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„Keine gesetzgeberischen Schnellschüsse“
Diskussion zum Erstattungsbetrag auf der BAH-Jahresversammlung
BERLIN (ks) | Der Fall des Hepatitis-C-Präparates Sovaldi<sup>®</sup> beschäftigt Kostenträger und Politik gleichermaßen (siehe auch Beitrag ab S. 19). Die Krankenkassen nutzen ihn, um ihre Forderung zu untermauern, dass der ausgehandelte Erstattungsbetrag eines neuen Arzneimittels rückwirkend ab dem ersten Tag der Marktzulassung gelten müsse. Dies bekräftigte auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Johann-Magnus von Stackelberg in einer Diskussionsrunde anlässlich der Jahresversammlung des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am 25. September in Berlin. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich warnte hingegen vor gesetzgeberischen Schnellschüssen.
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hatte kürzlich erklärt, die Große Koalition werde sich möglicherweise in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode erneut dem Arzneimittelmarkt annehmen. Nun versicherte Hennrich, dass jedenfalls diesen Herbst kein Gesetz in diesem Bereich zu erwarten sei. Er will die Entwicklung, die Sovaldi® nach sich zieht, zunächst abwarten. Es könne durchaus sein, dass sie nicht so dramatisch verlaufe, wie es manche Krankenkassen derzeit beschwören.
Keine „Sippenhaft“ für ganze Industrie
Es habe auch schon andere Arzneimittel gegeben, von denen man glaubte, sie könnten das System sprengen, erinnerte Hennrich. Passiert sei dies dann aber doch nicht. Wegen eines einzelnen Produktes dürfe man jedenfalls „keine ganze Industrie in Sippenhaft nehmen“, meint der CDU-Politiker. Würde man den Erstattungsbetrag bereits ab Markteinführung gelten lassen, sei dies „alles andere als Planungssicherheit“. Und die will Hennrich den Unternehmen geben – auch deshalb werde derzeit der ressortübergreifende Pharmadialog geführt. Was Sovaldi® und etwaige Nachahmer betrifft, setzt er ebenfalls eher auf Dialog denn auf einen Schnellschuss per Gesetz.
Vierte Hürde als Lösung?
Dr. Hubertus Cranz, Geschäftsführer des Verbandes der Europäischen Arzneimittel-Hersteller (AESGP), verwies darauf, dass die Situation in anderen europäischen Ländern die gleiche sei. Man sei sich einig, dass es keine Einzelfallregelung geben dürfe. Das Problem müsse vielmehr konzeptionell angegangen werden, da es möglich sei, dass es auch in Zukunft wieder auftritt. GKV-Vize von Stackelberg sieht dies ebenfalls kommen und sprach sich für einen rückwirkend geltenden Erstattungsbetrag aus. Er sei ohnehin Befürworter der vierten Hürde. Druck wolle er keinen machen, sagte er, aber es sei gut, dass das Problem bei der Politik angekommen sei. Er betont überdies eine Besonderheit der deutschen Erstattungsbeträge: Bei ihnen handle es sich um Mischpreise. Der jeweils für ein Präparat ausgehandelte Betrag gelte für alle Patientengruppen, die es erhalten. Egal ob sie tatsächlich von einem Zusatznutzen profitieren oder nicht. In anderen Ländern, so Stackelberg, mögen die Preise für das gleiche Medikament vielleicht höher liegen als in Deutschland – der Unterschied sei, dass das Arzneimittel solchen Patientengruppen vorbehalten bleibe, für die der Zusatznutzen belegt sei. Für Stackelberg ist Sovaldi® möglicherweise erst ein Vorbote für ganz andere Szenarien. Schließlich habe das Gilead-Präparat nicht einmal die höchste Stufe des Zusatznutzens zugesprochen gekommen. Wenn erst einmal ein Solist mit „erheblichem“ Zusatznutzen komme, müsse man auf die Situation vorbereitet sein. Dem pflichtete auch Hennrich bei: „Ja, wir haben als Politik die Verantwortung, dass das bezahlbar bleibt.“ Wenn man eine Regelung für Preise im ersten Jahr nach Markteinführung treffen wolle, schwebe ihm allerdings eher ein „Limit“ vor. Doch konkreter wollte der CDU-Politiker nicht werden – schließlich gibt es noch einen Koalitionspartner, mit dem man sich abstimmen muss. Auch was sonstige Vorhaben im Arzneimittelbereich angeht, gab sich Hennrich bedeckt. Den Apothekern habe er „leichtfertig versprochen, wir machen etwas gegen Nullretaxationen“ – diese Aussage verfolge ihn nun Woche für Woche. Geschehen ist in dieser Hinsicht bekanntlich noch nichts. Daher halte er sich jetzt lieber mit Versprechen zurück, so Hennrich.
OTC-Erstattung bis 18
Der CDU-Politiker sprach sich hingegen erneut für eine OTC-Erstattung für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr aus. Damit stößt er beim BAH auf offene Ohren. Dr. Martin Weiser, BAH-Hauptgeschäftsführer, verwies auf die geltende Regelung zur Zuzahlungsbefreiung, die ihren Schnitt ebenfalls erst bei 18 Jahren macht. Einschränkend erklärte Hennrich allerdings auch hier, dass er diesen Punkt nicht allein entscheiden kann. Aber für ihn persönlich wäre es „ein schönes Signal an Familien und auch an mittelständische Unternehmen“, meint er. Er verwies darauf, dass es bereits hausärztliche Selektivverträge gebe, die diese Erstattung vorsehen. Nichts hält Hennrich hingegen davon, OTC auch Menschen über 64 zu erstatten. Stackelberg hingegen hält die jetzt bestehende Regelung zur nur ausnahmsweise möglichen Erstattung rezeptfreier Arzneimittel für „hochvernünftig“. Dies sei aber eine Frage, die in der gesellschaftlichen Diskussion zu klären sei. Sollte der Bundestag – also die Volksvertreter – der Meinung sein, die Regelung müsse geändert werden, so sei dies auch in Ordnung.
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