Gesundheitspolitik

ABDA verzichtet auf höheres Fixum

Kurswechsel beim Apothekenhonorar – Einblick-Infobrief stiftet Verwirrung

BERLIN (lk) | Die ABDA hat ihre bisherige politische Honorarforderung in einem entscheidenden Punkt radikal korrigiert: Die seit Jahren geforderte regelmäßige Erhöhung des Apothekenhonorars wird eingemottet. „Die ABDA hat gute Gründe, warum sie die Forderung nach einem höheren Fixum momentan nicht erhebt“, hieß es letzten Mittwoch in der aktuellen Ausgabe des ABDA-Informationsdienstes „Einblick“. Begründet wird die Kehrtwende um 180 Grad mit einer bemerkenswerten Argumentationskette. Die überraschende Veröffentlichung sorgte für Aufregung und Verwirrung.

Gegenüber DAZ.online beteuerte DAV-Chef Fritz Becker einen Tag später, dass die ABDA auch weiterhin eine Erhöhung des Fixzuschlags auf Arzneimittel fordere. Dafür müsse aber zuerst die aktuelle Berechnungsgrundlage geändert werden, nach der das Wirtschaftsministerium den gestiegenen Kosten der Apotheken den ebenfalls gestiegenen Rohertrag zu 100 Prozent gegenüberstellt. Da eine Änderung der Berechnungsgrundlage politisch noch schwieriger umsetzbar ist, bedeutet dies für die Apotheker, dass es bis auf Weiteres keine Erhöhung des Fixhonorars geben wird.

Nach AZ-Informationen platzte die Veröffentlichung des „Einblick“-Textes auf DAZ.online in die laufende Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes am vergangenen Mittwoch. Den Gremienmitgliedern wurde daraufhin mitgeteilt, der Geschäftsführende ABDA-Vorstand habe den Kursschwenk in der Honorarfrage beschlossen. Aber auch dazu gibt es widersprüchliche Aussagen. Ein Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes behauptet, den „Einblick“-Text nicht gekannt zu haben.

Honorar müsste nach Ministeriums-Logik sinken

Hintergrund des Kursschwenks sind offenbar die seit Wochen laufenden Gespräche mit der Bundesregierung über die mit Vehemenz vorgetragenen ABDA-Honorarforderungen. Dem Vernehmen nach hat das Bundeswirtschaftsministerium der ABDA jedoch auf Arbeitsebene vorgerechnet, dass es auf Grundlage der derzeitigen Berechnungsmethode unter anderem wegen steigender Packungszahlen sogar eine Honorarkürzung um circa 50 Cent geben müsse.

Als Reaktion darauf ist offenbar der Einblick-Text entstanden. Unklar ist allerdings die Autorenschaft. Presserechtlich verantwortlich für den Inhalt zeichnet ABDA-Kommunikationschef Reiner Kern. Zitiert wird an verschiedenen Stellen Claudia Korf, Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge im Apothekerhaus. Sie erklärt etwa, dass die Arzneimittelpreisverordnung als „heiße Kartoffel“ gelte und Apothekenhonorare eine „politische Rallyefahrt“ blieben. Sie mahnt: Ein Beharren auf einer Fixumserhöhung würde den Apotheken unter den gegebenen Umständen schaden. Nicht locker lassen will die ABDA aber beim Nacht- und Notdienst: Der Betrag müsse von 16 auf 20 Cent pro Packung steigen, um die zugesagten 120 Millionen Euro zu erreichen. Außerdem bleibe es bei der Forderung nach Anpassung der Dokumentationsgebühren bei Betäubungsmitteln von 26 Cent auf 2,94 Euro. Und für Rezepturen soll künftig dasselbe Fixum gelten wie bei Fertigarzneimitteln. „Diese Forderungen spielen wir auf allen Kanälen, auf Bundes- wie auch auf Landesebene“, wird Korf zitiert.

Unpräzise Argumentation

Die Diktion des Textes ist für ABDA-Mitteilungen eher untypisch und an entscheidender Stelle unpräzise. Im Fall der Arzneimittelpreisverordnung müssten sowohl das Gesundheits- als auch das Wirtschaftsministerium überzeugt werden, heißt es dort. Zudem müssten die Bundesländer zustimmen – und zustimmungspflichtige Gesetze „meidet ein Großkoalitionär in dieser Wahlperiode wie der Teufel das Weihwasser“, weil er „nach dem Prinzip des Nehmens und Gebens“ dafür einen Preis zahlen müsse. „Wer also ein zustimmungspflichtiges Gesetz durch den Bundesrat bringen will, muss Pakete schnüren – und immer Federn lassen“, so der Text. Allerdings: Aller Erfahrung nach haben es vor allem kleine Koalitionen schwerer, Gesetze durch den Bundesrat zu bringen. Zudem: Es ist zwar richtig, dass die Arzneimittelpreisverordnung zustimmungspflichtig ist. Aber es gibt eine Ausnahme: Das Bundeswirtschaftsministerium kann im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung ohne Zustimmung der Länderkammer anpassen. Bis zu AZ-Redaktionsschluss war die ABDA für eine erläuternde Stellungnahme nicht zu erreichen.

Becker: Honorarerhöhung bleibt erste Forderung

DAV-Chef Becker versuchte die Wogen zu glätten: „Eines ist ganz klar: Unsere erste Forderung bleibt eine Honorarerhöhung“, erklärte er gegenüber DAZ.online. Eine Anpassung des Festzuschlags pro Arzneimittel auf Grundlage des § 78 des Arzneimittelgesetzes sei im Moment jedoch kontraproduktiv, stellte er klar. Durch die Berechnungsmethode, die das für die Anpassung zuständige Bundeswirtschaftsministerium zurzeit anwende, würde sich heute eine Senkung des Fixzuschlags ergeben. „Deshalb ist unsere Forderung schon lange, dass diese Berechnungsmethode geändert werden muss. Wir können nicht dauerhaft von der wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt bleiben“, so Becker. Der ­Entschluss, keine Anpassung auf Basis der aktuellen Berechnungsmethodik zu stellen, bedeute aber keineswegs, dass die ABDA die Forderung nach der dringend erforderlichen Erhöhung fallen lasse. Becker: „Das ist mein ‚cetero censeo‘ bei jedem Gespräch mit jedem Politiker.“ |

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