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Aus den Ländern
Kassenabschlag kippen?
Jahresversammlung der TGL Nordrhein
Zwar habe die erste, geringfügige Erhöhung des Fixzuschlags nach neun Jahren Stillstand zu einer kleinen Entspannung geführt, aber an der Forderung nach dessen turnusmäßiger Anpassung mindestens alle zwei Jahre in Analogie zum Tarifvertrag müsse gleichwohl festgehalten werden, und zwar im Einvernehmen über die Rechenmethodik und die zugrunde liegende Datenlage. „Sonst bleiben wir auch in der nächsten Runde im Dauerstreit“, meint Hoch.
Die Etablierung des Nacht- und Notdienstfonds ist für sie ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, vor allem als Einstieg in Sondervergütungen. Dem müssten nun aber zügig weitere folgen, wie etwa ein wirtschaftliches Rezeptur-Entgelt und die lange überfällige Anhebung der BtM-Gebühr.
Stand der Tarifverhandlungen
Was die Verhandlungen zum nächsten Tarifvertrag anbelangt, so machte Hoch deutlich, dass durchschnittlich ca. 60% der Mehreinnahmen aus dem Fixaufschlag sich rein rechnerisch durch den ADA-Tarifvertrag verbrauchen. Zudem hätten weder der veränderte Kassenabschlag noch das Notdiensthonorar in tarifvertraglichen Überlegungen Platz. Letzteres sei nicht kostendeckend, sondern als ein Zuschuss gedacht und deshalb nicht in die Berechnung wirtschaftlicher Zugewinne einzubeziehen. Für Februar ist nach Hochs Ankündigung ein Treffen mit ADEXA geplant. Bisher, so bekräftigte die TGL-Vorsitzende, soll der Austausch per Telefon und E-Mail außerordentlich kooperativ verlaufen sein.
Gehaltsentwicklung beim Personal
Wolf Wagner, Vorstandsmitglied der TGL, stellte die Ergebnisse einer von der TGL bei den Mitgliedern durchgeführten Gehaltsumfrage dar. Hiernach variierte das Approbierten-Gehalt im Schnitt zwischen 109,6% (1. bis 2. Berufsjahr) und 113,8% (ab dem 8. Berufsjahr) des Tarifgehaltes. Für die PTA ergaben sich entsprechende Werte von 109,2% bis 110,5% und für PKA zwischen 106,5% und 111,2%. Was den Überzeugungsgrad der Durchsetzung des von der TGL entwickelten Konzepts zur Leistungsorientierten Bezahlung (LOB) betrifft, liegt man mit beinahe 20% noch nicht im zufriedenstellenden Bereich. Hier bedarf es weiterer Informationen zur Individualisierung und möglichen Vereinfachung des Konzepts.
Im Hinblick auf diese Gehaltsentwicklung hat die TGL laut Wagner bei den Tarifverhandlungen vor allem die unteren Gehaltsgruppen der Berufsanfänger im Blick. Hier geht es der TGL insbesondere um die Nachwuchsförderung und darum, die Attraktivität bei der Berufswahl zu erhöhen. Was die Problematik der PTA-Ausbildung in NRW betrifft, hofft man auf Unterstützung des Unternehmerverbandes NRW, dessen Mitgliedsverband die TGL seit 2013 ist. Deshalb suchte die Vorsitzende der TGL gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Apothekerkammer Nordrhein bereits ein erstes Gespräch mit der Bildungsbeauftragten des Unternehmerverbands.
Apotheken: Trend zu höheren Umsatzklassen
Auf eine Reihe aktueller Themen ging der Gastredner des Tages, Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger, Düsseldorf, ein. Er prognostiziert mittelfristig ebenfalls eine gravierende Unterdeckung an Fachpersonal, auch „befeuert“ durch die große Anzahl altersbedingt ausscheidender Approbierter aus dem Beruf (siehe die Beiträge „Nachwuchssorgen“ und „War of Talents“ in DAZ 2014 Nr. 4 ab S. 28).
Hinsichtlich der Wertentwicklung der Apotheken glaubt Bellinger, dass der Trend zu höheren Umsatzklassen bleibt. Als grobe Apotheken-Marktwerte nannte er die folgenden:
Bei einem Jahresumsatz
- bis 1,3 Mio. €: 50.000 € + x,
- bis 1,6 Mio. €: 15% vom Umsatz,
- bis 2,0 Mio. €: 20–25% vom Umsatz,
- ab 2,0 Mio. €: 30% vom Umsatz und
- ab 3,5 Mio. €: 40–50% vom Umsatz,
jeweils plus Warenlager. Große Apotheken bleiben auch in Krisen wertstabil, meint Bellinger, und wenn kleine Apotheken schließen, profitieren nicht die großen Apotheken, sondern „die ganz großen“.
Hinsichtlich der Zinsoptimierung gab er den Ratschlag, angesichts des aktuell günstigen Zinsniveaus (soweit möglich) bestehende kündbare Kredite auf Laufzeiten von zwei bis drei Jahren umzustellen und auch neue Kredite möglichst mit einer kurzen Zinsbindung zu verknüpfen, was seiner Einschätzung nach Zinsersparnisse von 20% einbringen könnte.
Facebook statt Flyer
Soziale Medien wie Facebook liefern nach Bellingers Erfahrungen eine durchaus realistische Marketing-Chance für Apothekenleiter. Besondere Vorteile etwa gegenüber der Flyer-Werbung sieht er in der Reichweite und in der Ersparnis der Druck- und Verteilungskosten. „Flyer haben als Dauerwerbemittel ausgedient“, so seine Überzeugung.
Demgegenüber biete Facebook als „Visitenkarte der Apotheke“ erheblich schnellere und individuellere Kommunikations- und Gestaltungsmöglichkeiten, wobei auch die ältere, zunehmend Internet-affine Kundschaft als Zielgruppe keineswegs ausgespart zu werden braucht. Bellingers Marketing-Botschaft: „Wenn Sie die Herz-Apotheke Ihres Kunden werden wollen, müssen Sie die Netze nutzen, in denen er ist.“
Musterprozess wegen Kassenabschlag
Gemäß § 130 SGB V müssen die Apotheken den Krankenkassen für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel einen Abschlag gewähren, jedoch nur dann, wenn die Abrechnung des Apothekers durch das Rechenzentrum innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen wird. Da sich die Kassen nach Bellingers Recherchen bei der Abwicklung des Abschlags für das Jahr 2009 in vielen Fällen nicht an die Frist gehalten haben, will er nun über einen Musterprozess vor dem Sozialgericht Berlin den kompletten Wegfall des Kassenabschlags einfordern. Die Rahmenbedingungen des Musterprozesses stimmt Bellinger gerade mit dem Berliner Sozialgericht und dem GKV-Spitzenverband ab.
Ende 2009 hatte die Schiedsstelle den Abschlag auf 1,75 € gesenkt, was die Kassen nicht akzeptierten. Sie zogen vor Gericht und veranschlagten zunächst weiter den alten Wert von 2,30 €. Im Mai 2010 ordnete das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg dann die sofortige Vollziehung des Schiedsspruchs an. Wegen der verzögerten Umsetzung müssten die Kassen nun nach Bellingers Auffassung nicht nur die Differenz von 0,55 € zurückzahlen, sondern wegen § 130 Abs. 3 SGB V den kompletten Abschlag. Die Chancen, in dem Verfahren zu obsiegen, bewertet er mit 50:50.
Der Musterprozess soll nach dem Vorschlag des Berliner Sozialgerichts per Sprungrevision sofort zum Bundessozialgericht gehen, wo er möglicherweise schon im Spätsommer landet. Bellinger will hiermit auch ein politisches Signal setzen, dass Krankenkassen nicht nach Belieben mit Apothekern umspringen können.
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