Management

Wachsen oder weichen

Perspektiven für die deutschen Apotheken

Wer im Apothekenmarkt langfristig erfolgreich sein will, muss stärker wachsen als der Durchschnitt. Zielführend sind dabei drei unterschiedliche strategische Ansätze: die Angriffs-Strategie, die Verteidigungs-Strategie und die Nischen-Strategie.

Die Basis für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg der Apotheke ist der Apothekenumsatz und damit der regionale Marktanteil der Apotheke. Wenn wir uns nun die Umsätze der deutschen Apotheken anschauen, dann stellen wir fest, dass der Umsatz der durchschnittlichen Apotheke in den Jahren 2004 bis 2014 von 1,428 Mio. Euro auf 2,014 Mio. Euro gestiegen ist. Dies bedeutet ein jährliches Umsatzwachstum von 4,2%.

Im gleichen Zeitraum – und jetzt kommen wir zur Einkommensseite – ist das Brancheneinkommen der Apotheken lediglich um 14,3%, also jährlich um 1,4% gestiegen, während sich die Vergütung der Apothekenmitarbeiter um 23,2% erhöhte und wir eine Inflations­rate von 18,1% hatten. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Während der Arzneimittelumsatz in den letzten zehn Jahren jährlich etwa um 6,7% gestiegen ist, hat sich die Anzahl der Verordnungen im gleichen Zeitraum jährlich nur um 1,8% erhöht. Da aber die Apothekeneinkommen vor allem auf den Packungszahlen beruhen, ist die Steigerung des Brancheneinkommens entsprechend niedrig.

Die seit einigen Jahren schrumpfende Anzahl an Apotheken bestätigt diese Entwicklung. Alle zehn Tage gibt es in Deutschland eine Apotheke weniger. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Filialapotheken zu. Wir erleben eine – wohl begründete – Flucht aus der Selbstständigkeit.

Mit 25 Apotheken pro 100.000 Einwohner liegen wir in Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt von 31 Apotheken. Wenn wir nun eine Hochrechnung auf die künftige deutsche Bevölkerung wagen, dann kommen wir zu aufrüttelnden Ergebnissen. Als anerkannte Basis ziehen wir die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes hinzu. Hiernach wird die deutsche Bevölkerung im Jahr 2060 65 Millionen Einwohner betragen.

Bei einem konstanten Versorgungsgrad von 25 Apotheken pro 100.000 Einwohner und einem von 20,4% auf 25,0% gestiegenen Anteil an Filialapotheken müssen wir im Jahr 2060 mit nur noch 16.875 Apotheken, davon 4219 Filialapotheken, rechnen. Das heißt, dass die Anzahl selbstständiger Apotheker weiter stark sinken wird – im Jahr 2060 möglicherweise auf 12.656! Das Jahr 2060 ist zwar noch weit entfernt; aber der Trend ist eindeutig. Wer erfolgreich bleiben will, muss sich erstens klar zum selbstständigen Unternehmertum bekennen und zweitens mit seiner Apotheke stärker wachsen als der Durchschnitt.

Wachstum kann man nicht dem Zufall überlassen. Apotheken können nur wachsen, wenn aufgrund der lokalen Marktsituation klare Ziele mit eindeutigen Schwerpunkten gesetzt werden. Die Strategie zeigt den Pfad zur Erreichung dieser Ziele. Hierbei sind neben den potenziellen Kunden und dem relevanten Umfeld vor allem auch die relevanten Wettbewerber zu berücksichtigen.

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Wachsen trotz schwierigem Umfeld – Zukunftsherausforderung für Apotheken.

Wann wachsen Apotheken?

Apotheken wachsen, wenn sie für die potenziellen Kunden attraktiver sind als andere Wettbewerber, seien dies Apotheken, Versandapotheken oder Drogeriemärkte. Es ist ausgesprochen schwierig, für alle potenziellen Kunden attraktiver zu sein. Daher sollten in einem ersten Schritt zu einer robusten Wachstumsstrategie einzelne, möglichst homogene Kundengruppen identifiziert werden. Als Beispiele seien Familien mit Kindern, Berufstätige, ältere Menschen, chronisch Kranke usw. genannt. Bei diesen Gruppen bzw. Kunden-Segmenten unterscheiden sich Kommunikations- und Einkaufsgewohnheiten sowie Therapieverhalten deutlich. Daher kann sich die Apotheke in einem zweiten Schritt mit ihren spezifischen Angeboten, der Kundenansprache sowie der Beratung auf die für sie vorteilhaften Gruppen fokussieren. Damit ist das Fundament für ein Wachstum bei diesen Kundensegmenten gelegt.

Schließlich muss die Wachstumsapotheke schneller und innovativer sein als der Wettbewerb. Dies bezieht sich auf das aktuelle pharmazeutische Wissen, die aktuellen Angebote in Sicht- und Freiwahl, die Dienstleistungsangebote sowie auf das gesamte äußere und innere Erscheinungsbild der Apotheke. Die Fortschrittlichkeit einer Apotheke wird heute immer mehr auch an dem Maß der Digitalisierung gemessen. Digitalisierung ist ein unumkehrbarer Trend, den sich die Wachstumsapotheke zu eigen machen sollte.

Wettbewerbsspezifische Strategien

Wie muss nun eine Apotheke im Wettbewerb agieren, um zusätz­liche Kunden und damit Erträge zu generieren? Im Kampf um die Kunden gibt es drei unterschied­liche Strategie-Ansätze, die konsequent verfolgt werden sollten.

Die Angriffs-Strategie richtet sich gegen den oder die Marktführer im lokalen Apothekenmarkt. Der Kampf Davids gegen Goliat ist ein gutes Beispiel dafür. Der Marktführer ist zwar größer und stärker, aber als Angreifer nutzt man seine Schwächen mit einer innovativen Waffe. Wer seine wenigen Stärken gezielt dort einsetzt, wo der Wettbewerb Schwächen besitzt, kann im Wettbewerb erfolgreich sein.

Die Verteidigungs-Strategie muss angewandt werden, wenn Versandapotheken, Drogeriemärkte oder der Lebensmitteleinzelhandel in den Markt von freiverkäuflichen Arzneimitteln oder von OTC-Produkten eindringen. Hier gibt es zwei Regeln. Erstens kann man sich verteidigen, indem man mit den gleichen Waffen zurückschlägt. Dies gilt für den Arzneimittelversand. Zweitens sollte man seine angestammten Kompetenzen – nämlich die persönliche Beratung – nicht verlassen.

Schließlich kann sich die Apotheke auf die Nischen-Strategie zurückziehen und in der Nische erfolgreich wachsen. Nischen sind regionale Leuchttürme, die wie eine Homöopathie- oder Diabetes-Apotheke weit über das angestammte Einzugsgebiet hinausstrahlen. Dies ist immer der Fall, wenn sich die Apotheke auf ein Gebiet spezialisiert und dort eine Alleinstellung durch entsprechende einzigartige Kompetenzen erwirbt.

Der Wachstumspfad ist dort, wo die eigenen Stärken bzw. Kompetenzen die künftigen Marktchancen verstärken. Eine Strategie ist immer dann erfolgreich, wenn nur einige wenige Wettbewerbsvorteile wirklich stark ausgeprägt sind, sodass der daraus resultierende Kundennutzen für das Kunden­segment sofort erkennbar ist. Die Regel heißt „Fokussierung anstatt Fragmentierung“ oder wie der Volksmund sagt „Nicht kleckern, sondern klotzen“. |

Prof. Dr. Dieter Benatzky

Prof. Dr. Dieter Benatzky ist Leiter des Instituts für Gesundheitswirtschaft in Bad Endorf und emeritierter Professor für Marketing an der FH Rosenheim


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