DAZ aktuell

Von Lobbyarbeit und zähen Verhandlungen

32. Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Brandenburg e.V.

POTSDAM (ks) | Das politische Wirken wird im Apothekerverband Brandenburg (AVB) immer wichtiger. Während sich die Verbandsarbeit vor zehn Jahren weitgehend auf Verhandlungen mit Kostenträgern und das „Einmaleins der Abgabe von Arznei- und Hilfsmitteln“ beschränkte, sei die politische Lobbyarbeit heute eines der „wichtigsten Betätigungsfelder“ geworden, erklärte die AVB-Vorsitzende Dr. Andrea Lorenz bei der Mitgliederversammlung am 8. November in Potsdam. Verhandelt wird selbstverständlich weiterhin – genauso wie auf Bundesebene. Einen Einblick in die Verhandlungssituation des Deutschen Apothekerverbands (DAV) mit dem GKV-Spitzenverband gab Britta Marquardt, Abteilungsleiterin Verträge beim DAV.
Foto: AVB
Dr. Andrea Lorenz, Vorsitzende des AVB, setzt auf den guten Einfluss der Apotheker auf die Politik.

„Um unsere berechtigten Interessen angemessen vertreten zu können, ist heute nicht mehr nur die Fachpolitik unser Ansprechpartner“, so Lorenz. Politische Entscheidungen, die auch Apotheker betreffen, würden von Parteien und ihren jeweiligen Koalitionen getroffen. „Dort müssen wir Zugang haben, uns Gehör verschaffen, unsere Positionen darstellen und für Lösungen werben, die sowohl für die Politik als auch unseren Berufsstand von Vorteil sind.“ In Brandenburg klappt das bereits ganz gut. So schafften es die Apotheker etwa, dass die Brandenburger SPD ihre Ideen zum Apothekenbus aus ihrem Wahlprogramm zur Landtagwahl wieder verschwinden ließ.

Weitere Lobbyarbeit ist nun beim GKV-Versorgungsstärkungsgesetz gefragt. Denn, so Lorenz: „Viele unserer Hoffnungen, drängende wirtschaftliche Probleme unserer Apotheken mit dem Gesetz gelöst zu bekommen, werden sich mit diesem Gesetz nicht verwirklichen lassen.“ Zwar soll der Kassenrabatt auf 1,77 Euro festgeschrieben werden, was den Apotheken Planungssicherheit gebe. Außerdem will der Gesetzgeber das Thema Nullretaxationen von GKV-Spitzenverband und DAV im Rahmenvertrag regeln lassen. „Auch wenn die Krankenkassen bestimmt nicht völlig auf das Instrument verzichten wollen, ist hier zumindest hoffentlich bald der Willkür ein Riegel vorgeschoben“, so Lorenz. Positiv sieht sie auch die geplante Regelung zum Entlassrezept. „Aber die vielen anderen Forderungen, die der Berufsstand formuliert hat und die von der Politik auch als berechtigt anerkannt werden, fehlen in dem Gesetzentwurf“, so die Vorsitzende. Das heiße, „dass wir uns während des Gesetzgebungsverfahrens intensiv bei den entsprechenden Schaltstellen einbringen müssen, um Veränderungen zu erreichen“.

Festpreisregelung für Grippeimpfstoffe

Neben der Lobbyarbeit gehören Verhandlungen mit Kostenträgern aber weiterhin zum Tagesgeschäft des AVB. Ein Beispiel: Mit der AOK Nordost hat der Verband auch für diese Saison eine Vereinbarung zur Grippeimpfstoffversorgung von Versicherten der Primärkassen getroffen. Die Preise liegen dabei laut Lorenz auf dem Niveau des Vorjahres. Im Gegensatz zu Regionen, in denen die Grippeimpfstoffversorgung ausgeschrieben wurde und den Apotheken für die Logistik nur eine „geringfügige Handlingsgebühr“ zugestanden wird, habe der AVB seinen Mitgliedsapotheken eine attraktive Marge sichern können, betonte Lorenz. Die brandenburgischen Apotheken sollten sich darüber freuen. „Es ist eben nicht mehr selbstverständlich, altangestammte Geschäftsfelder verteidigen zu können“, so Lorenz.

Ebenfalls infolge der Zusammenarbeit mit der AOK Nordost konnten Lorenz zufolge einige ursprünglich geplante Null-Retaxierungen im Zusammenhang mit der Nichterfüllung von Rabattverträgen verhindert werden. Die Kasse war der Meinung, dass neben einer großen Zahl exakt arbeitender Apotheken einige die Rabattverträge nur unzureichend erfüllten. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe nahmen AVB und AOK Verordnungen unter die Lupe. Es zeigte sich, so Lorenz, dass die AOK vor allem das Problem der Nichtlieferfähigkeit unterschätzte. Allerdings habe man auch festgestellt, dass einige Apotheken die erforderliche Sonder-PZN, die eine Nichtabgabe des Rabattarzneimittels rechtfertigen, nur unzureichend oder gar nicht anwenden. Außerdem fehlte in vielen Fällen die im Rahmenvertrag festgelegte Dokumentation des Grundes der Nichtabgabe von Rabattarzneimitteln. Dies führte zu Appellen des Verbandes an seine Mitglieder, hier mehr Sorgfalt walten zu lassen. Zudem sollten Apotheken ihr Warenlager derart bestücken, dass Lieferfähigkeit und Erfüllung der Rabattverträge versichert sind. Dies stimmte die AOK milde.

Erfahrungen aus den Rahmenvertragsverhandlungen

Als Gastreferentin hatte der AVB die Juristin Britta Marquardt eingeladen. Sie ist beim DAV seit zweieinhalb Jahren für das Vertragsgeschäft zuständig – insbesondere den Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V. Schon im Sommer 2012 stiegen DAV und GKV-Spitzenverband in die Verhandlungen ein, um Regelungen zu finden, die Nullretaxationen wegen kleiner Formfehler verhindern. Sie wurden auch gefunden – im April 2013 gab es ein DAV-Mitgliedervotum, dass die geplanten Änderungen unterschriftsreif sind. Der GKV-Spitzenverband wollte dann allerdings die in einem Paragrafen zusammengefassten speziellen Abgaberegelungen vorerst nicht absegnen – wohl aber die anderen angedachten Änderungen. Grund: das zu diesem Zeitpunkt noch ausstehende Urteil des Bundessozialgerichts zu Nullretaxationen bei der Nicht-Beachtung von Rabattverträgen. Dieser Aufspaltung versperrte sich jedoch der DAV. Es wurde weiter verhandelt. Dann erging das erwartete Urteil – zuungunsten der Apotheker. Die daraufhin seitens der Apotheker eingelegte Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos. Nun wird zum Thema Nullretax gar nicht mehr verhandelt. „Die Fronten sind verhärtet“, so Marquardt. Geht es nach dem Gesetzgeber, müssen GKV und DAV aber bald zueinander finden. Kommt es zum vorgesehenen gesetzlichen Auftrag, die Nullretax-Problematik im Rahmenvertrag zu regeln, wird bei Nicht-Einigung die Schiedsstelle angerufen. Für Marquardt nicht die schlechteste Variante, schließlich ist das Schiedsverfahren auch Bestandteil der Selbstverwaltung und nicht per se kritisch. Zudem ist der DAV in diesem Jahr nicht schlecht gefahren mit den Entscheidungen der Schiedsstelle unter dem Vorsitz von Dr. Rainer Hess. Stichworte sind hier der Kassenabschlag und die Substitutionsausschlussliste.

Wirren um Urteil des Sozialgerichts Koblenz

Wenn nächstes Jahr wirklich ein neuer Rahmenvertrag vereinbart wird, setzt Marquardt auch auf eine Regelung zur Abgabe von Importarzneimitteln im Zusammenhang mit Rabattverträgen. Seit dem Urteil des Sozialgerichts Koblenz (siehe AZ 2014, Nr. 3, S. 3), das eine 180-Grad-Wende gegenüber der bisherigen Abgabepraxis bedeutete, haben die Kassen nämlich höchst unterschiedliche Auffassungen, wie ein Apotheker richtig handelt, wenn ein Import verordnet und das Aut-idem-Kreuz gesetzt ist. Einige wollen das Urteil aus Koblenz beachtet wissen, wonach das Aut-idem-Kreuz den Rabattvertrag schlägt, andere nicht – Retaxationen können in beiden Fällen drohen.

Ob Importe oder Formfehler – allen Problemen mit dem GKV-Spitzenverband zum Trotz ist Marquardt zuversichtlich, dass sich die Selbstverwaltung am Ende beweisen wird und sich die beiden Rahmenvertragspartner letztlich doch auf Regelungen einigen werden. 

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