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Nervennahrung gegen Alzheimer
Mediterrane Kost senkt das Demenz-Risiko – können das auch Supplemente?
Körperliche, geistige und soziale Aktivität sind Säulen in der Prävention und Therapie der Alzheimer-Erkrankung – und natürlich spezifische Medikamente. Dass auch bestimmte Ernährungsgewohnheiten das Demenz-Risiko senken, weiß man aus großen epidemiologischen Studien, erläuterte Prof. Dr. med. Christine von Arnim, Ulm, beim Update Ernährungsmedizin 2014 der TU München [1]. So wurde in einer Fall-Kontroll-Studie mit 2000 nicht dementen Personen die Assoziation zwischen dem Auftreten der Alzheimer-Krankheit und einer mediterranen Ernährungsweise untersucht. Je höher der regelmäßige Konsum von Fisch, Olivenöl, Knoblauch, Obst, Gemüse, Getreide und Alkohol – vornehmlich Rotwein in moderater Menge – desto niedriger war das Demenz-Risiko. Das Drittel der Studienteilnehmer mit der höchsten Adhärenz zur Mittelmeer-Diät wies ein relatives Risiko von nur 0,32 im Vergleich zum unteren Drittel (niedrige Adhärenz zur Mittelmeer-Diät) auf, und zwar unabhängig von anderen Risikofaktoren einschließlich vaskulärer Vorerkrankungen [2]. Ein protektiver Effekt hielt nach Manifestation einer Alzheimer-Erkrankung an: Patienten des oberen Drittels lebten im Durchschnitt 3,9 Jahre länger als jene des unteren Drittels.
Aber was macht die Wirksamkeit der mediterranen Kost aus? Als potenzielle „Wirkstoffe“ gelten unter anderem Antioxidanzien, Vitamine und ungesättigte Fettsäuren. Es wurde gezeigt, dass die Plasmaspiegel von Folsäure, Vitamin B12, Vitamin E, Vitamin C und Betacarotin bei Alzheimer-Patienten gegenüber Kontrollpersonen signifikant vermindert sind. Die Wirkung einiger dieser Substanzen wurde in placebokontrollierten Interventionsstudien überprüft – mit uneinheitlichen Ergebnissen:
- In einer randomisierten Doppelblindstudie in Holland erhielten ältere, kognitiv gesunde Patienten mit erhöhtem Homocystein während drei Jahren 800 µg Folsäure täglich. Die Supplementation senkte effektiv den Homocystein-Spiegel und hatte positive Effekte auf Gedächtnisleistung, Informationsverarbeitung und Sprachfluss.
- Die Gabe eines hochdosierten Vitamin-B-Komplexes (25 mg Vitamin B6, 1 mg Vitamin B12, 5 mg Folsäure) während 1,5 Jahren hatte hingegen bei Patienten mit leicht- bis mittelgradigem Morbus Alzheimer keinen Effekt auf die kognitiven Leistungen. In der Verum-Gruppe traten mehr Depressionen auf als in der Kontroll-Gruppe (28% vs. 18%).
- Der Einfluss einer mehrjährigen Supplementation von Vitamin B12 auf kognitive Funktionen war Gegenstand einer aktuellen Metaanalyse von elf Studien mit rund 22.000 Teilnehmern [3]. Einer Senkung des Homocystein-Spiegels um 25% stand keine signifikante Verbesserung kognitiver Endpunkte gegenüber.
Ein Vitamin-B12-Mangel sollte behandelt werden, so von Arnims Fazit, darüberhinaus gebe es keine harten Daten, die eine Supplementierung von B-Vitaminen im Hinblick auf Neurodegeneration rechtfertigen.
Vitamin E und Omega-3-Fettsäuren
Zur Supplementierung von Vitamin E liegen drei randomisierte, placebokontrollierte Studien mit kognitiven Endpunkten vor, von denen zwei positiv ausfallen. Es wurde jeweils eine Dosis von zweimal täglich 1000 IE Vitamin E eingesetzt, die gut verträglich war:
- Bei Patienten im Stadium einer leichten kognitiven Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) hatte die Vitamin-E-Gabe während 36 Monaten keinen Nutzen hinsichtlich der Konversion zu Alzheimer-Demenz. Der MCI-Score und sprachliche Fähigkeiten besserten sich indes.
- Bei Patienten mit milder bis moderater Alzheimer-Demenz war im Verlauf von vier Jahren unter Vitamin-E-Gabe ein langsameres Fortschreiten funktioneller Beeinträchtigungen festzustellen, die einer Verzögerung der klinischen Progression von 19% pro Anwendungsjahr entsprach. Der Effekt war tendenziell, aber nicht signifikant, stärker als derjenige unter Anwendung des NMDA-Rezeptor-Antagonisten Memantin (zweimal täglich 10 mg). Die Betreuenden mussten bei Patienten der Vitamin-E-Gruppe weniger Zeit für die Pflege aufbringen [4].
- Bei Patienten mit schwerer Alzheimer-Demenz wurde Vitamin E verglichen mit der Gabe des selektiven Monoaminoxidase-Inhibitors Selegilin (5 mg), der Kombination beider Stoffe und Placebo. Die Vitamin-E-Gabe verlangsamte auch hier die Progression der Alzheimer-Demenz, sogar stärker als in allen anderen Studienarmen. Sie war auch mit einer signifikant späteren Heimeinweisung assoziiert.
- Zur Supplementation von mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren bei Patienten mit leicht- bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz wurde zuletzt 2010 eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie publiziert. Die Gabe von täglich 2 g Docosahexaensäure (DHA) zeigte während 18 Monaten keinerlei Effekt auf kognitive Leistungen. Die Zusammenschau mit sechs früheren Studien ergibt derzeit kein konsistentes Bild, das eine isolierte Empfehlung von Omega-3-Fettsäuren zur Besserung kognitiver Funktionen stützen würde.
Eine Frage der richtigen Komposition?
Die Daten zu einzelnen Supplementen sind inkonsistent. Dies lässt indes nicht auf die Unwirksamkeit (singulärer) Nährstoffe schließen, sondern mehr darauf, dass der Zusammenhang zwischen Nährstoffzufuhr und dem kognitiven Abbau komplex ist. Die Frage, welche Bausteine in welcher Mischung optimal kognitive Funktionen unterstützen, wird intensiv untersucht. Im Tiermodell steigert z.B. eine hohe Bioverfügbarkeit von Omega-3-Fettsäuren plus Uridin-Monophosphat (UMP) plus Cholin die zentrale Produktion von Phosphatidylcholin stärker als die Gabe der Einzelbausteine. Phosphatidylcholin ist das häufigste Phospholipid im Gehirn und ein wichtiger Baustein von Nervenmembranen. DHA, Cholin und UMP stellen essenzielle Vorläufermoleküle für die Phospholipid-Synthese dar. Als Kofaktoren, welche die Bioverfügbarkeit der Membranbausteine erhöhen, wurden unter anderem B-Vitamine identifiziert. Die präklinischen Modelle führten zu der Nährstoffkombination Fortasyn™ Connect (Souvenaid®). Es konnte gezeigt werden, dass diese Mixtur, die sich aus langkettigen Omega-3-Fettsäuren, Uridinmonophosphat und Cholin sowie B-Vitaminen und anderen Kofaktoren zusammensetzt, neben einer vermehrten Phosphatidylcholin-Synthese zu einem Rückgang der Alzheimer-typischen Amyloid-Plaques im Hippocampus von Mäusen führt. Klinisch wurde die Trinklösung erstmals 2010 in der randomisierten, doppelblinden SOUVENIR-I-Studie an therapienaiven Alzheimer-Patienten untersucht. Nach zwölf Wochen war im Vergleich zur Kontrolle eine signifikante Verbesserung beim verzögerten verbalen Gedächtnis (Memory Scale-Revised delayed verbal recall) feststellbar. Der allgemeine Score DAS-cog (Alzheimer‘s Disease Assessment Scale-cognition) besserte sich nicht. Verbesserungen der Gedächtnisfunktion wurden in einer 24-wöchigen Studie bestätigt [5]. Diese Trinklösung ist als ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium im Handel. „Ernährung ist mehr als das Zuführen einzelner Nährstoffe“, schloss von Arnim, „das Zusammenwirken der Bausteine führt zu einem besseren Effekt.“ Diesem Prinzip folgt auch die Empfehlung, sich ausgewogen zu ernähren. Dass eine Nährstoffmischung der mediterranen Kost überlegen ist, wurde jedenfalls nicht gezeigt.
Quelle
[1] Prof. Dr. med. Christine von Arnim, Klinik für Neurologie, Ulm. „Ernährung und Demenz“ – Gibt es sinnvolle funktionelle Lebensmittel/Supplemente für Menschen mit Demenz?“ Update Ernährungsmedizin 2014
[2] Scarmeas N et al. Mediterranean diet, Alzheimer disease, and vascular mediation. Arch Neurol. 2006 Dec;63(12):1709-1717
[3] Clarke R et al. Effects of homocysteine lowering with B vitamins on cognitive aging: analysis of 11 trials with cognitive data on 22.000 individuals. Am J Clin Nutr. 201425;100(2):657-666 [Epub ahead of print]
[4] Dysken MW et al. Effect of vitamin E and memantine on functional decline in Alzheimer disease. JAMA. 2014;311:33-44
[5] Scheltens P et al. Efficacy of Souvenaid in mild Alzheimer’s disease – results from a randomised, controlled trial. J Alzheimer’s Dis. 2012;31:225-236
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