren nachweisen [7].

Alle diese Befunde sprechen dafür, dass die Alkamide eine für die mögliche Wirksamkeit von Echinacea-Präparaten relevante Stoffgruppe darstellen; endgültige Beweise dafür müssten aber noch mittels klinischer Studien erbracht werden.Hinsichtlich der klinischen Effektivität von Echinacea-Extrakten zur Behandlung und Vorbeugung von Infektionen des Respirationstraktes gibt es inzwischen eine Vielzahl von Studien unterschiedlicher Qualität. Die Ergebnisse sind dabei etwa so heterogen wie die eingesetzten Studienpräparate, sodass eine eindeutige Bewertung schwerfällt. Ein aktueller Cochrane-Review [8], in dem 24 Studien analysiert wurden, kommt zu dem vorsichtigen Schluss, dass zumindest einige Echinacea-Präparate (basierend insbesondere auf alkoholischen Extrakten oder Presssäften der oberirdischen Teile von E. purpurea) in der Lage sein könnten, das Risiko, sich eine Erkältung einzufangen, geringfügig zu reduzieren. Auch ein geringfügig positiver Effekt bezüglich der Dauer eines Infektes scheint zu bestehen, wobei ein möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn wichtig zu sein scheint.

In den meisten Studien erwiesen sich Echinacea-Präparate als gut verträglich; es besteht zwar die Möglichkeit einer allergischen Reaktion (Korbblütler-Allergie!), diese tritt jedoch bei oraler Applikation selten auf. Aus prinzipiellen Erwägungen sollten Echinacea-haltige Phytopharmaka bei Patienten mit Tuberkulose, HIV-Infektion, multipler Sklerose und anderen Autoimmunerkrankungen nicht angewendet werden.

Kombinationspräparate

Neben den Echinacea-Monopräparaten gibt es auf dem deutschen Markt ein Kombinationspräparat (Esberitox® N), das zusätzlich zu einem Wurzelextrakt von E. pallida und E. purpurea (im Verhältnis 1:1) Extrakte aus der Färberhülse (Baptisia tinctoria, Fabaceae) und dem Lebensbaum (Thuja occidentalis, Cupressaceae) beinhaltet. Die Färberhülse, auch als Wilder Indigo bezeichnet, enthält Chinolizidin-Alkaloide, Isoflavonoide und Polysaccharide, der Lebensbaum u.a. Flavonoide, Gerbstoffe, Polysaccharide und ein Thujon-haltiges ätherisches Öl. Beide Pflanzen werden traditionell zur Stärkung des unspezifischen Immunsystems eingesetzt und gehen wie der Sonnenhut auf die Volksmedizin nordamerikanischer Indianer zurück. Als wirksame Bestandteile werden insbesondere die Polysaccharid-Fraktionen angesehen. Im humanen Vollblutmodell konnte sowohl für die einzelnen Extrakte als auch für das Kombinationspräparat eine Induktion verschiedener Zytokine, u.a. Interferon-γ, gezeigt werden, was auf eine immunmodulierende Aktivität hinweist. Außerdem ließ sich 1999 in einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, multizentrischen Studie an 263 Patienten ein schnelleres Abklingen von Erkältungssymptomen im Vergleich zu Placebo demonstrieren [9].

Imupret® N, ein Kombinationspräparat ohne Echinacea, ist ebenfalls bei den ersten Anzeichen einer Erkältung indiziert. Die Dragees enthalten eine Mischung aus sieben gepulverten Arzneidrogen: Eibischwurzel (Althaea officinalis, Malvaceae), Eichenrinde (Quercus robur, Fagaceae), Kamillenblüten (Matricaria recutita, Asteraceae), Löwenzahnkraut (Taraxacum officinale, Asteraceae), Schachtelhalmkraut (Equisetum arvense, Equisetaceae), Schafgarbenkraut (Achillea millefolium, Asteraceae) und Walnussblätter (Juglans regia, Juglandaceae). Als Sekundärstoffklassen, die in dieser Mischung zu finden sind, wären u.a. Gerbstoffe, Polysaccharide, Flavonoide und Sesquiterpene zu nennen. In verschiedenen Modellen konnten ein positiver Effekt auf die Phagozytoseaktivität, eine antivirale Wirkung gegenüber RSV (respiratorisches Syncytial-Virus) und ein Einfluss auf proinflammatorische Zytokine gezeigt werden [10, 11]. Imupret® N ist als traditionelles pflanzliches Arzneimittel aufgrund langjähriger Erfahrung registriert; klinische Studien hinsichtlich der Wirksamkeit existieren nicht, lediglich eine im Jahr 2008 publizierte Anwendungsbeobachtung [12], die dem Präparat eine gute Verträglichkeit bescheinigt.

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass verschiedene Arzneipflanzen, insbesondere aber die drei Sonnenhut-Arten, in verschiedenen pharmakologischen Modellen eine immunmodulierende Aktivität zeigen. Eine Übertragung dieser Befunde auf In-vivo-Verhältnisse ist allerdings nur schwer möglich. Die klinischen Belege zur Bestätigung des Konzepts „pflanzliche Immunstimulanzien“ sind bisher eher als unzureichend zu bezeichnen, denn einigen vielversprechenden Studien steht inzwischen auch eine Anzahl von Studien mit negativem Ausgang (sprich: keine Überlegenheit gegenüber Placebo nachweisbar) gegenüber. Dies schließt natürlich nicht aus, dass der einzelne Patient doch von der Einnahme derartiger Präparate profitieren kann. Eine komplette Verhinderung des Ausbruchs viraler Infekte sollte und kann allerdings nicht erwartet werden. 

Literatur

 [1] Dietz B, Heilmann J, Bauer R. Absorption of dodeca-2E,4E,8Z,10E/Z-tetraenoic acid isobutylamides after oral application of Echinacea purpurea tincture. Planta Med 2001;67:863–864

 [2] Goel V, et al. Alkylamides of Echinacea purpurea stimulate alveolar macrophage function in normal rats. Int Immunopharmacol 2002; 2:381–387

 [3] Luettig B, et al. Macrophage activation by the polysaccharide arabinogalactan isolated from plant cell cultures of Echinacea purpurea. J Natl Cancer Inst 1989;81:669–675

 [4] Müller-Jakic B, et al. In vitro inhibition of cyclooxygenase and 5-lipoxygenase by alkamides from Echinacea and Achillea species. Planta Med 1994;60:37–40

 [5] Woelkart K, et al. The endocannabinoid system as a target for alkamides from Echinacea angustifolia roots. Planta Med 2005;71:701–705

 [6] Woelkart K, et al. Bioavailability and pharmacokinetic studies on Echinacea purpurea preparations and their interaction with the immune system. Int J Clin Pharm Ther 2006;44:401–408

 [7] Hudson J, et al. Characterization of antiviral activities in Echinacea root preparations. Pharm Biol 2005;43:790–796

 [8] Karsch-Völk M, et al. Echinacea for preventing and treating the common cold. Cochrane Database Syst Rev 2014;(2):CD000530

 [9] Köhler G, Bodinet C, Freudenstein J. Pharmakodynamische Wirkungen und klinische Wirksamkeit durch eine Kombination pflanzlicher Wirkstoffe aus Sonnenhut, Färberhülse und Lebensbaum. Wien Med Wochenschr 2002;152:393–397

[10] Wosikowski K, et al. Imupret® inhibits respiratory syncytial virus replication and displays in vitro and in vivo immunmodulatory properties. Planta Med 2013;79:PB48

[11] Hostanska K, et al. Suppression of interleukin (IL)-8 and human beta defensin-2 secretion in LPS- and/or IL-1β-stimulated airway epithelial A549 cells by a herbal formulation against respiratory infections (BNO 1030). J Ethnopharmacol 2011;134:228–233

[12] Berger T. Verträglichkeit und Wirksamkeit eines pflanzlichen Kombinationspräparats. Anwendungsbeobachtung bei Kindern und Jugendlichen mit rezidivierenden Infektionen der oberen Atemwege. MMW Fortschr Med 2008;150 (Suppl 2):85–90

Autorin

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort promoviert und hat sich 2003 für Pharmazeutische Biologie habilitiert. Forschungsschwerpunkt: Phytochemie und Pharmakologie traditioneller Arzneipflanzen.

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems, Institut für Pharmazie der FU Berlin, Königin-Luise-Str. 2-4, 14195 Berlin, kjsiems@zedat.fu-berlin.de

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