Management

Kreativität in der Apotheke

Wie Ihre Mitarbeiter und Sie sich zu „kreativen Kindern“ entwickeln

Kreative Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie herkömmliche Denkbahnen verlassen, neue Wege gehen und denken wie Kinder: unbekümmert, fantasievoll, ohne Rücksicht auf die Logik. Wie gelingt es in der Apotheke, dass Chef und Mitarbeiter wieder zu „kreativen Kindern“ werden?

Wissensschätze heben

Wissen schadet nicht – auch nicht bei der Entfaltung des kreativen Potenzials. Nach dem Insel-Modell der Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl lebt jeder Mensch auf einer Insel, die ihn wie ein Kreis umgibt. Und dieser Kreis symbolisiert alle Erfahrungen, Hoffnungen, Ängste, Wünsche und Ziele, aber auch alle Meinungen und alles Wissen, das dieser Mensch besitzt. Je größer und gefüllter dieser Kreis ist, über desto mehr Verknüpfungsmöglichkeiten verfügt dieser Mensch.

Das heißt: Wessen Insel lediglich pharmazeutisches Wissen beinhaltet, greift immer nur auf dieses Wissensgebiet zurück, wenn es darum geht, kreative Ideen zu entwickeln. Für wen aber auch Geschichte, Geografie, Kunst, Literatur, Mathematik, Betriebswirtschaft, Psychologie und Alltagswissen keine „böhmischen Dörfer“ sind, der kann bei der kreativen Suche nach Ideen diese Bereiche gleichfalls als Assoziationsfelder nutzen.

So kann man seinen Denkapparat für Dinge öffnen, die nichts mit der Herausforderung zu tun haben, an der man sich gerade die Zähne ausbeißt – und gelangt gerade deswegen zu neuen kreativen Einfällen.

Perspektive wechseln und Standpunkte auf den Kopf stellen

Seine Fantasie beflügeln – das hat nichts mit Hexerei zu tun, sondern mit der Bereitschaft, den Blickwinkel zu verändern, die Dinge aus einer ungewöhnlichen Perspektive zu betrachten und querzudenken. Eine Methode besteht darin, Standpunkte auf den Kopf zu stellen und die Fragestellung ins Gegenteil zu verkehren. Die entsprechende Kreativtechnik dazu heißt Kopfstand-Technik.

Dazu muss niemand einen echten Kopfstand ausführen. Vielmehr stellen die Teammitglieder die Fragestellung auf den Kopf: Wenn sie das Problem lösen sollen, die Kundenbindung zu erhöhen, fragen sie sich, wie es gelingt, die Kunden möglichst rasch in die Konkurrenzapotheken zu treiben. Wobei sich die Runde natürlich in einem zweiten Schritt Gegenmaßnahmen überlegt.

Das Selbstverständliche hinterfragen

Des Weiteren kommt es zu Kreativitätsschüben, indem das Team das Selbstverständliche infrage stellt: „Warum warten wir immer ab, bis der Kunde in die Apotheke kommt, bevor wir ihm etwas anbieten? Gibt es Alternativen – vielleicht einen Tag der offenen Tür, den wir gemeinsam mit den Ärzten der Umgebung veranstalten, um die Menschen über neue Aspekte der Gesundheitsförderung zu informieren?“ Oder: „Welche Routinen haben sich im Umgang mit dem Kunden eingeschlichen? Kann man eingeschliffene Dinge in einer anderen Reihenfolge angehen?“

Problemlösungen „borgen“

Im ersten Weltkrieg ließen sich Rüstungsdesigner von Picassos kubistischen Bildern inspirieren, neue Tarnanstriche zu entwickeln. Für die Kreativsitzung in der Apotheke bedeutet das zum Beispiel: „Wer hat die Herausforderung, vor der wir stehen, bereits gemeistert? Wie ist in anderen Branchen der Umgang mit neuen Kontrahenten gelöst worden – können wir dort für unsere Apotheke etwas ‚abkupfern’?“

Ungewöhnliche Fragen machen den Weg frei für kreative Lösungen. Also: „Was wäre, wenn der Kunde bereits den besonderen Nutzen unserer Apotheke von Weitem – bevor er sie betreten hat – erkennt? Sollen wir ein Apotheken-Logo entwickeln und eine Imagekampagne starten? Wo können wir uns engagieren, um uns zu profilieren? Sollen wir der Fußballmannschaft einen Satz Trikots mit unserem Apotheken-Logo sponsern?“

Zudem helfen Apothekenleiter und Mitarbeiter ihrer Kreativität auf die Sprünge, wenn sie sich in andere Personen versetzen und den Elfenbeinturm der üblichen Ansichten verlassen: „Wie hätte Adenauer das Problem gelöst? Wie meine Mutter? Wie Walt Disney?“

Verschiedene Wahrnehmungsbrillen aufsetzen

Apropos Walt Disney: Der berühmte Filmemacher soll bei seinen Produktionen stets in die Rollen des Träumers, des Realisten und des Kritikers geschlüpft sein. Indem er sich mehrere verschiedene Wahrnehmungsbrillen aufsetzte, war es ihm möglich, ein Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten – und zu lösen.

Für die Apothekenrunde heißt das: Der Mitarbeiter, der zur Kritiksucht neigt, legt die Problemlösungen unter die kritische Lupe, um Verbesserungsvorschläge zu präsentieren. Der Realist fokussiert sich auf Zahlen, Daten und Fakten und stellt die Frage nach der Umsetzbarkeit, während der Träumer seinen visionären Gedankenflügen freien Lauf lässt.

Also: Jeder Kreativ-Teilnehmer betrachtet das Problem durch seine Wahrnehmungsbrille. So entstehen zahlreiche individuelle Problemlösungen.

Mit der Mindmap Ideen sammeln

Das Mindmapping hilft bei der Ideensammlung und ihrer kreativen Visualisierung. Die Teammitglieder stellen ihre Ideen, wie neue Kunden gewonnen und die Kundenbindung erhöht werden kann, in einer Mindmap dar. Diese sieht wie eine Landkarte aus, mit einem Liniengestrüpp, in dem Gedanken, Informationen und Assoziationen zu einem Thema in prägnante Begriffe gefasst sind. Dazu wird eine zentrale Überlegung in die Mitte eines Papiers geschrieben: „Neue Kunden durch Imagebildung“ zum Beispiel. Davon gehen Linien wie Äste zu verwandten Begriffen oder Unterpunkten ab – so zu „Logo entwickeln“ oder „Kommunikationsmittel vereinheitlichen“. An den Ästen werden Zweige angebracht; die „Kommunikationsmittel“ untergliedern sich in „Internetpräsenz“, „Apothekenschild“ und „Visitenkarten“. So entsteht eine komplexe Darstellung der Ideen.

Schließlich erfolgt die Umsetzungsphase: Die nicht realisierbaren Ideen werden aussortiert, und es wird geprüft, wie sich die umsetzbaren Vorschläge verwirklichen lassen.

Beispiel für Problemlösungsprozess

Die Vorgehensweise lässt sich auf viele Problemlösungsprozesse übertragen, so auch auf die kre­ative Konfliktlösung:

  • Fragestellung mit Kopfstand-Technik ändern: „Wie gelingt es uns, Konflikte grundsätzlich (oder einen aktuellen Konflikt, etwa zwischen Chef und Mitarbeiter) unter den Teppich zu kehren?“
  • Problem wie Walt Disney aus mehreren Perspektiven betrachten
  • Ideen in Mindmap visualisieren
  • realisierbare Ideen herausfiltern und umsetzen

Den kreativen Künstler am Leben halten

Übrigens: Wenn man einem Erwachsenen ein selbst gemaltes Bild mit einem etwas unkenntlichen Fisch vorlegt, erhält man zumeist Antworten wie: „Das ist ein Wal!“ Oder vielleicht: „Ein Fisch!“ Sollen Kindergartenkinder hingegen das Bild interpretieren, sprudeln die tollsten, unwahrscheinlichsten und – aus Erwachsenensicht – unmöglichsten Antworten hervor: „Ein Flugzeug ... ein Vogel mit kurzen Flügeln ... meine Mama beim Rasenmähen ...“ Pablo Picasso meinte: „Jedes Kind ist ein Künstler. Das Problem ist jedoch, nach dem Größerwerden ein Künstler zu bleiben.“

Darum sollte man sich am Ende seiner Reise in die gar nicht so geheimnisvolle Welt der Kreativität die Frage stellen: „Was kann ich tun, um in meinen Mitarbeitern und mir den kreativen Künstler am Leben zu erhalten?“ |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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