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Wie kam es zur Neubewertung der Daten zur ellaOne®, was führte zur Streichung der Kontraindikation „Schwangerschaft“ und wird der Hersteller für die „Pille danach“ werben? Diese und andere Fragen zum OTC-Switch von ellaOne® ­haben wir Klaus Czort, dem Geschäftsführer des Zulassungs­inhabers HRA Pharma gestellt.

„Von Heilberuflern erwarte ich Fingerspitzengefühl“

DAZ: Einer der wesentlichen Änderungen bei der ellaOne®, die ja auch mit ausschlaggebend für den OTC-Switch war, ist der Wegfall der Kontraindikation „Schwangerschaft“. Wie kam es zu der Neubewertung der Daten und welche Daten sind dort eingeflossen?

Czort: Die Neubewertung der Daten geschieht zum einen turnusmäßig. Wir sind als Zulassungsinhaber verpflichtet, regelmäßig unsere Pharmakovigilanzdaten einzureichen. Des Weiteren wurden im Zusammenhang mit dem Antrag auf Rezeptfreiheit neue Daten angefragt, außerdem gibt es teilweise Studiendaten. Es laufen einige kleinere Studien, zum Beispiel, um die Altersfrage, also die Anwendung bei jüngeren Frauen und Mädchen abzuklären. Die Pharmakovigilanzdaten, die in die Neubewertung eingeflossen sind, basieren inzwischen auf drei Millionen Anwendungen. In dem Kontext, auf dem die Entscheidung des Humanarzneimittelausschusses der EMA (CHMP) für die Streichung der Kontraindikation und somit für den Switch basiert, sind 568 Schwangerschaften analysiert worden. Mit dem Ergebnis, dass die Rate an Fehlgeburten und ektopen Schwangerschaften im Normbereich oder sogar drunter liegt. Es ist ja nicht der Fall, dass es zum Zeitpunkt der Zulassung Hinweise auf eine abortive oder teratogene Wirkung gab. Die Studiendaten waren aber nicht ausreichend, dies zweifelsfrei zu widerlegen, dazu war die ­Kohorte bei den Zulassungsstudien mit 4400 Anwendungen zu klein. Jetzt mit den Anwendungsdaten aus fünf Jahren ist dies möglich.

DAZ: Man hat den Eindruck, dass zumindest für Einige die Freigabe sehr überraschend kam. Derzeit scheint man sich an mehreren Stellen uneins darüber zu sein, ob eine Änderung der AMVV im Vorfeld zwingend notwendig ist. Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Czort: Wir empfehlen eine rezeptfreie Abgabe von unserer Seite aus derzeit noch nicht, da wir dies viel lieber im Einklang mit dem BMG tun würden. Nach unserer Einschätzung der Rechtslage ist der Apotheker aber bereits dazu berechtigt. Wir hoffen, dass die nächsten Tage diesbezüglich Klärung bzw. Anerkennung und Kommunikation seitens des BMG bringen werden, denn dies wäre für alle Involvierten die beste Lösung. Wir bei HRA sind bestens vorbereitet und würden die Gunst der überraschend frühzeitigen EU-Entscheidung gerne nutzen, bevor möglicherweise Generikahersteller mit Levonorgestrel-haltigen Präparaten in einen Kampf um Marktanteile über den Preis einsteigen würden. Denn einerseits glauben wir, dass Notfallverhütung nicht „über den Preis“ attraktiv gemacht werden sollte, sondern über die Wirksamkeit bzw. Sicherheit. Dementsprechend würden wir gerne ellaOne® als das sicherere Notfallverhütungspräparat, welches von den gynäkologischen Fachorganisationen daher auch als Standard in der Notfallkontrazeption bezeichnet wird, auch als solches positionieren. Und andererseits sind wir die einzige Firma in Deutschland, welche seit Jahren nennenswerte Investitionen in Forschung, Entwicklung und Kompetenzaufbau bezüglich Notfallverhütung tätigt, was durch einen zeitlichen Vorsprung in gewisser Weise gewürdigt werden könnte.

DAZ: Halten Sie einen Sonderstatus beispielsweise in Form einer klaren Altersgrenze oder einer verpflichtenden Dokumentation für die „Pille danach“ für erforderlich?

Czort: Hinsichtlich des Alters würde ich von Angehörigen eines akademischen Heilberufs das nötige Fingerspitzengefühl erwarten. Die Aussage der Packungsbeilage „ellaOne® ist für alle Frauen im gebährfähigen ­Alter einschließlich Jugendlicher geeignet“ halte ich diesbezüglich für völlig ausreichend. Eine verpflichtende Dokumentation der Beratung ist in meinen Augen zu kompliziert.

DAZ: Planen Sie ellaOne® zu be­werben?

Czort: Endverbraucherwerbung im großen Stil ist nicht geplant. Wir werden im Internet Präsenz zeigen, aber das ist dann eher responsiv. Dort wird nach Informationen gesucht, also werden wir sie dort auch anbieten. Unsere Werbe- und Fortbildungsbudgets gehen aber zu ganz großen Anteilen in die Apotheke.

DAZ: Der Preis wäre, zumindest nach derzeitiger Rechtslage frei kalkulierbar. Erwarten Sie, dass sich die Apotheker einen Preiskampf liefern, wie wir es bei anderen OTCs zum Teil sehen?

Czort: Wäre möglich, glaube ich aber nicht. Wir sind bestrebt, die Preise etwa in dem Bereich zu halten, wo sie sind, um es darüber nicht zu attraktiv zu machen. Es soll Notfallkontrazeption bleiben, die man – wenn überhaupt – einmal im Leben in Anspruch nimmt und dann spielt der Preis auch keine große Rolle. Die „Pille danach“ über den Preis attraktiv zu machen, ist genau der falsche Weg.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch.

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