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Arzneimittel und Therapie
Kontroverse um die „Pille danach“
Präparate zur Notfall-Kontrazeption im Vergleich
Ovulationshemmung
In Deutschland sind die Präparate PiDaNa® mit dem Wirkstoff Levonorgestrel und ellaOne® (Zulassung 2009) mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat zur Notfall-Verhütung zugelassen. Die Wirkung der beiden hormonellen Methoden beruht darauf, dass der Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) und somit die Ovulation verzögert bzw. verhindert wird. Im Gegensatz zu Levonorgestrel kann Ulipristalacetat die Ovulation auch noch kurz vor dem Eisprung verhindern, wenn bereits eine gewisse Follikelgröße erreicht ist. Das synthetische Gestagen Levonorgestrel muss innerhalb von 72 Stunden (vorzugsweise innerhalb von zwölf Stunden) nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder im Fall des Versagens einer Kontrazeption eingenommen werden. Mit dem synthetischen, selektiven Progesteronrezeptor-Modulator Ulipristalacetat kann eine Notfall-Verhütung sogar bis zu 120 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr durchgeführt werden, dennoch sollte die Einnahme ebenfalls so früh wie möglich erfolgen.
Nidationshemmung
In der aktuellen Fachinformation des Handelspräparates PiDaNa® wird aufgeführt, dass der Wirkstoff ebenfalls die Implantation verhindern könne, nicht jedoch, wenn der Implantationsprozess bereits begonnen habe. Diese Aussage soll aufgrund neuerer Erkenntnisse revidiert werden. Denn deutsche [3] sowie internationale [4] Fachgesellschaften betonen, dass die Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle nicht verhindert werde. Levonorgestrel führt nicht zu einem Abbruch einer bereits bestehenden Schwangerschaft und verursacht keine Missbildungen beim Fetus. Auch für ellaOne® sind unterschiedliche Angaben in der Literatur zu finden. Postovulatorische Mechanismen, wie eine Nidationshemmung, werden in der Fachinformation nicht aufgeführt, sind jedoch u.a. laut der Publikation von Glasier et al. [5] nicht auszuschließen. Da Auswirkungen auf die embryonale Entwicklung nicht ausreichend bekannt sind, muss eine Schwangerschaft vor der Einnahme von ellaOne® ausgeschlossen werden.
Wirksamkeit belegt
Die Wirksamkeit von Ulipristalacetat und Levonorgestrel wurde in zwei unabhängigen, randomisierten kontrollierten Studien untersucht [5, 6]. Für die ersten 72 Stunden konnte für Ulipristalacetat eine Nichtunterlegenheit gegenüber Levonorgestrel nachgewiesen werden. Als die Daten aus den Studien in einer teils als methodisch unzureichend [7] bezeichneten Metaanalyse [5] kombiniert wurden, war das Schwangerschaftsrisiko mit Ulipristal-acetat signifikant geringer als mit Levonorgestrel (siehe Tabelle 1). Der von den Autoren dargelegte Wirksamkeitsvergleich nach 120 Stunden ist allerdings nicht aussagekräftig, da für Levonorgestrel innerhalb dieses Zeitfensters keine Zulassung vorliegt. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) und der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) erachten Ulipristal als den aktuellen Standard in der Notfall-Kontrazeption [3].
Nebenwirkungen vergleichbar
Das Nebenwirkungsprofil von Levonorgestrel und Ulipristal ist annähernd vergleichbar. Im Wesentlichen treten Kopfschmerzen, Dysmenorrhö und Übelkeit auf. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Benommenheit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Spannungsgefühl in den Brüsten sowie Rückenschmerzen. Unter der Einnahme von Ulipristal kann es auch zu schwereren Nebenwirkungen wie affektiven und emotionalen Störungen sowie Angst und Schlafstörungen kommen. Nach Einnahme von Levonorgestrel wurde gemäß der Fachinformation von PiDaNa® über thromboembolische Ereignisse berichtet. Die DGGEF und der BVF erklären, dass für beide Notfall-Kontrazeptiva prinzipiell kein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien bestehe. Im Einzelfall, z.B. bei positiver Eigen- oder Familienanamnese sowie bei kardiovaskulären Erkrankungen, sollte dieses Risiko jedoch bedacht und die Frage einer Thrombose-Prophylaxe besprochen werden. Kritiker der Entlassung aus der Verschreibungspflicht geben ebenfalls mögliche Schmier- und unregelmäßige Blutungen sowie eine verfrühte oder verspätete Menstruationsblutung als ernstzunehmende Nebenwirkungen zu bedenken. Es wird empfohlen, nach Durchführung einer Notfall-Kontrazeption einen Arzt aufzusuchen, um eine regelmäßige Kontrazeptionsmethode einzuleiten oder anzupassen. Durch die Einnahme von Ulipristalacetat kann sogar die Wirkung von hormonellen Kombinationspräparaten oder rein gestagenhaltigen Arzneimitteln vermindert sein.
Der Vorteil des neueren Präparates ellaOne® liegt durchaus in dem erweiterten Einnahmefenster. Eine Aufhebung der Verschreibungspflicht ist jedoch nicht abzusehen. Befürworter der Freigabe von PiDaNa® argumentieren, dass ein niedrigschwelliger Zugang zu Levonorgestrel-haltigen Notfall-Kontrazeptiva die Versorgung auch innerhalb des kürzeren Zeitfensters von 72 Stunden gewährleistet. Ansonsten sind in der Diskussion um die Freigabe der „Pille danach“, neben unerwünschten Arzneimittelwirkungen sowie Kontraindikationen und Wechselwirkungen noch viele weitere Aspekte von Bedeutung. Bleibt abzuwarten, welche Argumente letztlich eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht ermöglichen oder eben verhindern.
Quelle
[1] Fachinformation PiDaNa®, Stand Juli 2010.
[2] Fachinformation ellaOne®, Stand Mai 2013.
[3] Rabe T, Albring C. Notfallkontrazeption: ein Update. Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) e.V. und des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) e.V.; Update vom 6. Februar 2013. Frauenarzt 2013; 54: 108–114.
[4] International Consortium for Emergency Contraception, International Federation of Gynecology & Obstetrics. Statement on mechanism of action: how do levonorgestrel-only emergency contraceptive pills (LNG ECPs) prevent pregnancy? www.figo.org
[5] Glasier AF, Cameron ST, Fine PM, et al. Ulipristal acetate versus levonorgestrel for emergency contraception: a randomised non-inferiority trial and meta-analysis. Lancet 2010; 375 (9714), 555–562.
[6] Creinin MD, Schlaff W, Archer DF et al. Progesterone receptor modulator for emergency contraception: a randomized controlled trial. Obstet Gynecol 2006; 108: 1089–1097.
[7] Mehr Daten zum Notfallkontrazeptivum Ulipristalacetat (EllaOne), www.arznei-telegramm.de/html/2010_06/1006401_01.html
Fadenscheinig
Ein Kommentar von Doris Uhl
Je länger die Diskussion um die Pille danach anhält, um so vielfältiger werden die Argumente dafür und dagegen. Ein Argument, das gerade auch von Jens Spahn, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, in den Ring gegen die Freigabe der Levonorgestrel-haltigen Pille geworfen wurde, ist, dass man damit der schlechteren Alternative der beiden zur Verfügung stehenden Präparate den Vorzug einräumen würde, zum Schaden der betroffenen Frauen. Denn zum einen sei das verschreibungspflichtige Ulipristal wirksamer und zum anderen das Nebenwirkungsrisiko geringer. Zudem verweist Spahn auf ein erhöhtes Thromboserisiko, das bei Verwendung der Pille danach bestehe, weshalb sie in die Hände der Ärzte gehört. Bei näherer Betrachtung der zur Verfügung stehenden Studien (s.o.) ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild.
Lässt man im Raum stehende methodische Mängel außen vor, dann war Ulipristal in der Tat im Hinblick auf die Verhütung von Schwangerschaften Levonorgestrel überlegen. Doch hinsichtlich der Nebenwirkungen schnitt Ulipristal keineswegs besser ab. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Dysmenorrhö, gastrointestinale Beschwerden oder Müdigkeit traten ähnlich häufig auf und Thromboembolien wurden in diesen Studien überhaupt nicht beobachtet. Sie stellen erwiesenermaßen ein Risiko bei der Langzeitanwendung von Levonorgestrel dar, scheinen aber bei der Einmalanwendung nicht das Problem zu sein. Damit spricht für Ulipristal nur die möglicherweise bessere Wirksamkeit. Ein Grund dafür, auf die Freigabe von Levonorgestrel zu verzichten und auf eine Freigabe von Ulipristal zu setzen?
Dazu muss man wissen, dass Ulipristal ein in Europa zentral zugelassenes Medikament ist. Ein OTC-Switch ist nur auf europäischer Ebene möglich, wäre aber dann für alle europäischen Staaten verbindlich. Das hätte den Charme, dass sich manch einer hierzulande die Hände in Unschuld waschen könnte.
Ob und wann es allerdings zu diesem Switch kommen wird, steht in den Sternen. Die betroffenen Frauen können darauf nicht warten. Sie benötigen schon lange ein niedrigschwelliges Hilfsangebot. Denn wer einmal versucht hat, nachts oder am Wochenende den völlig überlasteten ärztlichen Notfalldienst zu bemühen, der weiß, wie hoch die Hürden hier liegen. Wer Verständnis für die Frauen in Not hat, der sollte sich seiner Verantwortung stellen und sich nicht hinter fadenscheinigen Argumenten verstecken. Er sollte endlich dafür sorgen, dass auch hier die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker genutzt wird.
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