Aus den Ländern

175 Jahre Hessischer Apothekerverband

Jubiläumsfeier im Kurhaus Wiesbaden

WIESBADEN (diz) | Der Hessische Apothekerverband (HAV) feierte am 20. Oktober sein 175-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumsveranstaltung im Wiesbadener Kurhaus. Auf dem Programm standen Grußworte, ein Festvortrag und eine Diskussionsrunde, die sich mit den Erwartungen an die Apotheke und die Arzneimittelversorgung von morgen befasste.
Foto: HAV
Diskussionsrunde über die Erwartungen an die Apotheke von morgen (v.l.): Kordula Schulz-Asche (Die Grünen), Prof. Dr. Ursula Lehr (Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen und Bundesministerin a.D.), Martin Leutke (WISO-Redaktionsleiter), Dr. Hans-Rudolf Diefenbach (stellv. HAV-Vorsitzender), Prof. Dr. Paul U. Unschuld, Direktor des Horst-Görtz-Stiftungsinstituts.

Am 22. Juli 1839 rief Apotheker Winkler zur Gründung eines Apothekervereins im Großherzogtum Hessen auf, wie Dr. Peter Homann, Vorsitzender des HAV, in seinem kurzen historischen Abriss zur Geschichte des Verbands ausführte. Die Ziele des Verbands waren die Förderung der Pharmazie, die Verbesserung der Gehilfenausbildung und die Einführung eines Sammeleinkaufs. Bei der 50-Jahr-Feier im Jahr 1889 standen dagegen schon Themen wie Arzneimittelfälschungen und Drogenfälschungen auf dem Programm sowie eine Resolution, mit der man sich gegen Drogisten wehrte, merkte Homann anekdotisch an. 1989 wurde der Hessische Apothekerverein in Hessischer Apothekerverband umbenannt. Heute biete der HAV eine große Vielfalt an Dienstleistungen für seine Mitglieder an. Über 95 Prozent der hessischen Apothekenleiter(innen) haben sich, so Homann, dem HAV angeschlossen.

Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, dankte Homann für sein langjähriges Engagement für den HAV. Seit 1999 habe er sich erfolgreich als Vorsitzender für den HAV eingesetzt. Als Vertreter der Landesregierung überbrachte Thomas Metz, Staatssekretär im Hessischen Justizministerium, die Grüße des Landes zum Jubiläum. Wie Metz anmerkte, sei ein Rückgang der Apothekenzahl in Hessen festzustellen. Die Gesamtzahl der Apotheken liege hier derzeit auf dem Niveau der 80er Jahre. Vor allem die Entwicklung der Versorgung im ländlichen Raum müsse beobachtet werden. Lobenswert sei, dass die Entfernung zur nächsten Notdienst-Apotheke für den Patienten maximal 20 km betrage.

„Rendite über alles“

In seiner Festrede befasste sich Prof. Dr. Paul U. Unschuld mit den Herausforderungen, die auf das Gesundheitswesen zukommen. Unschuld, der das Horst-Görtz-Stiftungsinstitut an der Charité Berlin leitet, übte Kritik an der Gesundheitspolitik der letzten Jahre. Es sei vollkommen gleichgültig gewesen, wer am Steuer der Gesundheitspolitik stehe – an der Richtung der Entwicklung ändere sich nichts. Im Zentrum von Entscheidungen stünden Renditeerwartungen; die Art der Dienstleistungen werde den Renditezielen angepasst, so Unschuld. Wirtschaftlich gesehen sei der kranke Bürger heute wertvoller als der gesunde. Hier stehe noch „ein großer Coup“ vor uns: die elektronische Gesundheitskarte. Mit ihr besteht der Zugriff auf persönliche und intimste Daten der Bürger, milliardenschwere Interessen könnten die Auswertung der Daten bestimmen. Prof. Unschuld: „Wer glaubt, die Daten seien nur einem kleinen Kreis zugänglich, ist naiv.“ Deutschland habe zwar noch eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, aber es sei gefährdet, „weil“, so Unschuld, „die wichtigste Grundlage zerstört wird, das Vertrauen“. Stattdessen stehe „die Rendite über alles“. Man könne nicht sicher sein, dass man den besten Ratschlag für seine Gesundheit bekommt.

Arzneimittelversorgung von morgen

Die Jubiläumsveranstaltung klang aus mit einer Diskussionsrunde zum Thema „Deutschland altert: Erwartungen an die Apotheke und die Arzneimittelversorgung von morgen“. Der WISO-Moderator Martin Leutke diskutierte mit Prof. Dr. Ursula Lehr, frühere Bundesgesundheitsministerin und heute Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Prof. Dr. Paul U. Unschuld, Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Prävention bei Bündnis 90/Die Grünen, und Dr. Hans-Rudolf Diefenbach, stellvertretender Vorsitzender des HAV.

Die Apotheke sei in Zukunft noch stärker gefordert, es gebe aufgrund der demografischen Entwicklung mehr Ältere, die Arzneimittel bekommen und auf Informationen dazu angewiesen sind, sagte Lehr. Zunehmend wichtiger werde die Netzwerkbildung, stellte Diefenbach heraus, Ärzte und Apotheker sollten bereits in der Ausbildung zusammen lernen und die Kommunikation verbessern. Der Arzt müsse wissen, dass der Apotheker ihm nichts wegnehme. Überall medizinische Versorgungszentren (MVZ) aufzubauen, sei allerdings keine Lösung, so Diefenbach; sich zu vernetzen, reiche aus. Schulz-Asche befürwortete, dass sich die Apotheker mit dem Perspektivpapier ein neues Bild geben und die Beratung zum Schwerpunkt machen. Apotheker sollten allerdings ein Konzept entwickeln zusammen mit Ärzten und Krankenhäusern, um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Dort könnte es neue Formen der Zusammenarbeit geben. Nach Auffassung von Lehr könnte sich auf dem Land auch ein Besuchsdienst der Apotheker bei Patienten etablieren. 

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