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Eine Bankrotterklärung

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Die ABDA hat zur geplanten Erweiterung der G-BA-Substitutionsausschlussliste Stellung genommen (s. unter der Rubrik DAZ aktuell „ABDA will noch mehr Austauschverbote“). Doch wer gehofft hat, dass sich unsere Berufsvertretung vor dem Hintergrund der apothekerlichen Kompetenz und den verheerenden Erfahrungen mit nicht lieferbarem und nicht substituierbarem L-Thyroxin vehement gegen Austauschverbote aussprechen wird, wurde bitter enttäuscht. Stattdessen muss er resigniert zur Kenntnis nehmen, dass der ABDA an vielen Stellen die Erweiterung der Substitutionsausschlussliste nicht weit genug geht. Denn unsere Berufsvertretung wünscht, dass nicht nur Retardtabletten, sondern alle modifiziert freisetzenden Formen von Oxycodon, Carbamazepin und Valproinsäure mit einem Austauschverbot belegt werden.

In der Tat ist aus pharmazeutischer Sicht sehr gut zu begründen, dass von einer Substitution unterschiedlicher modifiziert freisetzender Darreichungsformen Abstand genommen wird. Aber es kann auch im Einzelfall sinnvoll sein, einen Austausch vorzunehmen – und das nicht nur im Notfall. Hinzu kommt, dass oft genug Generika mit modifizierter Freisetzung aus dem gleichen Topf wie das Original kommen – und auch Generika unterschiedlicher Hersteller können bezüglich ihrer Spezifikation identisch sein. Nur leider besteht keine Verpflichtung für die Hersteller, die Präparate entsprechend zu kennzeichnen. Bevor also ein generelles Austauschverbot gefordert wird, sollten wir Apotheker darauf bestehen, dass hier für die notwendige Transparenz gesorgt wird. Ein Substitutionsverbot würde sich in vielen Fällen erübrigen.

In allen anderen Fällen würde das Anmelden pharmazeutischer Bedenken vollkommen ausreichen! Doch unsere Berufsvertretung scheint ihren Kollegen nicht zuzutrauen, dass sie mit pharmazeutischen Bedenken zum Wohle der Patienten umgehen können. Sicher haben viele Kollegen in der Vergangenheit von diesem Instrument aus Angst vor Retaxationen nicht ausreichend Gebrauch gemacht. Doch das Problem mit Austauschverboten zu lösen, kippt das Kind mit dem Bade aus. Solche Verbote sind weder im Interesse der Patienten noch werden sie unserer pharmazeutischen Kompetenz gerecht.

Eine aus Apothekersicht ganz einfache Lösung wäre eine Liste von kritischen Arzneimitteln, die von einer Pflicht zur Substitution ausgenommen sind, ergänzt um die Verpflichtung für Hersteller, offenzulegen, welche Generika und Originalpräparate sich in ihrer Spezifikation entsprechen. Das würde den Apothekern mehr Schutz vor Retaxierungen, den Ärzten mehr Schutz vor Regressen und den Patienten mehr Versorgungssicherheit geben. Solche Regelungen dürften zwar der Industrie nicht unbedingt gefallen, doch das kann nicht das Problem der ABDA sein. Sie ist als Berufsvertretung einzig und ­allein den Apothekern verpflichtet.

Zudem kann es nicht sein, dass Prof. Dr. ­Martin Schulz, ABDA-Geschäftsführer für den Bereich Arzneimittel, eine Mitgliedschaft im G-BA unter anderem mit der Begründung ablehnt, dass man dann die Beschlüsse nicht mehr kritisieren könne und jetzt eine ABDA-Stellungnahme zu einem G-BA-Beschluss abgegeben wird, die die Interessen der Apotheker derart verrät. Eine Aufhebung des Austauschverbots bei Nicht-Verfügbarkeit im Not- und Akutfall zu verlangen, ist ebenso pure Kosmetik wie die Forderung, importierte Arzneimittel und ­deren Bezugsarzneimittel vom Substitutionsverbot auszunehmen. Änderungen wegen Problemen bei der Umsetzbarkeit in der Apothekensoftware zu fordern, ist für unseren Berufsstand unwürdig, ein Austauschverbot von Phenprocoumon zu begrüßen, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Apotheker, die tagtäglich mit nicht lieferbaren Arzneimitteln kämpfen müssen – und die Forderung nach einer Erweiterung der Liste um modifizierte Darreichungsformen eine Bankrott­erklärung in Sachen pharmazeutischer Kompetenz.


Dr. Doris Uhl


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