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Gesundheitspolitik
AZ-Ausblick 2015: Stagnation mit roter Null
DAV-, IHF-, Phagro- und Treuhand-Prognosen sagen schwieriges Jahr voraus
BERLIN (lk) | Die Apothekerinnen und Apotheker stehen 2015 wirtschaftlich vor einem schwierigen und herausfordernden Jahr. Die von der AZ befragten Experten prognostizieren für das Betriebsergebnis Stagnation mit der Tendenz zu einer „roten Null“. Der Großhandel wird voraussichtlich die Konditionenschraube weiter anziehen und Leistungen kürzen. Das Kölner Institut für Handelsforschung sieht die Apotheken 2015 vor einer „Weichenstellung“ zu einer besseren Vernetzung mit den anderen Heilberufen.
Für die Treuhand Hannover GmbH prognostiziert deren Generalsbevollmächtigter Frank Diener für die AZ ein Jahr der Stagnation: „Alles in allem wird sich beim branchendurchschnittlichen Vor-Steuer-Betriebsergebnis 2015 mit einem Minus von 0,8% bzw. 1000 Euro eine ‚rote Null‘ gegenüber dem Vorjahr ergeben.“ Umsatzzuwächse werden von steigenden Kosten aufgefressen. Mit Blick auf die eigene Apotheke sind die von der Treuhand auf der letzten Expopharm befragten Inhaber aber optimistischer als für die gesamte Apothekenbranche. Das unterstreicht das Zutrauen der Apotheker in ihre eigene Arbeit.
DAV-Chef Fritz Becker erwartet ebenfalls ein Jahr der Stagnation: „Die wirtschaftliche Situation der meisten Apotheken dürfte sich im Jahr 2015 kaum gegenüber dem Vorjahr verbessern. Selbst wenn der Umsatz leicht ansteigt und der Apothekenabschlag leicht sinkt, tragen erhöhte Sach- und Personalkosten dazu bei, dass sich das Betriebsergebnis kaum verändert.“ Der DAV werde sich auch 2015 für eine angemessene Vergütung der Apotheken einsetzen.
Für den Großhandel kündigt der Vorstandsvorsitzende des Phagro, Dr. Thomas Trümper, ein weiteres schwieriges Jahr an mit der Konsequenz, „dass sehr viele Leistungen überdacht werden müssen.“ Die Einführung des Mindestlohns im Januar 2015 werde zwangsweise zu Veränderungen führen. Das könne Einfluss auf die Belieferungshäufigkeit haben.
Das Kölner Institut für Handelsforschung prognostiziert weiterhin turbulente Zeiten für die Apotheken. Das Jahr 2015 markiere schon einen Meilenstein auf dem Weg zur Apotheke der Zukunft. „Der Weg dorthin wird ereignisreich sein und nicht immer geradlinig verlaufen, diese Lehre können wir wohl aus den ersten 15 Jahren des 21. Jahrhunderts ziehen“, so Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter IFH Köln.
Frank Diener, Treuhand Hannover GmbH:
Die vorausschauende betriebswirtschaftliche Ergebnisplanung ist ein Kernstück im Dialog zwischen Apotheker und Steuerberater. Für die Hälfte aller Apotheken, die das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr haben, stellt sich die Frage regelmäßig zum Jahreswechsel. Wie wird sich meine Apotheke im kommenden Jahr entwickeln? Besser als die Branche insgesamt oder schlechter?
Für den Branchendurchschnitt 2015 prognostiziert die Treuhand Hannover beim Umsatz ein Plus von 3,5% bzw. 71.000 Euro gegenüber 2014. Der Wareneinsatz wird sich um 4,3% bzw. 66.000 Euro gegenüber dem Vorjahr verteuern und damit einen Großteil des Umsatzzugewinns aufzehren. Hauptursache dieser Erhöhung ist die Strukturkomponente bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln, ein Faktor, der aufgrund der Herstellerpreispolitik und ärztlichen Verordnung dem Apotheker exogen vorgegeben ist. Ein weiterer Punkt werden die Einkaufskonditionen sein: Hier werden sich Verschlechterungen aus dem zweiten Halbjahr 2014 in 2015 im Durchschnitt mit einem fünfstelligen Betrag auswirken – doch gerade hier ist die individuelle Situation maßgeblich. Die Personalkosten werden um knapp 3% bzw. 6000 Euro steigen, wobei zum einen lokale Knappheitseffekte eine Rolle spielen, zum anderen sich die Mitte 2014 erfolgte Tariferhöhung um 1,5% im ersten Halbjahr 2015 verteuernd gegenüber dem Vorjahr auswirkt. Die sonstigen Betriebskosten werden in 2015 stabil auf Vorjahresniveau sein. Alles in allem wird sich beim branchendurchschnittlichen Vor-Steuer-Betriebsergebnis 2015 mit einem Minus von 0,8% bzw. 1000 Euro eine „rote Null“ gegenüber dem Vorjahr ergeben.
Für den Apothekeninhaber wird aber ziemlich schnell klar, dass für eine professionelle Betrachtungsweise der Branchendurchschnitt ein viel zu grober Vergleichsmaßstab ist und schon die Frage selbst viel differenzierter gestellt werden muss: Wie wird sich meine Landapotheke im Vergleich zu anderen Landapotheken entwickeln oder meine Filiale im Vergleich zu anderen Kleinstadtfilialen? Hält meine „Ärztehausapotheke“ Schritt mit vergleichbaren Apotheken in Ärztehäusern? Werde ich es schaffen, mit meiner Lauflagenapotheke besser als vergleichbare Lauflagenapotheken abzuschneiden?
Die Treuhand Hannover hat im Herbst bei der Expopharm die subjektiven Einschätzungen von über 100 Apothekeninhaberinnen und -inhabern zur Branchenentwicklung insgesamt, aber auch zur eigenen Apotheke erfragt. Das Ergebnis ist geradezu frappierend:
- Für die Branche insgesamt erwarten nur 9% der Apotheker in 2015 und später eine Verbesserung, aber 34% eine Verschlechterung. 54% gehen von Gleichstand aus, 3% machen keine Angaben.
- Für die eigene Apotheke erwarten für die kommenden Monate stattdessen 39% eine Verbesserung und nur 20% eine Verschlechterung. 34% gehen von Gleichstand aus, 6% machen dazu keine Angaben.
Die eigene Perspektive wird von vielen Apothekern positiver als die Branchenzukunft eingeschätzt. Die Möglichkeiten, durch aktives und professionelles unternehmerisches Agieren positive Branchentrends individuell zu verstärken und negative abzuschwächen, stimmen offensichtlich eine signifikante Zahl von Apothekeninhabern zuversichtlich – aber eben nicht alle.
Dr. Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender des Phagro:
Der pharmazeutische Großhandel hat die Folgen des AMNOG nicht verdaut und wird auch 2015 darunter noch leiden. Das liegt allerdings weniger am AMNOG, als im fehlerhaften Umgang mit den neuen Spielregeln. Man kann in einem Gesetz nicht alle Facetten eines Marktes erfassen und so bleibt es den Akteuren vorbehalten, wie sie ihren Markt gestalten. Man muss konstatieren, dass dies extrem schlecht gelungen ist und deshalb die negative Wirkung anhalten wird. In welchem Maße, das bleibt abzuwarten.
Das bedeutet für das kommende Jahr, dass sehr viele Leistungen überdacht werden müssen. Treiber werden hier Rahmenbedingungen sein. So hoffe ich auf eine starke Marktdurchdringung der MSV 3-Prozedur, weil sie den Apotheken echte Vorteile und den Großhandlungen Chancen zur Optimierung ihrer Services eröffnet.
Auch die Einführung des Mindestlohns wird zwangsweise zu Veränderungen führen. Ob das Einfluss auf die Belieferungshäufigkeit haben wird, bleibt zu hoffen. Ich denke, die Großhändler streben das an. Die Frage ist nur, ob der Markt dies akzeptiert.
Sodann erhoffe ich mir eine Klarstellung hinsichtlich der GDP-Guidelines und dabei Augenmaß der zuständigen Überwachungsbehörden. Wie so oft, geben die Richtlinien aus Brüssel reichlich Raum für Interpretationen. Da wünsche ich mir, dass deutsche Behörden sinnvoll im wahrsten Sinne des Wortes handeln und nicht das Maximum an Restriktionen in die Richtlinien hineininterpretieren. Dies würde unser Gesundheitswesen mit zusätzlichen Kosten belasten, ohne dass damit ein Qualitäts- oder Sicherheitsgewinn verbunden wäre.
Zuletzt kann ich mir vorstellen, dass weitere europäische Länder das in Deutschland entwickelte System zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit, das unter dem Namen „Securpharm“ agiert, in eigene Planungen einbeziehen und damit eine breitere Basis schaffen.
Fritz Becker, Vorstandsvorsitzender des DAV:
Die wirtschaftliche Situation der meisten Apotheken dürfte sich im Jahr 2015 kaum gegenüber dem Vorjahr verbessern. Selbst wenn der Umsatz leicht ansteigt und der Apothekenabschlag leicht sinkt, tragen erhöhte Sach- und Personalkosten dazu bei, dass sich das Betriebsergebnis kaum verändert. Man darf jedoch nicht verkennen, dass sich viele selbstständige Apotheker nur unzureichend vom bundesweiten Durchschnitt repräsentiert fühlen. Die Unterschiede zwischen Großstadt und Dorf, Einzelapotheke und Filiale, Ärztehaus und Wohngebiet sind einfach zu groß, um den Durchschnitt zu treffen. Darauf müssen wir uns als Deutscher Apothekerverband einstellen, wenn wir die wirtschaftlichen Interessen aller unserer Mitglieder gegenüber Politik und Krankenkassen vertreten.
Für viele Kolleginnen und Kollegen gehört die Planungssicherheit bei ordnungs- und gesundheitspolitischen Entscheidungen zu den wichtigsten Faktoren für ihre tägliche Arbeit. Mit der frühzeitigen Festschreibung des Apothekenabschlags auf 1,77 Euro für das Jahr 2015 ist der DAV diesem Auftrag nachgekommen, auch wenn man natürlich immer wieder über die Höhe des Abschlags diskutieren kann. Was das Ärgernis der zahlreichen Nullretaxationen betrifft, so handelt es sich im Gegensatz dazu um eine viel zu große Planungsunsicherheit für die Apotheken. Die Politik hat dieses Problem erkannt und auch schon Lösungsvorschläge gemacht, aber wir werden hart dafür kämpfen müssen, dass man dieses Problem tatsächlich im Alltag eindämmt.
Der DAV wird sich natürlich auch im Neuen Jahr für eine angemessene Vergütung einsetzen, damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung gestärkt wird. Die Apotheker erwarten eine sachgerechte Berechnungsweise des Anpassungsbedarfs für den Festzuschlag. Dazu gehören die regelmäßige Überprüfung und die daraus resultierende Anpassung des Festhonorars von 8,35 Euro pro Packung. Dieser Festzuschlag sollte auch für alle Rezepturen gelten, denn auch sie begründen eine Beratungspflicht. Für die Dokumentation von Betäubungsmitteln muss die Gebühr deutlich angehoben werden, um zumindest eine teilweise Gegenfinanzierung der anfallenden Mehrkosten zu erreichen. Zur dauerhaften Finanzierung der zugesagten Notdienstpauschale von 120 Millionen Euro pro Jahr muss der Zuschlag von 16 auf 20 Cent pro Packung angehoben werden.
Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter IFH Köln:
Auch wenn das Perspektivpapier „Apotheke 2030“ erst im September 2014 auf dem Deutschen Apothekertag verabschiedet worden ist, kann das Jahr 2015 doch schon einen Meilenstein auf dem Weg zur Apotheke der Zukunft markieren. Der Weg dorthin wird ereignisreich sein und nicht immer geradlinig verlaufen, diese Lehre können wir wohl aus den ersten 15 Jahren des 21. Jahrhunderts ziehen. Deutschlands Apothekeninhaberinnen und -inhaber haben turbulente Zeiten hinter sich, in denen politische Entscheidungen im Gesundheitswesen in erster Linie unter Kostengesichtspunkten getroffen wurden. Daran wird sich wohl auch in Zukunft wenig ändern, was angesichts des demografischen Wandels und der notorisch knappen Kassen im Gesundheitswesen auch nicht verwundert. Doch stehen die Signale positiv, dass auch wieder mehr für die Qualität der Arzneimittelversorgung getan wird. Die Initiativen zur Implementierung eines nachhaltigen Medikationsmanagements sind hierfür ein gutes Beispiel.
Auch 2015 wird der Betrieb einer Apotheke kein Selbstläufer sein: Der Wettbewerb um Kunden und Fachkräfte wird intensiver, die Konditionenverhandlungen mit dem pharmazeutischen Großhandel nicht leichter und auch die Politik und die Krankenkassen werden für den einen oder anderen Aufreger im kommenden Apothekenjahr sorgen. Doch wurde im vergangenen Herbst ein Zeichen gesetzt, wohin sich die Apotheken in Deutschland perspektivisch entwickeln möchten und müssen: Die Apotheke der Zukunft als eine Säule des Gesundheitssystems, die die Verantwortung für die flächendeckende, qualitativ-hochwertige und effiziente Arzneimittelversorgung übernimmt. Diese Zielsetzung ist nicht neu und entspringt auch keinem Wunschdenken. Sie ist vielmehr unentbehrlich für ein effektives und effizientes Gesundheitssystem in Deutschland. Das Jahr 2015 wird hierbei ein Jahr der Weichenstellungen sein. Dies gilt für die Politik und die Standesvertretungen ebenso wie für jede einzelne Apotheke und ihre Mitarbeiter. Alle Beteiligten sind aufgerufen, die Qualität zu verbessern, die Prozesse zu optimieren, die Bürokratie abzubauen und die Apotheke besser mit den anderen Institutionen im Gesundheitswesen zu verzahnen. Werden Fortschritte bei diesen Aufgaben erzielt, kann das Jahr 2015 wahrlich einen Meilenstein auf dem Weg zur Apotheke der Zukunft markieren. |
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