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Wie Lebensmittel gekennzeichnet sein müssen
EU-Lebensmittelinformationsverordnung – die Reform ist Realität und bringt auch für Apotheken Neuerungen
Mit der LMIV verfolgt der EU-Gesetzgeber mehrere Ziele. Bestehende Regelungen wurden überarbeitet und teilweise weiterentwickelt. Mit Verweis auf ein gewandeltes Informationsbedürfnis des Verbrauchers wurden grundlegend neue Regelungen geschaffen. Des Weiteren wurden strukturelle Änderungen an der Verteilung der Verantwortung für die ordnungsgemäße Lebensmittelinformation vorgenommen.
Die praxisrelevantesten Änderungen auf einen Blick:
- Die Verantwortlichkeiten für die Information wurden gestrafft, teilweise neu verteilt.
- Detaillierte Regelungen zum Fernabsatz (insbesondere Online) wurden geschaffen.
- Eine Nährwertdeklaration ist spätestens ab dem 13. Dezember 2016 grundsätzlich verpflichtend.
- Formvorschriften wurden überarbeitet, u. a. eine Mindestschriftgröße von 1,2 mm bezogen auf den Kleinbuchstaben „x“ festgelegt (für Kleinpackungen gilt eine reduzierte „x“-Höhe von 0,9 mm).
- Für bestimmte Lebensmittel ist der Herkunftsort anzugeben.
- Allergene müssen hervorgehoben (etwa durch Fett- oder Kursivdruck) ausgewiesen werden.
- Verschärfte Irreführungsregeln, u. a. detaillierte Vorschriften für „Lebensmittelimitate“.
- Einzelaspekte (z. B. Nanomaterialien, Öle/Fette, Einfrierdatum) wurden neu geregelt.
Selbstverständlich schlagen im Einzelfall nicht alle Neuerungen gleichermaßen durch. Inhalt und Umfang der einzuhaltenden Pflichten hängen vielmehr auch in Zukunft maßgeblich vom betreffenden Erzeugnis ab. So sind beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel von der Pflicht zur Nährwertdeklaration vollständig, diätetische Lebensmittel nur zum Teil ausgenommen, Hustenbonbons müssen die Nährwertinformationen in vollem Umfang aufweisen.
Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften
Die LMIV enthält erstmals eine ausdrückliche Regelung über die Verantwortlichkeit für die Informationen über Lebensmittel. Danach ist der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird (oder der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt) primär für das Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen verantwortlich. Für Lebensmittel in Fertigpackungen ist dies der in der EU niedergelassene Unternehmer, der mit seinem Namen und seiner Adresse auf dem Etikett anzugeben ist.
Aber auch die Verantwortung der weiteren Wirtschaftsakteure ist geregelt. Unternehmer, deren Tätigkeiten die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen, dürfen keine Erzeugnisse abgeben, von denen sie wissen oder wissen müssen, dass sie den einschlägigen Regelungen nicht entsprechen. Des Weiteren ist nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Unternehmer für eigenmächtig vorgenommene Änderungen an Informationen für deren Rechtmäßigkeit verantwortlich sind.
Zudem legt die LMIV fest, dass Lebensmittelunternehmer in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen die Einhaltung der Rechtsvorschriften über die Lebensmittelinformation sicherstellen und prüfen müssen. Die Auswirkungen dieser Vorgabe, insbesondere die erforderliche Prüftiefe, wird die Überwachungspraxis zeigen. Absehbar ist aber, dass von jedem Unternehmer, also auch von Apothekern, verlangt werden wird, dass dieser einen Plan vorweisen kann, ob und wie er sich von der Rechtmäßigkeit der Kennzeichnung und Bewerbung der von ihm vertriebenen Produkte überzeugt.
Fernabsatz
Gravierende Neuregelungen gibt es für den Fernabsatz, wovon der Versandhandel in allen Ausprägungen (telefonisch, Katalog, Internet, etc.) erfasst ist. Betroffen sind mithin auch Versandapotheken, die Lebensmittel anbieten. Im Fernabsatz müssen fortan alle verpflichtenden Informationen über Lebensmittel mit Ausnahme des Mindesthaltbarkeitsdatums vor dem Abschluss des Kaufvertrags verfügbar sein. Dies bedeutet, dass für Lebensmittel, die unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln angeboten werden, alle Elemente der Pflichtkennzeichnung wie die rechtliche Bezeichnung, das Zutatenverzeichnis, die Nettofüllmenge, die Nährwertdeklaration etc. enthalten sein müssen. Anzugeben sind diese Informationen „auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts“ oder „durch andere geeignete Mittel“, was immerhin eine gewisse Flexibilität ermöglicht.
Die Umsetzung der Regelungen zum Fernabsatz stellt viele Unternehmer vor erhebliche technische und logistische Herausforderungen. Gerade der Online-Handel wird dabei aufgrund der ständigen Warenverfügbarkeit, der hohen Informationstransparenz und der verhältnismäßig einfachen Möglichkeit der Beanstandung absehbar häufiger Schauplatz von wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten sein. Hiervon ist auch der Fernabsatz von Lebensmitteln durch Apotheken nicht ausgenommen. So hat es tatsächlich auch gerade einmal eine Woche nach Geltung der neuen Regelungen gedauert, bis ein easy-Apotheker mehrere Kollegen mit Web-Shops ohne jede LMIV-Angabe“ abgemahnt hat (siehe Kasten).
easy-Apotheker geht gegen Kollegen vor
Erneut flatterte Apothekern kurz vor Weihnachten Anwaltspost auf den Schreibtisch. Dieses Mal kamen die Abmahnschreiben vom Hildesheimer easy-Apotheker Harald Steinert. Steinert ärgert sich über die Kollegen, die in ihren Web-Shops bislang keine Anstrengungen zur Umsetzung der neuen Informationspflicht für die angebotenen Lebensmittel unternommen haben. Eine neue „Abmahnwelle“ stecke aber nicht dahinter, versicherte Steinert gegenüber DAZ.online. Es gehe ihm auch nicht ums Geld, sondern um Wettbewerbsverzerrung. Er selbst habe mit seinem Web-Shop-Assistenten dreieinhalb Monate an der Umsetzung der Lebensmittelinformationsverordnung gearbeitet und sich die dafür notwendigen Informationen teilweise unter großem Aufwand vom Hersteller besorgen müssen. Es könne nicht sein, dass Kollegen die neue Informationspflicht einfach ignorierten, begründet Steinert sein Vorgehen.
Die Abmahnungen richteten sich nur gegen Apotheker-Kollegen, die bislang noch gar keine Anstrengungen zur Umsetzung der LMIV unternommen hätten, so Steinert. An 40 bis 50 Apotheker mit Web-Shops ohne jede LMIV-Angabe seien Abmahnungen herausgegangen. Der Streitwert sei so niedrig wie möglich angesetzt worden.
Fazit
Die LMIV führt in zahlreichen Aspekten des Informationsrechts zu Änderungen. Viele Vorschriften erweisen sich als schärfer als das bisherige Recht, manche Regelungen sind komplett neu, wenige bringen eine Liberalisierung. Eine Anpassung an die geänderten Rahmenbedingungen bleibt auch den Apothekern nicht erspart. Die vom Gesetzgeber explizit verankerte Verpflichtung, die Einhaltung der Vorgaben zur Kennzeichnung und Werbung sicherzustellen, macht eine Auseinandersetzung mit der Materie unausweichlich. Die – stetig weiter wachsende – Zahl von Apothekern, die Lebensmittel im Wege des Fernabsatzes, insbesondere online vertreiben, ist darüber hinaus in eigener Verantwortung und aktiv gefordert, alle verpflichtenden Angaben zur Verfügung zu stellen. Dass viele Unternehmer den Vorgaben der LMIV nur unter Inanspruchnahme externer Unterstützung und mit erheblichem Aufwand nachkommen können, liegt auf der Hand. |
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