Politik

Verwirrung um rezeptfreie„Pille danach“

EU-Kommission hebt ellaOne®-Rezeptpflicht auf – Gröhe will auch PiDaNa® freigeben

BERLIN (jz/ks) | Nach vielen Jahren der Diskussion, zahlreichen Anträgen im Bundestag und der mehrfachen Versicherung, dass Apotheken die erforderliche Beratung gewährleisten können, ging es vergangene Woche plötzlich sehr schnell: Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Europäische Kommission die Rezeptpflicht für das Notfallkontrazeptivum ella­One® (Ulipristal) aufhebt. Damit folgte sie der Empfehlung der ­Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), deren Ausschuss für Humanarzneimittel sich im November 2014 für den OTC-Switch ausgesprochen hatte.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der sich lange gegen die Freigabe gewehrt hatte, zog am folgenden Tag prompt nach und verkündete, er werde der Entscheidung der EU-Kommission folgen und „das deutsche Recht für beide Präparate, die derzeit auf dem Markt sind, schnellstmöglich anpassen“. Er will also auch die PiDaNa® (Levonorgestrel) freigeben, wie es die Opposition und auch der Koalitionspartner SPD schon lange fordern. Seine Begründung: Es müsse weiterhin eine gute Beratung für beide auf dem deutschen Markt befindlichen Präparate aus einer Hand sichergestellt sein. Das BMG werde nun Frauenärzte, Apotheken und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einladen, gemeinsam Kriterien für eine „qualitativ hochwertige Beratung“ in Apotheken zu entwickeln.

Zeitpunkt für ellaOne®-Freigabe unklar

Die PiDaNa® bleibt hierzulande vorerst rezeptpflichtig, bis die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) entsprechend geändert ist. Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet nach ­eigenen Angaben vordringlich an der Umsetzung.

Die Meinungen darüber, welche Wirkung der Beschluss der EU-Kommission hat, ellaOne® zum Verkauf ohne Rezept freizugeben, gehen allerdings auseinander.

AMVV-Änderung erforderlich

So heißt es bei der ABDA, es müsse auch für dieses Präparat zunächst eine Änderung der AMVV erfolgen: Die Entscheidung der EU-Kommission sei grundsätzlich auch für Deutschland bindend, die „Pille danach“ werde es deshalb bald auch in deutschen Apotheken rezeptfrei geben. „Allerdings nicht ab sofort, da die Entscheidung erst in deutsches Recht überführt werden muss“, ließ Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, per Pressemitteilung verlauten. Der genaue Termin, ab wann das Notfallverhütungsmittel rezeptfrei verfügbar sei, stehe bislang ebensowenig fest wie mögliche Detailregelungen zur Abgabe.

Veröffentlichung des EU-­Beschlusses entscheidend

Ganz anders sieht man dies beim ellaOne®- und PiDaNa®-Hersteller HRA Pharma. Zwar sei man über die schnelle Entscheidung der EU-Kommission überrascht, doch unvorbereitet sei man nicht, hieß es bei dem Unternehmen. Man habe schon im Vorfeld ein Informationsschreiben an Apotheken und Anwenderinnen vorbereitet, das jetzt verbreitet werden soll. Das Schreiben an die Apotheken, in dem es um das Vorgehen bei der Abgabe von noch als verschreibungspflichtig gekennzeichneten Packungen geht, sei mit der Aufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium Arnsberg, abgesprochen. Sobald die EU-Kommission ihren Beschluss ­offiziell auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat, sollen die Schreiben direkt an die Apotheken verschickt werden. Ab diesem Moment dürften Apotheken in Deutschland ellaOne® auch in der als verschreibungspflichtig gekennzeichneten Packung ohne Rezept abgeben, so HRA.

Bei der EU-Kommission heißt es ebenfalls, die Entscheidungen im EU-Zulassungsverfahren gelten ­direkt für alle 28 EU-Staaten. Die Entscheidung zu ellaOne® werde im Arzneimittelregister der EU veröffentlicht und trete damit in Kraft. Es sei lediglich mit einer „technischen“ Verzögerung von ein paar Tagen zu rechnen. Die Kommissionsentscheidung müsse dem Hersteller formell mitgeteilt werden. Dieser informiere sodann die Apotheken über die Änderung des Status für ellaOne®.

BMG prüft noch

Im Bundesgesundheitsministerium gab es bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch keine einhellige Meinung zu dieser Frage. Die Juristen des Hauses prüften die Rechtslage noch, um schnellstmöglich für Klarheit zu sorgen. |

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