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Management
Erfahrungswissen weitergeben
Wissenssicherung und Wissenstransfer in der Apotheke
Was ist mit „Erfahrungswissen“ gemeint?
Beginnen wir mit einem Beispiel: Der „alte Hase“ kennt seine Stammkunden „aus dem Effeff“. Einiges Wissen, das er angehäuft hat, kann er schön formuliert im Ordner übergeben oder in einer Datenbank niederlegen. Meistens betrifft dies aber nur das reine Faktenwissen. Das für die Kundenbeziehung oftmals entscheidende Erfahrungswissen droht verloren zu gehen, wenn der erfahrene Mitarbeiter die Apotheke verlässt.
Es geht mithin um das Wissen, das durch individuelle Erfahrungen im Kundenkontakt angesammelt wurde und das Auskunft darüber gibt, wie wann und in welcher Situation agiert werden sollte.
Ein Beispiel hierfür ist die Reaktion des Kunden in problematischen Situationen, etwa im Reklamationsfall: Wie trägt welcher Kunde Reklamationen vor, wie sollte der angemessene Umgang mit der Situation ausfallen?
Wichtig sind aber nicht nur die Erfahrungen im Umgang mit den Kunden, sondern auch die Erfahrungen der Mitarbeiter mit den tagtäglichen Abläufen und Prozessen in der Apotheke. Oft kennen langjährige Mitarbeiter die Herausforderungen und Störfaktoren, die im Alltag auftreten, besser als der Chef und sind daher häufig in der Lage, gerade in Zeiten der Veränderung wichtige Beiträge zur Entwicklung der Apotheke zu leisten.
Erfahrungen lassen sich verallgemeinern
Wie lässt sich die Weitergabe des Erfahrungswissens sicherstellen? Welche Einkäufe ein langjähriger Stammkunde tätigt, lässt sich relativ leicht dokumentieren – doch auch dies wird keineswegs immer gemacht. Allerdings: Die Information über das wichtige Reklamationsgespräch, bei dem der Mitarbeiter den Charakter und das Emotionssystem des sicherheitsorientierten Kunden Müller erst richtig einzuschätzen gelernt hat, fehlt so gut wie immer. Die Konsequenz: Wenn ein Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand geht und sein Nachfolger bzw. die anderen Apothekenmitarbeiter dessen Stammkunden übernehmen, müssen diese „bei null“ anfangen.
Dabei ist das Erfahrungswissen nicht nur in Bezug auf einen konkreten Kunden nützlich, etwa bei dem Stammkunden Müller oder der Stammkundin Schmitt. Denn das Erfahrungswissen im Umgang mit dem verärgerten Kunden Müller oder der enttäuschten Kundin Schmitt lässt sich verallgemeinern und generell auf Reklamationsgespräche beziehen. Die in den Einzelfällen gewonnenen Einsichten können dann genutzt werden, um allgemeine Richtlinien für die Reklamationsbehandlung zu erarbeiten. Das ist ein weiterer Grund, das Erfahrungswissen zu dokumentieren.
Transfer des Erfahrungswissens
Helmut Seßler von der INtem-Gruppe in Mannheim (www.intem.de) stellt in seiner MBA-Arbeit „Wie können Unternehmen ältere Mitarbeiter mit Potenzial qualifizieren, um Erfahrungswissen an jüngere Mitarbeiter weiterzugeben?“ fest, dass der Transfer des Erfahrungswissens vom älteren Mitarbeiter in Richtung des jüngeren Kollegen in den folgenden Schritten erfolgen sollte: Zunächst einmal sollten alle Mitarbeiter dafür sensibilisiert werden, dass es richtig und notwendig ist, jenes implizite Erfahrungswissen zu sammeln und zu dokumentieren. Dann ist der Aufbau entsprechender Instrumente notwendig, um die Weitergabe des Erfahrungswissens zum Beispiel an die jüngeren Mitarbeiter zu gewährleisten.
Erlebnisorientierte Erfahrungsberichte verfassen
Was bedeutet das für die Umsetzung in der Apotheke? Die Apotheke muss sich zunächst einmal von der Fixierung auf das reine Faktenwissen lösen. Natürlich hat der jüngere Mitarbeiter ein Interesse, die impliziten Erfahrungen des älteren Kollegen im Umgang mit den Stammkunden zu nutzen. Notwendig ist darum die Etablierung einer Unternehmenskultur, in der es als selbstverständlich angesehen wird, neben dem fachlichen Wissen das Erfahrungswissen an das berufliche Umfeld weiterzureichen.
Es liegt in der Verantwortung des Apothekenleiters, die Mitarbeiter darauf hinzuweisen und Vorgehensweisen und Instrumentarien zu installieren, die die reibungslose Weiterleitung des Erfahrungswissens ermöglichen. Ein nützliches Instrument, so Helmut Seßler, sind erlebnisorientierte Erfahrungsberichte, in denen die Mitarbeiter ihr konkretes Vorgehen im Kundengespräch dokumentieren. Darin beschreiben sie ihre Befindlichkeit und die des Kunden und skizzieren, was nicht gut gelaufen ist und wie ein Problem gelöst werden konnte. Das sind diejenigen Erfahrungen, aus denen die Kollegen wirklich lernen können. Natürlich bedeutet dies im Einzelfall einen sehr großen Aufwand – jeder Chef muss prüfen, ob es sich lohnt, ihn zu betreiben.
Erfahrungen in Meetings weitergeben
Eine weitere Möglichkeit ist, regelmäßig Meetings durchzuführen, in denen die älteren Mitarbeiter ihre Erfahrungen an die jüngeren weitergeben. Ein kontinuierlicher Informationsfluss sorgt dafür, dass weder Faktenwissen noch Erfahrungswissen verloren geht.
Geschieht die Informationsweitergabe möglichst erlebnishaft, etwa mithilfe von Storytelling, also dem lebhaften Erzählen authentischer Erlebnisse, werden bei den jüngeren Kollegen oft nachhaltige Erkenntnis- und Lernprozesse in Gang gesetzt: Den „Jungspunden“ gelingt es, das Gehörte auf die eigenen Kundenkontakte zu übertragen sowie sich auf die Betreuung der Stammkunden der älteren Kollegen vorzubereiten.
Denkbar ist zudem die Einrichtung einer Rubrik „Diese Erfahrungen müssen Sie nicht unbedingt selbst machen“, beispielsweise im PC, und zwar in Anlehnung an die FAQs, die „Häufig gestellten Fragen“. Sie beziehen sich auf (negative) Erfahrungen, die die älteren Kollegen gemacht haben und die die jüngeren nicht unbedingt nochmals selbst machen müssen. |
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