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Gesundheitspolitik
TK fordert AMNOG-Nachbesserung
Anders als der G-BA, der die Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel recht schnell nach ihrer Markteinführung trifft, haben die Herausgeber des Innovationsreports etwas mehr Zeit, ein neues Präparat zu beobachten. Sie schauen, wie es den Markt durchdringt, welchen Preis es letztlich hat und welche späteren Erkenntnisse zutage treten. Genau dies geschah jetzt für den Innovationsreport mit dem zweiten AMNOG-Jahrgang. Am Ende der Bewertung steht hier jeweils ein Gesamtscore und ein Ampelschema zeigt, wie es um die Innovationskraft des jeweiligen Präparates steht.
Zwölf rote Ampeln
20 Wirkstoffe haben die Herausgeber unter die Lupe genommen – von diesen waren vom G-BA nur zwölf vollständig bewertet worden. Keine umfassende Bewertung gab es etwa für die fünf Orphan Drugs, deren Zusatznutzen nach dem AMNOG bereits mit der Zulassung als belegt gilt. Bei den Report-Autoren erreicht allerdings nur ein Arzneimittel im Gesamtscore die grüne Ampel: Zelboraf® (Vemurafenib) von Roche. Sieben Mal zeigt die Ampel gelb und zwölf Mal rot. Das heißt nicht zwingend, dass die Arzneimittel schlecht sind, erklärte Glaeske. Aber oft haben sie keinen Zusatznutzen gegenüber schon vorhandenen Therapien – und können dies nicht einmal über einen besseren Preis wettmachen. Dennoch, so betonte Baas, hätten die Hersteller ihre Hausaufgaben in Sachen Marketing gemacht: Die Präparate haben sich im Markt etabliert, rund die Hälfte von ihnen haben es in Leitlinien geschafft.
Forschung an falscher Stelle
Ein für den TK-Chef weiteres bemerkenswertes Ergebnis des diesjährigen Innovationsreports ist, dass die Innovationen 2012 auf „falsche Bereiche“ fokussiert seien. Statt sich beispielsweise um neue Antibiotika zu kümmern, setze die Pharmaindustrie weiterhin auf Indikationen, die für sie die größten Renditen versprechen. Baas Appell an die Industrie lautet daher: Nicht da forschen, wo sie sich den leichtesten Weg durch das AMNOG verspricht, sondern dort, wo es wirklich nötig ist.
Obwohl die Bewertung der neuen Präparate keinesfalls rosig ausfiel, macht sich dies bei den Preisen nur bedingt bemerkbar. Die ursprünglich von der Politik erwarteten Einsparungen erreicht das AMNOG nicht. Von rund zwei Milliarden Euro jährlich ging man zunächst aus – gerade einmal 320 Millionen Euro wurden 2014 erreicht, beklagt Baas. Pessimistisch ist er dennoch nicht: „Wenn das AMNOG als viel zitiertes ‚lernendes System‘ konsequent weiterentwickelt wird, sind jedoch viel größere Einsparungen möglich.“
Die Baustellen
Und aus Sicht der TK und der Herausgeber des Reports hat das AMNOG in seinem vierten Lebensjahr noch einiges zu lernen. Baas forderte, die „Karenzzeiten für Mondpreise“ zu beenden und den Erstattungsbetrag rückwirkend ab dem Tag der Markteinführung gelten zu lassen. Zudem sollten bei den Preisverhandlungen die tatsächlichen Kosten der Vergleichstherapie herangezogen werden – und nicht die Listenpreise. Die (geheimen) Rabattverträge der generischen Vergleichspräparate seien bislang nicht berücksichtigt. Die TK schätzt, dass hier mindestens sechs Prozent zusätzlich einzusparen wären.
Zudem hält es Baas für sinnvoll, dass der zwischen GKV-Spitzenverband und Unternehmer ausgehandelte Erstattungsbetrag zumindest in Teilen geheim ist. Öffentliche Preise setzten den Unternehmer zusätzlich unter Druck, da Deutschland für viele Länder noch Referenzpreisland sei. Durch geheime Preisnachlässe, so Baas Überlegung, könnten die Krankenkassen höhere Rabatte aushandeln, weil die Industrie damit nicht mehr automatisch in vielen anderen Märkten Abschläge hinnehmen müsste.
Der AKdÄ-Vorsitzende und Onkologe Ludwig fordert zudem mehr Strenge im Bereich der Krebsmedikamente und der Orphan Drugs. Es sei bedenklich, dass immer mehr Krebsarzneien ein beschleunigtes Zulassungsverfahren durchliefen und damit die Ansprüche nach unten geschraubt würden. Weitere Erkenntnisse zeigten sich erst in der Versorgung. Dass Orphan Drugs keiner „vernünftigen“ Nutzenbewertung unterliegen ist für Ludwig ebenfalls „fatal“ – ein Fehler, der sich durch „geschickte Lobbyarbeit der Industrie“ ins AMNOG eingeschlichen habe. Doch im G-BA überlege man bereits, wie man aus diesem Fehler lernen könne.
Der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) sieht die Situation naturgemäß anders. Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer: „Natürlich kann man die Ergebnisse jeder Nutzenbewertung infrage stellen. Auch wir kritisieren oft genug einzelne Bewertungen und Bewertungsmuster. Fehlende Daten sind z. B. noch lange kein Beleg für fehlenden Nutzen. Aber vollkommen irrational und unverständlich ist, wenn die offiziellen Bewertungen des Gremiums, in dem die Kassen eine dominierende Stellung haben, von einzelnen Krankenkassen wiederum durch eigene, isolierte und abweichende Bewertungen ersetzt werden.“ |
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