Gesundheitspolitik

Angocin-Werbung im Internet ging zu weit

Gericht untersagt konkrete Werbung: Formulierung vorliegend irreführend - Repha passt Internetseite an

BERLIN (jz) | Bei seiner Werbung für sein pflanzliches, apotheken­pflichtiges Arzneimittel Angocin® Anti-Infekt N ist Repha ­etwas über das Ziel hinausgeschossen: Auf einer Internet­seite hatte der Hersteller sein Produkt mit den Worten „pflanzliches Antibiotikum gegen Bakterien und Viren“ sowie der „Vorbeugung gegen Infekte“ beschrieben. Doch diese Versprechen gingen sowohl dem Verein für lautere Heilmittelwerbung, Integritas, als auch dem Oberlandesgericht (OLG) Celle zu weit: Schließlich wirke es nicht bei jedweder Art von bakteriellen oder viralen Infekten. Das Pharmaunternehmen akzeptiert die Entscheidung und hat die ­Internetseite bereits angepasst.

Angocin® Anti-Infekt N ist zur Besserung von Beschwerden bei akuten entzündlichen Erkrankungen der Bronchien, Nebenhöhlen und ableitenden Harnwege zugelassen. Repha bewarb das Arzneimittel als „pflanzliches Antibiotikum gegen Bakterien und Viren“ und gab auf der Internetseite unter der Überschrift „Anwendungsgebiete“ dessen vorbeugende Wirkung bzw. die seiner Inhaltsstoffe gegen Infekte an. Das hielt Integritas, ein Selbstkontrollorgan der Pharmaindustrie, hinter dem unter anderem der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der Pharmazeutischen ­Industrie (BPI) stehen, für unzulässig und irreführend.

Nach Meinung des Vereins erzeugt die Werbung beim Verbraucher die Vorstellung, das – auf der ­Basis der Kapuzinerkresse und des Meerrettichs konzipierte – Produkt wirke wie bekannte chemisch definierte Antibiotika, was jedoch nicht zutreffe, weil es lediglich eine Symptomverbesserung und keine kausale Behandlung der Erkrankung bewirke. Außerdem sei Angocin® zur vorbeugenden Anwendung von Infekten nicht ­zugelassen. Repha verwies wiederum darauf, der Begriff des „pflanzlichen Antibiotikums“ sei etabliert – zumal sich die Werbung auf unkomplizierte Infekte beschränke. Eine prophylaktische Wirkung sei überdies den Fachinformationen zu entnehmen.

Konkrete Werbung war irreführend

Das Landgericht Hannover bewertete dies ebenso wie Integritas und erließ eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Auf die Berufung von Repha korrigierte das OLG Celle die Entscheidung zum Teil: Den Richtern ging der Tenor des landgerichtlichen Urteils zu weit, weil er auch zulässige Formen der Werbung verbieten würde. Gleichwohl bestätigten sie, dass die Werbung in der vorliegenden konkreten Form wettbewerbswidrig ist, weil sie den durchschnittlichen – das heißt den angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen kritischen – Verbraucher, auf dessen Verkehrsverständnis es bei der ­Beurteilung ankommt, in die Irre führe (§§ 5 UWG, 3 HWG).

Viele Verbraucher dürften die ­Werbung so verstehen, erklären die OLG-Richter im Urteil (Az. 13 U 17/15), dass Angocin® in einem umfassenden Anwendungsbereich ebenso wirksam sei wie ein „klassisches“ verschreibungspflichtiges Antibiotikum. Eine solche umfassende Wirkung gegen jegliche Bakterien und Viren habe das Mittel aber unstreitig nicht. Gefähr­licherweise könnten Verbraucher infolgedessen auf einen möglicherweise erforderlichen Arztbesuch verzichten. Auch der Hinweis auf die pflanzliche Herkunft genügt aus Sicht der Richter nicht, um den Durchschnittsverbraucher ­annehmen zu lassen, es handele sich um ein „milderes“ Arznei­mittel, das nur bei „harmloseren“ Infekten einsetzbar ist.

„Pflanzliches Antibiotikum“ grundsätzlich anerkannt

Allerdings könne, so heißt es im Urteil auch, ein generelles Verbot, für das Produkt als „pflanzliches Antibiotikum“ zu werben, nicht statuiert werden. Denn der Begriff des „pflanzlichen“ Antibiotikums finde sich in der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Literatur durchaus wieder. Ferner gebe es Internetseiten und Ratgeberbücher, die sich explizit mit pflanzlichen Antibiotika befassten. Insoweit komme es auf den Einzelfall an – und dabei maßgeblich darauf, den eingeschränkten Wirkungsgrad und Anwendungsbereich einschließlich der Abgrenzung zu den „herkömmlichen Anti­biotika“, angemessen und für den Verbraucher ersichtlich ­herauszustellen.

Konkreter Bezug bei prophylaktischer Wirkung nötig

Auch die Werbung mit der „vorbeugenden Wirkung“ des Arzneimittels hielten die Richter im konkreten Fall, nicht aber in jedwedem Zusammenhang für unzu­lässig. Vorliegend werde Angocin® mit der Werbeaussage „Anwendungsgebiete: … Vorbeugung gegen Infekte“ eine umfassende vorbeugende Wirkung beigelegt, die es nicht habe. Verbraucher dürften wegen des fehlenden Bezugs der prophylaktischen Eigenschaften der Kapuzinerkresse, um die es in der Werbung speziell gehe, auf die zuvor aufgeführten Erkrankungen deren angepriesene vorbeugende Wirkung in einem allgemeineren Sinn verstehen. Allerdings, betonen sie auch, seien dem Produkt gewisse vorbeugende Effekte nicht abzusprechen, wie in den Fachinformationen nachlesbar. |

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