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Raus aus der Abhängigkeit von der Politik

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt will Honorarsystem reformieren

MERAN (du) | Der Kabinettsentwurf zum E-Health-Gesetz sorgt für Unruhe in der Apothekerschaft. Neben dem eigentlichen Ansinnen des Gesetzes, den Ausbau der Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen zu forcieren, wird hier der Anspruch der gesetzlich Versicherten auf einen einheitlichen Medikationsplan in Papierform verankert, wenn er drei oder mehr Medikamente verordnet bekommt. Die Pflicht auf Ausstellung und Aktualisierung des Medikationsplans soll in die Hände der Ärzte gelegt werden, die für diese Tätigkeit eine gesonderte Vergütung erhalten sollen. Apotheker werden in dem Gesetz lediglich an der konzeptionellen Entwicklung des Medikationsplans beteiligt. Zusammen mit den Vertragsärzten sollen sie an der Aktualisierung des Plans mitarbeiten können. Eine Vergütung für den Apotheker ist nicht vorgesehen.

ABDA- Präsident Friedemann Schmidt hatte schon in einem DAZ-Interview trotz aller Mängel im Entwurf von einem Etappensieg gesprochen und den gesetzlichen Anspruch auf einen Medikationsplan begrüßt (DAZ 2015, Nr. 23 S. 14). Am Rande des Pharmacon Meran erläuterte er zusammen mit ABDA-Pressesprecher Dr. Reiner Kern in einem Hintergrundgespräch mit DAZ-­Herausgeber Dr. Klaus G. Brauer und DAZ-Chefredakteurin Dr. Doris Uhl die Einschätzung und Strategie der ABDA. Dabei scheute er sich nicht davor, auch für die Apotheker bittere Wahrheiten wie die Abhängigkeit vom Wohlwollen der Politik klar zu benennen.

Foto: DAZ/diz

ABDA-PräsidentFriedemann Schmidt: „Wir haben gute Vorschläge, wir wissen wie es geht!“

Das E-Health-Gesetz sieht Schmidt vor dem Hintergrund der zähen Entwicklung in Sachen elektronischer Gesundheitskarte. „In 10 Jahren sind 1 Milliarde Euro verbrannt worden, also 100 Millionen Euro pro Jahr! Herausgekommen ist der Aufdruck des Lichtbilds auf die Versichertenkarte!“ Mit dem E-Health-Gesetz und den dort angedrohten Sanktionszahlungen solle der Druck nun erhöht werden. Dass in diesem Gesetz auch der Anspruch auf einen einheitlichen Medikationsplan verankert wird, begrüßt Schmidt grundsätzlich. Doch lediglich den Anspruch auf einen Plan in Papierform zu verankern, greife zu kurz. Schmidt kritisierte vor allem, dass für die elektronische Phase des Medikationsplans in dem Gesetz keine Leitplanken eingeschlagen worden sind und nicht geregelt wird, wie der interdisziplinäre Austausch aussehen soll. Deshalb will Schmidt im Gespräch mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Ab­geordneten auf Nachbesserungen im Entwurf drängen: „Wir haben gute Vorschläge, wir wissen wie es geht! Dem Gesetzgeber muss einfach klar gemacht werden, dass Ärzte und Apotheker gleichberechtigte Partner sind – und das muss sich in dem Gesetz wiederfinden, spätestens dann, wenn die elektronische Phase eingeläutet wird!“ Aus dem Bundesministerium für Gesundheit soll der ABDA signalisiert worden sein, dass die Regelungen zum Medikationsplan im E-Health-Gesetz nur für die schriftliche Phase des Plans gelten. Bei Einführung des elektronischen Medikationsplans sollen die Karten neu gemischt werden. Das unterstrich auch ABDA-Pressesprecher Kern. Und anders als in der Presse zu lesen war, soll das BMG durchaus sehen, dass eine solche Leistung nicht mit dem Beratungshonorar abgegolten sei. Der DAV, und damit die Apothekerschaft habe die ­Federführung in Sachen AMTS in der Telematikinfrastruktur. Ihnen dann eine nachgeordnete Rolle im Gesamtprozess zuzuweisen, das hält ABDA-Pressesprecher Kern für einen Systembruch. Sowohl Schmidt als auch Kern sind überzeugt, dass das so nicht gewollt ist: „Das ist einfach nicht zu Ende gedacht!“ Das Gesetz sei sicher nicht aus der Perspektive „Wie funktioniert AMTS im Zusammenspiel der Leistungserbringer?“ gemacht worden, vermutet Schmidt. Es sei einfach ein „Telematikbeschleunigungsgesetz“ mit dem Zweck, dass endlich losgelegt werde. Die Koordinierungsgruppe „Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)“ arbeite bereits an einem Positionspapier zur Zusammenarbeit von Ärzte- und Apothekerschaft im Bereich AMTS, so dass das E-Health-Gesetz letztlich hinter diesen Konsens zurückfällt.

Allerdings ist für Schmidt auch klar: ein Medikationsplan macht nur Sinn, wenn er vollständig ist. Je aktueller und umfassender der Plan ist, umso mehr kann der Apotheker schon heute zur Arzneimitteltherapiesicherheit beitragen. Doch Schmidt machte deutlich: „Das ist mit einem Aufwand verbunden, der nicht mehr im Rahmen der nach § 20 Apothekenbetriebsordnung geschuldeten Abgabeberatung zu leisten ist. Wer glaubt, die Apotheker werden im Rahmen ihrer Beratung diese Analyseaufgabe kostenlos übernehmen und zum Schluss aus ethischer Verantwortung mitmachen, der täuscht sich.“ Schmidt ist sich allerdings sicher, dass dies auch den ­gesetzlichen Kassen klar ist.

BMG twittert Honorar-Signal

Die Kritik der ABDA-Spitze und die Verstimmung vieler Apotheker über die Nebenrolle der Pharmazeuten beim neuen Medikationsplan lässt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) offenbar nicht unbeeindruckt. Auf dem Kurznachrichten-Portal Twitter reagierte das Ministerium am 3. Juni in zwei aufeinander folgenden Einträgen auf die zum Auftakt des Meraner Pharmacon von BAK-Präsident Andreas Kiefer als „Etikettenschwindel“ formulierte Kritik. Wörtlich heißt es dort: „Sobald die Telematik-Infrastruktur aufgebaut ist, können Apotheker in den Medikationsplan eintragen und Vergütungsvereinbarungen dafür treffen“. Als Hinweis auf eine noch mögliche Änderung im E-Health-Gesetzentwurf ist dies allerdings nicht zu interpretieren: An der Haltung des BMG zur Rolle der Apotheker beim zunächst schriftlichen Medikationsplan ändert dies nichts. Auf DAZ-Nachfrage hatte das BMG einen Honoraranspruch der Apotheker für ihre Assistentenrolle mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass dies mit dem normalem Apothekenhonorar bereits abgegolten sei. In einem zweiten Schritt bei der Übertragung des Medikationsplanes auf die elektronische Gesundheitskarte (eGK) könne dann zwischen den Beteiligten, insbesondere zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband (DAV), auch über eine Extra-Vergütung für die Apotheker verhandelt werden, so das BMG Mitte letzter Woche.

Auf erneute DAZ.online-Nachfrage präzisierte das BMG am 5. Juni seine Aussage wie folgt: „Sobald die Telematik-Infrastruktur aufgebaut ist, sollen Apotheker, genauso wie Ärzte auch, Eintragungen in den Medikationsplan vornehmen können. Gesetzliche Regelungen zu Vergütungsvereinbarungen sind dafür bereits in § 291 a SGB V vorhanden. Da dies in einigen Apotheker-Medien nicht vollständig wiedergegeben wurde, erhielten wir über soziale Medien entsprechende Anfragen von Apothekern. Daher haben wir auch auf diesen Kanälen geantwortet.“

„Das Honorarsystem muss reformiert werden!“

Gleichzeitig erklärte Schmidt, dass das derzeitige Honorarsystem große Mängel hat. Zwar habe man 2004 einen entscheidenden Schritt in Richtung frei­berufliche Gebührenordnung unternommen, sei aber in der Welt noch nicht angekommen: „Wir müssen dieses Honorarsystem vollenden. Aber wir müssen auch feststellen, dass das System in sich nicht richtig funktioniert. Es gibt keinen Weg, die Gebührentat­bestände angemessen anzupassen. Das ist nicht nur die Frage nach einer regelmäßigen Überprüfung. Auch die Methodik zur Berechnung der angemessenen Vergütung der apothekerlichen Leistung ist nicht ordentlich definiert.“ Mit dem Anliegen, einen Rechtsanspruch auf regelmäßige Überprüfung bereits im GKV-VSG unterzubringen, ist die ABDA nicht durchgedrungen. Als besondere Herausforderung sieht Schmidt es deshalb weiterhin an, das Honorarsystem zu reformieren und sich aus der Abhängigkeit der Politik zu lösen. Unabhängig von allen derzeit laufenden Gesetzesvorhaben strebt Schmidt daher im nächsten Jahr eine Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung an. In diesem Jahr will er jedoch die Forderungen aufrechterhalten, die seit einem Jahr vorgetragen werden, vor allem die Erhöhung der Rezepturpreise durch Berücksichtigung der Beratungsleistung, die Anpassung der BtM-Dokumentationsgebühr und des Nacht- und Notdienstfonds. „Diese Anliegen tragen wir unverändert immer wieder vor!“, unterstrich Schmidt. Zwischenzeitlich soll die Reformierung der Honorierung vorangetrieben und nach Möglichkeit in einen eigenen gesetzgeberischen Prozess eingebracht werden. Schmidt: „Da muss man argumentieren, Defizite aufzeigen, gute Vorschläge machen, den Interessen­ausgleich innerhalb der Apothekerschaft herbeiführen. Das ist ein relativ großes Projekt, das definitiv nicht als Änderungsbegehren an ein anderes Gesetzgebungsverfahren angehängt werden kann!“

Mit attraktiverem Beruf gegen Personalnot

Wenn Apotheker zusätzlich neue Leistungen erbringen sollen, muss dazu auch genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung stehen. Doch schon jetzt klagen Apotheker immer wieder über Personalmangel. Für Schmidt ist klar, dass die Aufgaben in der Apotheke eher zu- denn abnehmen werden. Auch mit der Intellektualisierung der Aufgaben, Stichworte Klinische Pharmazie, Medikationsanalyse und -management, stoße man an die Decke des Personals. Auf der anderen Seite sieht Schmidt aber auch, dass sich der Kampf um gutes Personal nicht auf die Apotheke beschränkt und man im Wettbewerb mit anderen Berufen und Studiengängen stehe. Schmidt ist jedoch überzeugt: „Wir initiieren eine Entwicklung, die geeignet ist, das Interesse an unserem Beruf zu stärken.“ Insbesondere die stärkere wissenschaftliche und fach­liche Ausrichtung werde im Wettstreit um Hochschulabsolventen helfen, das Nachwuchs- und Personalproblem zu reduzieren. |

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