- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 4/2014
- Nie wieder bittere ...
Arzneimittel und Therapie
Nie wieder bittere Medizin!
Patisserie trifft auf Pharmazie
Insbesondere Kleinkinder mit ihrem empfindlichen Geschmackssinn können so zur Einnahme geschmacklich problematischer Arzneistoffe bewegt werden – ohne dass die Hälfte des Arzneimittels wieder ausgespuckt wird. Diese Camouflage-Kapsel, ein Schokoladenhohlkörper, in den eine homogene Suspension aus schokoladehaltiger Rohmasse und ein dosierter Anteil eines Arzneistoffs eingebracht wird und dessen restlicher Innenraum durch die schokoladehaltige Rohmasse befüllt ist, wurde als neue Arzneiform zum Gebrauchsmuster angemeldet.
Patient-centric Healthcare
Ausgangspunkt war die Suche nach einer für Kinder „unbelasteten“ Arzneiform. Mit ihr sollte es gelingen, die Krankheit und den eigenen Körper nicht mehr als defekt und heilungsbedürftig wahrzunehmen, sondern im Gegenteil soll dem Kind – entkoppelt von Krankheit – mit der Kapsel bei jeder Einnahme ein Stückchen Gesundheit geschenkt werden. Zielgruppe sind aber nicht nur die kleinen Patienten – und ihre entnervten Eltern. Auch geistig Behinderte, Demente, Personen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen können von der erleichterten Einnahme von sonst sehr kompliziert erscheinenden Arzneiformen profitieren. Schlecht schmeckende, bittere Säfte oder große Tabletten sollten dann der Vergangenheit angehören. Hinzu kommt, dass bei der Arzneistoffapplikation mit einer solchen Maskierungskapsel eine höhere Dosiergenauigkeit erreicht werden kann als beim Zubereiten und Füttern von unangenehm schmeckenden Säften.
Herstellung von Cefaclor-Kapseln
Zur Herstellung einer schokoladigen Camouflage-Kapsel mit eingearbeitetem Arzneistoff wird ein Becherglas zum Beispiel mit Cefaclor in dosierter Menge befüllt. In einem zweiten Gefäß wird die Pralinen- oder Schokoladenrohmasse erwärmt, bis sie sich komplett verflüssigt hat. Sie wird anschließend z.B. mit einer Spritze zum Wirkstoff gegeben. Dann wird mit einem Rührer alles gut durchmischt, bis eine homogene Suspension des Wirkstoffs in der Schokoladenrohmasse erreicht ist. Anschließend wird die Suspension mit einer Spritze entnommen und volumendosiert in einen vorbereiteten Schokoladenhohlkörper bis zu einem Befüllungsgrad eingebracht, der einer erforderlichen oder gewünschten Medikamentendosierung entspricht. Das restliche Innenvolumen des Schokoladenhohlkörpers wird mit flüssiger Schokoladen- oder Pralinenrohmasse vollständig befüllt und die Kapsel oben verschlossen. Im letzten Schritt wird die fertige schokoladige Camouflage-Kapsel mit ihrem Inhalt durch Abkühlen auf 2° bis 8°C vollständig verfestigt.
Säurestabile Wirkstoffe oder magensaftresistente Pellets
Um säurestabile Wirkstoffe oder magensaftresistente Pellets zu verarbeiten, wird der Schokoladenhohlkörper innenseitig durch eine Gelee-Schicht aus Wasser und Agar Agar oder Gelatine ausgekleidet, wobei deren pH-Wert durch ein nahrungsmittelgebräuchliches Säuerungsmittel (z.B. Ascorbinsäure) auf einen gewünschten pH-Wert eingestellt wird. Dieser Gelee-Schicht kann zusätzlich ein geschmackskorrigierendes Süßungsmittel zugefügt werden, wenn das gewünscht ist. Die so ausgekleidete Hohlkugel kann dann mit der sauren Gelee-Wirkstoffsuspension oder Gelee-Pellet-Suspension befüllt werden. Das Arzneimittel (z.B. magensaftresistente Pellets) oder der Wirkstoff wird dazu in die restliche Gelee-Masse mit einem Rührer eingearbeitet, bis eine homogene Suspension erreicht ist. Diese Suspension wird mit einer Spritze portionsweise entnommen und in den mit der Gelee-Masse ausgekleideten Schokoladenhohlkörper volumendosiert gefüllt. Das restliche Innenvolumen des Schokoladenkörpers wird mit flüssiger Schokoladen- bzw. Pralinenrohmasse aufgefüllt und verschlossen. Abschließend wird die fertiggestellte Camouflage-Kapsel auf 2° bis 8°C gekühlt und gegebenenfalls luftdicht verpackt.
Blick in die Zukunft
Die EU-Verordnung Nr. 1901/2006 über Kinderarzneimittel vom 12. September 2006 bemängelte ausdrücklich das Fehlen kindgerechter Zubereitungen und Verabreichungswege von Arzneimitteln. Die Camouflage-Kapsel ist ein praktischer Vorschlag für eine Entwicklung hin zu einer einfachen und damit auch besseren Versorgung chronisch kranker Kinder. Um die neue Arzneiform auf breiter Ebene zugänglich zu machen, ist es nicht nur notwendig, die Camouflage-Kapsel mit reproduzierbaren Wirkstoffmengen zu beladen. Der Vorgang soll automatisierbar und konfektionierbar werden. Es muss eine Verfahrenstechnik entwickelt werden, die die großgalenische Umsetzung ermöglicht. Noch fehlen Partner, die eine marktgerechte Weiterentwicklung dieses Ansatzes fördern und die Camouflage-Kapsel als ernstzunehmende Arzneiform mit den zugehörigen Tests weiterentwickeln würden. Die zunächst erforderlichen Schritte sind vor allem analytischer Natur: der Wirkstofffreisetzung aus der Camouflage-Kapsel. Besonders interessant ist das Antibiotikum Cefaclor, das kleine Mukoviszidose-Patienten ständig einnehmen müssen. Bisher wird Cefaclor für den individuellen Gebrauch einfach in Schokoladenrohmasse dispergiert, die fundierte wissenschaftliche Evaluation fehlt bislang. Aber auch für andere mögliche Wirkstoffe sind analytische Arbeiten zur Wirkstofffreisetzung notwendig. Wie etwa verhalten sich hydrophile Stoffe in Gelmatrix? Kann es flüssige Kerne geben, mit wieviel Wirkstoff lässt sich die Camouflage-Kapsel optimal beladen etc. Ziel sollte es sein, Antibiotika und andere Wirkstoffe gezielt und unproblematisch in der Pädiatrie einsetzen zu können.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.