DAZ aktuell

„Medikationsplan ohne Apotheker – was soll das?“

Die DAZ im Gespräch mit Dr. Christian Belgardt

BERLIN (lk) | Der kürzlich für seine dritte Amtszeit als Präsident der Berliner Apothekerkammer wiedergewählte Dr. Christian Belgardt kritisiert die Nebenrolle der Apotheker beim Medikationsplan. Wenn die Politik dies ernst meine, „könne sie gleich das ganze Apothekenwesen abschaffen“. Zugleich appelliert er an den pharmazeutischen Nachwuchs, den Apothekerberuf als Freien Beruf zu erhalten. Die Arbeit als angestellter Apotheker in einer von Investoren fremdbestimmten Struktur ist auch unter Work-Life-Balance Gesichtspunkten nicht erstrebenswert, sagte Belgardt im DAZ-Gespräch.

Mit Blick auf die Diskussion über den Mangel an pharmazeutischem Nachwuchs forderte Belgardt dazu auf, die Arbeit des Apothekers als selbstständigen Heilberufler zu schätzen: „Jeder Apotheker ist der Botschafter seines Berufes- auch außerhalb der Beschäftigungsstätte öffentliche Apotheke.“ Wer denke als angestellter Apotheker in einer von Investoren betriebenen Kette besser aufgehoben zu sein, täusche sich: „Schauen Sie sich Drogeriemärkte und Discounter an. Wie dort Filialleiter teilweise von Montag 6.00 bis Samstag 20.00 Uhr eingespannt sind, ist wohl kaum erstrebenswert.“

Geregelte Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche und veränderte Vorstellungen zur Work-Life-Balance beim akademischen pharmazeutischen Nachwuchs seien nur eine Seite der Medaille. In der mittelständischen Struktur der heutigen Apothekenlandschaft sei man viel besser aufgehoben. Dort könnten auch angestellte Apotheker ihr Engagement und Freiberuflichkeit einbringen. „Das arbeiten dort ist viel menschlicher und flexibler als in Kettenstrukturen.“ Anders als in anderen Regionen plagten Berlin keine akademischen Nachwuchssorgen, so Belgardt: „Berlin ist hipp, auch bei Pharmazeuten.“ Apotheker seien bereit, für den Wohnort Berlin wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Im benachbarten Brandenburg werde zwar mehr Geld verdient. Trotzdem ziehe es viele Pharmazeuten nach Berlin. Bei den PTAs sieht es in Berlin aber auch nicht viel besser aus, als in der übrigen Republik. Unter den circa 860 Apotheken der Hauptstadt gebe es viele kleine Kiez-Apotheken. Auch diese hätten kaum Nachwuchssorgen. Belgardt: „Es werden immer wieder Apotheken geschlossen – aber auch wieder eröffnet.“

Foto: DAZ/Schelbert

Dr. Christian Belgardt sieht im Umgang der Politik mit den Apothekern bezüglich des Medikationsplans eine Komplett-Absage an den Berufsstand.

Apotheker kann man nicht durch Automaten ersetzen

Mit Zuversicht blickt der Berliner Kammerpräsident auch in die Zukunft des Apothekerberufes. In ­vielen anderen Wirtschaftssektoren könne die computergesteuerte Automatisierung menschliche Arbeitskraft ersetzen. Es gebe Prognosen des Intel Mitbegründers Gordon Moore, dass es aufgrund des technischen Fortschritts absehbar problematisch werde, alle Arbeitnehmer zu beschäftigen. „Einen Apotheker können sie aber nicht durch einen Automaten ersetzen“, so Belgardt. Jeder könne sich ja selbst prüfen, ob er sich wohler fühle, am Automaten eine Fahrkarte zu kaufen. „Oft ist doch das Gefühl da, wäre jemand dort für die Beantwortung einer Frage, hätte ich die bessere Entscheidung getroffen und fünf Minuten gespart. Jede Kollegin und jeder Kollege kennt das Problem, dass man die automatischen Interaktionsanzeigen der ABDA-Datenbank nicht unkommentiert an Patienten oder Ärzte weitergeben kann.“ Gerade bei Themen der grundlegenden Daseinsvorsorge wie die eigene Gesundheit wollten die Menschen nicht mit Computern kommunizieren, sondern „lieber mit echten Menschen mit Empathie“. Die Technik könne auch in der Medizin und in der Apotheke viel mehr Unterstützung leisten als früher – zum Beispiel beim Medikationsmanagement oder AMTS. „Am Ende braucht sie aber immer einen Menschen für das persönliche Gespräch“, so der Kammerpräsident.

Ärztelobby hat mehr Power

Per Gesetz seien die Apotheker beauftragt, die Arzneimittelversorgung in Deutschland sicherzustellen. „Daher finde ich es schon interessant und spannend, dass das Bundesgesundheitsministerium das bei der Erstellung des Medikationsplans im E-Health-Gesetz unter den Tisch fallen lässt“, kritisierte Belgardt: „Dass Apotheker nur als Assistenten dabei sein können und die Ärzte die Federführung erhalten sollen, finde ich nicht sachlogisch.“ Man müsse wohl zur Kenntnis nehmen, dass die schiere Masse der 140.000 niedergelassenen Ärzte über eine stärkere Lobby verfügen als die kleinere Gruppe der Apotheker: „Die haben einfach mehr Power. Das ist schmerzlich, aber es ist so. Um beim Zukunftsthema eHealth und mobile Health weiter dabei zu sein, brauchen wir mehr IT-Kompetenzen bei der ABDA. Sparfüchse mögen sich den Stellenschlüssel bei Bundesärztekammer und KBV ansehen.“

Wenn die Politik meine, „dass Apotheker bei der Erstellung des Medikationsplans nichts zu suchen haben, müsste man als logische Konsequenz eigentlich das ganze Apothekenwesen abschaffen“. Wer das Thema Medikationsmanagement wirklich ernst nehme, müsse hingegen „die Apotheker ganz eng einbinden“. Belgardt: „Wie soll ohne uns die OTC-Medikation in den Medikationsplan eingebunden werden? Ärzte verfügen noch nicht mal über vernünftige Computersysteme zur Erstellung von Medikationsplänen – die deutschen Apotheken konnten das schon vor 18 Jahren, als ich zum Thema pharmazeutische Betreuung promoviert habe. Das macht so alles keinen Sinn. Ich kann mir als Grund für diese Entscheidung nur unzureichende Sachkenntnis im Bundesgesundheitsministerium vorstellen. Wir Apotheker müssen jetzt Überzeugungsarbeit leisten, dass das E-Health-Gesetz in diesem Punkt geändert wird.“

Eigener Medikationsplan ist keine Alternative

In eigener Regie einen besseren Medikationsplan zu entwickeln und bundesweit in den Apotheken anzubieten, hält Belgardt für keine Alternative: „Das bringt doch nichts.“ Das sei so wie mit der Idee der Gründung einer alternativen Fifa oder den verschiedenen Box-Verbänden. Es gehe doch darum, system- und strukturübergreifend zu arbeiten. „Wir wollen doch zusammenarbeiten. Nur das macht doch Sinn. Viele niedergelassenen Ärzte ­sehen das doch genauso, leider viele Ärztefunktionäre noch nicht.“ |

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