Obstipation

Laxanzien: Dosis gemäß individuellem Bedarf

DAZ-Interview mit dem Gastroenterologen Prof. Dr. Thomas Frieling

DÜSSELDORF (cae) | Als Gastroenterologe hat Herr Prof. Dr. Thomas Frieling an der von zwei medizinischen Fachgesellschaften erstellten Leitlinie „Chronische Obstipation“ mitgewirkt und wesentliche Inhalte in dem vorstehenden Beitrag zusammengefasst. Da die Leitlinie aus der Sicht der Ärzte geschrieben ist, aber viele Patienten eine Obstipation, selbst wenn sie chronifiziert, ohne Konsultation eines Arztes behandeln, fragten wir Professor Frieling, welche Probleme dabei auftreten können und wie der Apotheker damit umzugehen hat.

 

DAZ: Viele Menschen sind zu Unrecht besorgt, dass sie sich durch den Inhalt ihres Darms selbst vergiften, wenn sie zwei Tage hintereinander keinen Stuhlgang hatten. Wie soll der Apotheker reagieren, wenn ihm ein Patient diese Nöte schildert?

Frieling: Natürlich sollte der Apotheker den Patienten aufklären, dass seine Sorgen unbegründet sind. Allerdings muss er auch die psychische Lage des Patienten richtig einschätzen, von der es wesentlich abhängt, ob er sich überzeugen lässt. Zudem kann es nicht schaden, ein leicht laxierendes Mittel zu empfehlen wie ein Mineralwasser mit hohem Magnesiumgehalt oder ein Magnesiumpräparat oder Leinsamen.

DAZ: Die neue Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften DGVS und DGNM empfiehlt bei chronischer Obstipation zuerst eine Basistherapie und Allgemeinmaßnahmen. Ist das bei dem vorherrschenden Lebensstil unserer Bevölkerung realistisch?

Frieling: Ärzte und Apotheker sollten sich niemals damit abfinden, dass die Bevölkerung großenteils einen ungesunden Lebensstil pflegt. Das betrifft den Nicotin- und Alkoholmissbrauch ebenso wie die ungesunde Ernährung und den Bewegungsmangel. Sie sollten vielmehr bei passenden Gelegenheiten wie ein „ceterum censeo“ für einen gesunden Lebensstil werben. Aber „unverbesserlichen“ Personen, die ihrer Gesundheit dennoch etwas Gutes tun wollen, sollten sie ihre Hilfe nicht verweigern und ihnen geeignete Mittel empfehlen. Im Fall der Menschen, die weder Vollkornbrot noch Müsli mögen und nur wenig Gemüse essen, kann das beispielsweise ein ballaststoffreiches Nahrungsergänzungsmittel sein.

DAZ: Unter den Laxanzien, die bei der chronischen Obstipation indiziert sind, bevorzugt die neue Leitlinie die osmotischen Laxanzien gegenüber den stimulierenden Laxanzien. Beim tatsächlichen Laxanziengebrauch ist die Reihenfolge jedoch umgekehrt. Kann und sollte der Apotheker durch die Beratung seiner Patienten dazu beitragen, das Ziel der Leitlinie zu erreichen?

Frieling: Die Empfehlungen der Leitlinie basieren auf dem Stufenkonzept. Stimulierende oder aktive Laxanzien sind häufig wirksamer als osmotische Laxanzien, sodass sie häufig bevorzugt werden. Vielleicht liegt das auch daran, dass im Bevölkerungsbild „Abführtabletten“ häufiger mit den aktiven Laxanzien verbunden werden. Der Apotheker sollte aus meiner Sicht auf jeden Fall auf die osmotischen Laxanzien hinweisen und diese, wenn sie noch nicht ausprobiert wurden, anstatt der aktiven Laxanzien empfehlen.

DAZ: Die Beliebtheit der pflanzlichen Anthrachinonglykoside hat stark nachgelassen. Bedauern Sie diese Entwicklung, oder halten Sie Sennesblätter usw. heute für überflüssig?

Frieling: Hier möchte ich auf die Leitlinie verweisen: Es spricht nichts gegen die Anwendung von Antrachinonen, also haben sie auch weiterhin ihren Stellenwert bei der Obstipationsbehandlung. Dosis und Einnahmefrequenz der Anthrachinone richten sich nach dem individuellen Bedarf. Auch die Anthrachinone haben eine duale Wirkungsweise (prokinetisch und sekretagog). Ihre Wirksamkeit bei kurzfristiger und mehrwöchiger Gabe sowie ihre Überlegenheit gegenüber Lactulose wurden in kontrollierten Studien nachgewiesen. Elektrolytverschiebungen im Serum wurden dabei nicht beobachtet. Krampfartige Bauchschmerzen können als Ausdruck der motorischen Wirkung auftreten. Ansonsten scheinen die Substanzen sicher zu sein, wobei langfristige systematische Beobachtungen fehlen. Der Übertritt von Sennosiden in die Muttermilch ist minimal, die kindlichen Stühle werden nicht weicher. Aborte werden nicht begünstigt. Die oft behauptete Gewöhnung an Sennoside scheint sehr selten zu sein, systematische Untersuchungen hierzu fehlen jedoch. Die (Pseudo)Melanosis des Kolons ist eine funktionell unbedeutende und reversible Folge bei längerer Einnahme von Anthrachinonen.

DAZ: Herr Professor Frieling, wir danken Ihnen für das Gespräch. 

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