Arzneimittel und Therapie

Lieber den Namen merken!

Arzneimittel nur anhand von Form und Farbe zu identifizieren vermindert die Adhärenz

Wirkstoffe und Präparatenamen sind für Patienten oft schwer auszusprechen und zu merken. Daher orientieren sich Laien bei der Einnahme ihrer Medikamente häufig am Aussehen der Verpackung, aber auch an Farbe, Form und Größe von Tabletten bzw. Kapseln. Diese kann sich aber ändern – meist durch eine Umstellung von einem Generikum auf das andere. In einer Studie wurde nun untersucht, inwieweit Hypertonie-Patienten ihre Antihypertonika anhand des Namens bzw. Wirkstoffs oder der Form, Farbe und Größe identifizieren und wie sich dies auf Therapietreue, Blutdruckeinstellung und auf die Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen auswirkt.

Untersucht wurde ein Kollektiv von 215 Hypertonie-Patienten an sechs verschiedenen Versorgungszentren in den USA. Die Patienten waren zu 68% Frauen, zu 80% Afroamerikaner und im Durchschnitt 60,2 Jahre alt (Mindestalter 50 Jahre). Der größte Teil der Patienten (43%) nahm nur ein Medikament gegen Bluthochdruck ein. Es erfolgte eine Einteilung in drei Gruppen:

  • Patienten, die ihre Antihypertonika korrekt benennen konnten (130 Patienten),
  • Patienten, die ihre Antihypertonika anhand des Aussehens (Farbe, Form, Größe) identifizieren konnten (55 Patienten), sowie
  • Patienten, die ihre Medikamente weder dem Namen nach noch dem Aussehen nach kannten (30 Patienten).

Zwischen diesen drei Gruppen wurden die Therapietreue (Adhärenz) der Patienten, die Blutdruckeinstellung sowie die Häufigkeit der Krankenhauseinweisungen in den vergangenen zwölf Monaten verglichen.

Die Adhärenz wurde durch Befragung der Patienten ermittelt. Konkret wurde dabei gefragt, ob in der vergangenen Woche eine oder mehrere Einnahmen der Medikation vergessen wurden. Dies traf bei 22% der Patienten zu, die den Namen ihrer Medikamente kennen, bei 22% der Patienten, die ihre Medikamente anhand von Form, Farbe und Größe unterscheiden, und bei 45% der Patienten, die nicht in der Lage sind, ihre Medikamente zu identifizieren (p = 0,03). Somit bestand für Patienten, die von ihren Blutdruckmedikamenten weder den Namen noch das Aussehen kennen, das größte Risiko, die Einnahme zu vergessen.

Erhöhtes Risiko für Hypertonie

Als nicht-kontrollierter erhöhter Blutdruck wurde in der Studie ein Durchschnittswert bei den letzten drei Blutdruckmessungen durch den Arzt von über 140/90 mmHg definiert. Die Häufigkeit der Krankenhausaufenthalte innerhalb der vergangenen zwölf Monate wurde durch Befragung der Patienten ermittelt. Dabei zeigte sich, dass bei den Patienten, die ihre Tabletten anhand von Form und Farbe identifizierten, im Vergleich zu Patienten, die die Medikamente benennen können, das relative Risiko für einen unkontrollierten, erhöhten Blutdruck (RR 1,26; p = 0,05) und Krankenhauseinweisungen (RR 1,71; p = 0,05) erhöht war. Die Patienten, die ihre Medikamente überhaupt nicht identifizieren können, hatten ebenfalls ein erhöhtes relatives Risiko für Krankenhausaufenthalte im Vergleich zu Patienten, die ihre Medikamente benennen können (RR 1,35, p = 0,05). Dies bedeutet für Patienten, die sich mit ihren Medikamenten auskennen, einen gleichmäßiger eingestellten Blutdruck und ein geringeres Risiko einer Krankenhauseinweisung als für die weniger gut informierten Patienten.

Zusammengefasst kamen die Autoren der Studie zu dem Ergebnis, dass Patienten, die den Namen ihrer Antihypertonika kennen, sich genauer an den vom Arzt aufgestellten Medikamentenplan halten, besser eingestellte Blutdruckwerte und ein geringeres Risiko für Krankenhausaufenthalte haben.

Eine verminderte Therapietreue kann die Wirksamkeit einer Therapie gefährden und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen. Dies kann, so die Autoren der Studie, dazu führen, dass Arzt und Patient viel Zeit damit verbringen, eine vermeintlich nicht optimale Medikation zu verbessern. Tatsächlich wird jedoch zu viel oder zu wenig der verschriebenen Arzneistoffe eingenommen. Frühere Studien stellten die Theorie auf, dass die Orientierung an Form und Farbe eines Arzneimittels die Adhärenz steigern könnte. Die Autoren widersprechen dieser These in der Diskussion ausdrücklich nicht, sondern heben hervor, dass eine ausschließliche Orientierung am Aussehen ohne Kenntnis des Namens zu einer schlechteren Blutdruckeinstellung und einem höheren Risiko für Krankenhauseinweisungen führt. Dass die Orientierung an zwei Merkmalen, nämlich Bezeichnung und Aussehen des Arzneimittels, zu einer noch besseren Adhärenz führt, halten die Autoren für möglich, wurde aber in der vorliegenden Studie nicht untersucht.

Adhärenz: Unterstützungaus der Apotheke

Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Patienten, die Schwierigkeiten haben, sich die Namen und Wirkstoffe ihrer Medikamente zu merken, in ihrer Therapietreue zu unterstützen. Grundsätzlich sollte der Patient auf eine Änderung von Form oder Farbe eines Präparats hingewiesen werden, egal ob der Hersteller des gewohnten Präparats Änderungen vorgenommen hat oder auf ein anderes Präparat gewechselt werden muss. Dies gilt sicherlich auch für eine Änderung der Umverpackung, auch wenn dies in der vorliegenden Studie nicht untersucht wurde. Die Umstellung auf einen anderen Hersteller kann erleichtert werden, wenn auf der Schachtel der Name des alten Präparats/Originalpräparats und eventuell auch das Aussehen der alten Arzneiform vermerkt wird. Auch die Einzeldosen und Einnahmezeitpunkte sollten auf jeder abgegebenen Schachtel vermerkt werden. Vor allem für multimorbide Patienten, die zahlreiche Arzneistoffe zu unterschiedlichen Tageszeiten einnehmen müssen, bieten sich Medikamentendosierer an (z.B. Dosett®, Medi7®, Anabox®), damit keine Einnahme vergessen wird. Senioren, die moderner Technik gegenüber aufgeschlossen sind, können Smartphone-Apps empfohlen werden, die den Patienten zur richtigen Zeit an die Einnahme seiner Medikamente erinnern – selbstverständlich mit einem Bild, das die Farbe und Form der richtigen Tablette erkennen lässt.

Quelle

Lenahan JL et al. A Drug by Any Other Name: Patients‘ Ability to Identify Medication Regmies an Its Association With Adherence and Health Outcomes. J Health Comm 2013; 18: 31–39.

 

Apothekerin Dr. Sabine Werner

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