Gesundheitspolitik

Arzneimittelhersteller: TTIP birgt Chancen

BARCELONA (diz) | Für den Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und den europäischen Dachverband AESGP stehen beim geplanten Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) die Chancen im Vordergrund. Die Bedenken der Apotheker und Ärzte gegen das Abkommen kann der Verband mittelständischer Pharmaunternehmen so nicht nachvollziehen. Das zwischen Europa und den USA geplante Freihandelsabkommen birgt für mittelständische Arzneimittelhersteller keine Schrecken, im Gegenteil: Wie der BAH auf einer Pressekonferenz am Rande des AESGP-Kongresses in Barcelona erläuterte, begrüßen die Unternehmen die Marktöffnung, mit der Handelshemmnisse zwischen den USA und Europa wegfallen und Zölle abgebaut werden sollen. Auf europäischer Seite könnte mit TTIP, so Johannes Koch, ein Marktvolumen von insgesamt 100 Milliarden Euro entstehen, allein in Deutschland würden 180.000 neue Jobs erwartet, es würde der größte Wirtschaftsraum der Erde geschaffen.

Derzeit existierten bereits über 120 Freihandelsabkommen auf deutscher und europäischer Ebene mit anderen Regionen, bisher habe keines dieser Abkommen zu vergleichbaren Diskussionen geführt wie das geplante Abkommen mit den USA.

Schiedsgerichte einedeutsche Erfindung

Die von vielen Seiten kritisierten Schiedsgerichtsverfahren, die auch mit TTIP ermöglicht werden sollen, seien im Übrigen eine deutsche Erfindung. Man etablierte sie bereits im Zuge der ersten Freihandelsabkommen, um deutschen Unternehmern beispielsweise einen gewissen Schutz vor Enteignungen zu geben. Gleichwohl, so Koch, sei die Diskussion über diese Verfahren heute durchaus berechtigt. Aber die vielfach beschworenen Gefahren, dass amerikanische Unternehmen auf diesem Weg den deutschen Markt umgestalten können, sehe man nicht, da innerhalb Europas die Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung zuständig seien. Und dies werde sich durch TTIP nicht ändern, was die EU-Kommission in ihren Verlautbarungen zu den Verhandlungen auch bekräftigt habe.

Mit TTIP sollen im Pharmabereich beispielsweise die Marktzugangsregelungen vereinheitlicht, die Preisfestsetzung transparenter werden. Die Arzneimittelhersteller erwarten zudem, dass der Unterlagenschutz, der in den USA bereits heute drei Jahre beträgt, auch in Europa von heute einem auf drei Jahre ausgeweitet werden soll. Außerdem sollen die Inspektionen der Betriebsstätten gegenseitig anerkannt werden, so dass hier mit Kosteneinsparungen für die Unternehmen zu rechnen ist.

Sorgenkind Medizinprodukte

Sorgenvoll blicken die Arzneimittel-Hersteller dagegen auf eine geplante Revision des Medizinprodukterechts, das bereits seit 2007 auf der Agenda steht, dessen erste Lesung im Europäischen Parlament im vergangenen Jahr allerdings Kopfzerbrechen im Ministerrat auslöste. Mit der neuen Verordnung sollen stoffliche Medizinprodukte, also Produkte, die oral, rektal oder vaginal angewandt, vom Körper aber nicht resorbiert werden und keine pharmakologische Wirkung entfalten, in die Risikoklasse drei eingestuft und damit auf eine Stufe mit den Produkten wie Herzschrittmachern gestellt werden. Als Beispiele nannte BAH-Mitarbeiterin Dr. Angela Graf Macrogol-Präparate, Meersalz-Nasenspray und Hyaluronsäure-haltige Lutschpastillen. Dies würde bedeuten, dass die Hersteller Wirksamkeitsnachweise und Studien zur Sicherheit vorlegen müssten. Dieses Ansinnen der geplanten Verordnung sei auch deshalb nicht nachvollziehbar, so BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser, da diese Produkte vormals klassische Arzneimittel waren und aufgrund ihrer großen Sicherheit in den Status der Medizinprodukte wechseln konnten. Mit der neuen Verordnung solle dies wieder zurückgefahren werden – das ginge zulasten der Hersteller. Immerhin handele es sich hier um einen Markt, der mit rund einer Milliarde Euro so groß sei wie der Markt der Phytopharmaka. „Wir wünschen uns hier mehr Augenmaß vonseiten der Europäischen Kommission“, so Weiser, „das scheint man hier ­jedoch vergessen zu haben.“

Gesundheits-Apps

Unbefriedigend ist bei der geplanten Verordnung auch die Tatsache, dass sie das Gebiet der Gesundheits-Apps nicht deutlich regelt. Offen ist, welche Apps und welche Hardware unter das Medizinprodukterecht fallen. Gehören auch Wearables, die beispielsweise den Puls messen und aufzeichnen, zu den Medizinprodukten? Wenn man bedenkt, welches Gefahrenpotenzial bereits einfache Apps bergen, die an die korrekte Einnahme von Arzneimitteln erinnern: Würden sie beispielsweise dem Patienten fälschlicherweise eine zu häufige Arzneimitteleinnahme anzeigen, könnte hieraus die Gefahr von Überdosierungen entstehen.

In Kürze soll ein General Agreement zur geplanten Verordnung des Medizinprodukterechts vor­gelegt werden, die als Basis für ­einen Kompromiss dienen könnte. Wie das Verfahren ausgehen wird, ist allerdings noch offen. |

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