Arzneimittel und Therapie

Erhöhtes Infektionsrisiko unter PPI

Bei Kindern sind Protonenpumpenhemmer oft nicht notwendig

Die gastroösophageale Refluxkrankheit ist auch bei Kindern weit verbreitet. Als therapeutische Optionen stehen Protonenpumpenhemmer und H2-Rezeptorantagonisten zur Verfügung. Doch inwiefern ist der Einsatz dieser Arzneistoffe bei Kindern und Jugendlichen durch klinische Daten untermauert? Antwort darauf geben zwei aktuelle Studien, die sich mit der Wirksamkeit und Sicherheit der beiden Therapien bei Kindern befassen.

Gastroösophagealer Reflux betrifft rund 3,3% der Kinder und Jugendlichen. Zur Therapie werden – wie bei Erwachsenen – in erster Linie Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol oder Omeprazol verwendet. Auch H2-Rezeptorantagonisten wie Cimetidin oder Ranitidin werden teilweise eingesetzt, sind aber den Protonenpumpenhemmern hinsichtlich ihrer Wirksamkeit unterlegen.

Vermehrtes Bakterienwachstum

Die Verschreibung von Protonenpumpenhemmern hat in den letzten Jahren stark zugenommen, wodurch auch vermehrt unerwünschte Wirkungen zum Vorschein kamen. So traten mehr Atemwegserkrankungen auf. Die genaue Ursache dieser Infektionen ist unklar, aber es wird vermutet, dass eine veränderte Bakterienflora im Magen damit in Zusammenhang stehen könnte. In einer prospektiven Kohortenstudie wurde nun untersucht, ob der Einsatz von Säureblockern wie Protonenpumpenhemmern (PPI) oder H2-Rezeptorantagonisten (H2RA) zu verändertem Bakterienwachstum in Magen und Lunge führt und ob eine eventuelle Veränderung der Bakterienflora in der Lunge mit nicht-saurem gastroösophagealem Reflux in Verbindung steht. Kinder und Jugendliche im Alter zwischen ein und 18 Jahren, die aufgrund chronischen Hustens in Behandlung waren, wurden für die Studie herangezogen. Als primärer Endpunkt wurde der Unterschied in Konzentration und Prävalenz von Bakterien in Lunge und Magen abhängig von der Einnahme von Säureblockern definiert. Insgesamt wurden 99 Kinder in die Studie eingeschlossen. 48 Kinder erhielten Säureblocker (45 einen Protonenpumpenhemmer, drei einen H2-Rezeptorantagonisten) für einen Zeitraum von mindestens vier Wochen, 51 Kinder erhielten keine Magensäure-hemmenden Arzneimittel.

Erhöhte Infektanfälligkeit?

Bei insgesamt 31% der Kinder wurde ein vermehrtes Bakterienwachstum im Magen festgestellt. Der Unterschied im bakteriellen Wachstum im Magen zwischen Kindern, die Säureblocker einnahmen, und Kindern, die keine Säureblocker einnahmen, war signifikant (46% vs. 18%). Die Säureblockade war nicht nur mit einem positiven gastralen Bakterienwachstum assoziiert, sondern auch mit einer erhöhten Prävalenz für pathogene Keime wie Staphylococcus und Streptococcus. Hinsichtlich des bakteriellen Wachstums in der Lunge waren zwar keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellbar, diese Keime gelten aber Auslöser für Erkrankungen der oberen Atemwege. Bei 50 Patienten wurde eine Impedanz-Messung durchgeführt, mit der auch der Reflux von nicht-saurem Mageninhalt nachgewiesen werden kann. Bei den 50 Kindern wurde eine signifikante Korrelation zwischen nicht-saurem Reflux und bakteriellen Konzentrationen von Bacillus, Dermabacter, Lactobacillus, Peptostreptococcus und Capnocytophaga in der Lunge festgestellt. Weiterführende Studien sind notwendig, um zu untersuchen, ob die durch Säureblockade verursachten Veränderungen in der bakteriellen Mikroflora ein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen. Insgesamt sollten die Ergebnisse der Studie als ein erster Hinweis darauf gewertet werden, dass Magensäure-hemmende Arzneimittel bei infektanfälligen Patienten nur eingeschränkt eingesetzt werden sollten.

H2-Rezeptorantagonisten: fehlende Evidenz bei Kindern

Auch H2-Rezeptorantagonisten werden bei Kindern und Jugendlichen zur Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit eingesetzt, obwohl deren Wirksamkeit und Sicherheit in diesem Patientenkollektiv fragwürdig sind. In einem systematischen Review wurde nun die klinische Datenlage hinsichtlich des Einsatzes in der Pädiatrie genauer untersucht. Acht Studien mit insgesamt 276 Kindern im Alter von 0 bis 15 Jahren wurden entsprechend der Einschlusskriterien herangezogen. Verglichen mit Placebo waren H2-Rezeptorantagonisten wirksamer hinsichtlich histologischer Befunde und Erhöhung des pH-Wertes im Magen. Auch der gesamte Behandlungseffekt war höher. Bei Kleinkindern hingegen waren H2-Rezeptorantagonisten nur in histologischer Hinsicht Placebo überlegen. Zwischen Protonenpumpenhemmern und H2-Rezeptorantagonisten waren in keinem Endpunktparameter signifikante Unterschiede feststellbar. Hinsichtlich der Sicherheit lassen die Daten keine aussagekräftigen Schlüsse zu. Insgesamt ist die klinische Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit der H2-Rezeptorantagonisten bei Kindern und Jugendlichen unzureichend.

GER versus GERD

Ein dreiköpfiges Expertenteam vom Cincinnati Children’s Hospital in Ohio ruft im JAMA Pediatrics dazu auf, den Einsatz von Magensäure-hemmenden Arzneimitteln bei Kindern aufgrund der fehlenden Wirksamkeit und alarmierender Nebenwirkungen (Atemwegs- und Magen-Darm-Infekte) einzuschränken. Die Mediziner weisen auf die Wichtigkeit hin, die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) von gastroösophagealem Reflux (GER) zu unterscheiden. Im Gegensatz zu GERD sei der gastroösophageale Reflux ein normaler physiologischer Prozess, bei dem Mageninhalt in die Speiseröhre gelangt. Insbesondere bei Kindern geht dies mit leichten Symptomen wie saurem Aufstoßen einher. Im Gegensatz dazu führt bei einer gastroösophagealen Refluxkrankheit der Reflux zu zusätzlichen Symptomen und Komplikationen wie Unruhe, Weinen und schlechter Gewichtszunahme. 2009 haben die nordamerikanische und die europäische Fachgesellschaft eine gemeinsame Leitlinie vorgestellt, die bei der Unterscheidung zwischen GER und GERD unterstützen soll und die entsprechende Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten beinhaltet. Während bei GER Verhaltensänderungen und Nahrungsumstellung ausreichend sind, wird bei endoskopisch diagnostizierter GERD der Einsatz von PPI über einen Zeitraum von drei Monaten empfohlen. Nur eine chronisch rezidivierende Ösophagitis erfordert eine Langzeittherapie. Eine Auswertung der Leitlinien-Implementierung in Europa im Jahr 2014 zeigte, dass von den 567 evaluierten Kinderärzten sich nur 1,8% an die Leitlinie hielten. 39% der Ärzte verschrieben PPI bei Kindern mit unerklärbarem Weinen, 36% bei Kindern mit unkompliziertem saurem Aufstoßen, obwohl die Empfehlungen diesem Ansatz widersprechen. Insgesamt lag die Rate an Fehlverordnungen von PPIs bei Kindern bei 82% (!). 

Quelle

Menchise AN et al. Acid-Reducing Agents in Infants and Children – Friend or Foe? JAMA Pediatrics 2014; doi:10.1001/jamapediatrics.2014.1263.

Rosen R et al. Changes in Gastric and Lung Microflora With Acid Suppression – Acid Suppression and Bacterial Growth. JAMA Pediatrics 2014; doi:10.1001/jamapediatrics.2014.696.

Van der Pol R et al. Efficacy and Safety of Histamine-2 Receptor Antagonists. JAMA Pediatrics 2014; doi:10.1001/jamapediatrics.2014.1273.

Gastroösophageale Refluxkrankheit, S2k-Leitlinie 021/013, Stand: 05/2014

 

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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