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Die Seite 3
Traurig, aber wahr
Spät, aber besser als gar nicht: Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft hat ihre aktualisierte Leitlinie zur „Guten Substitutionspraxis (GSP)“ vorgelegt (siehe S. 12) Wer auch immer einzugrenzen versucht, in welchen Fällen die Substitution eines namentlich verordneten Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Pendant beim Patienten zu Problemen führen kann und deshalb vermieden werden sollte – die Leitlinie liefert ihm Argumente und beleuchtet pharmazeutische Zusammenhänge. Im Umkehrschluss ergibt sich, wo ein Präparatewechsel, z.B. im Gefolge der Rabattverträge, in aller Regel für die Patienten unproblematisch ist.
Die Leitlinie trifft auf eine komplexe und aus Apothekersicht höchst unerfreuliche politische Situation. 2012 hat Schwarz-Gelb § 129 SGB V erweitert: Danach „kann“ im Rahmenvertrag zwischen GKV-Spitzenverband und DAV vereinbart werden, in welchen Fällen verordnete Arzneimittel nicht vom Apotheker substituiert werden „dürfen“. Die Umsetzung dieser Kann-Bestimmung zog sich hin, der Gesetzgeber verlor die Geduld – und die „GroKo“ brachte eine Gesetzesänderung auf den Weg, wonach die „Austauschverbotsliste“ vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erstellt werden soll. Eine krasse Fehlentscheidung: Denn ein Blick in die vom G-BA vor Zeiten erstellte Liste mit „Hinweisen zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen“, die im letzten Jahr noch einmal aktualisiert wurde, offenbart den auf diesem Feld fehlenden pharmazeutischen Sachverstand des G-BA. Oder ging es nur darum, um jeden Preis Einsparspielräume für die Rabattverträge zu erweitern – nach dem Motto: Gier frisst Hirn? Ebenso traurig: Die Apothekerschaft wird so ausgebootet. Denn im G-BA sind zwar die GKV und die Ärzte und die Krankenhäuser stimmberechtigt, die Apothekerschaft aber nicht. Sie hatte (horribile dictu) noch auf dem letzten Apothekertag bekräftigt, dort nicht einmal vertreten sein zu wollen. Zu teuer, hieß es. Auch hier: Geld frisst Hirn?
Es ist hoffentlich noch nicht zu spät, die Diskussion um Substitutions- oder Austauschverbotslisten vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wer auch immer eine Liste erstellt – sie kann das Ziel, Patienten zu schützen, nur erreichen, wenn sie bei substitutionskritischen Arzneimitteln und Situationen dem Grundsatz „Therapie-Kontinuität geht vor“ folgt. Statt Verboten müsste die Liste benennen, wo der Apotheker ausnahmsweise nicht substituieren muss und auch nicht substituieren sollte.
Dem Apotheker muss möglich bleiben, über das Instrument der Pharmazeutischen Bedenken bei substitutionskritischen Arzneimitteln (dort und nur dort; siehe Leitlinie) eine Versorgung ohne Präparatewechsel sicherzustellen. Wenn der Arzt bei substitutionskritischen Arzneimitteln eine Umstellung explizit will, kann (und konnte) er dies jederzeit: Er verordnet das neue (substitutionskritische) Arzneimittel namentlich, kreuzt auf dem Rezept das Aut-idem-Feld an – und beobachtet den Patienten wie bei einer Neueinstellung.
Die unselige Diskussion um eine Austauschverbotsliste hätte man sich ersparen können, wenn wir Apotheker sehr viel häufiger unsere Möglichkeiten genutzt hätten, über ordentlich begründete pharmazeutische Bedenken problematische Präparatewechsel zu vermeiden. Die Politik wäre dann nicht unter Handlungsdruck geraten. Haben wir eine Chance verpasst? Die „GSP-Leitlinie der DPhG“ könnte zum Umdenken animieren.
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