Arzneimittel und Therapie

Eine brisante Kombination

Antidepressiva plus NSAR können das Risiko für Gehirnblutungen erhöhen

Sowohl Antidepressiva als auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) können das Blutungsrisiko erhöhen. Nicht selten werden diese beiden Arzneistoffgruppen gleichzeitig eingenommen. Nun ging eine koreanische Forschergruppe der Frage nach, ob das Risiko für intrakranielle Blutungen durch gleichzeitige Einnahme der beiden Substanzen erhöht ist.

Die Anzahl der verordneten Antidepressiva steigt weltweit. Als Nebenwirkung von Antidepressiva, vor allem von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI), ist unter anderem eine erhöhte Blutungsgefahr beschrieben. Das Risiko von Blutungen trifft auch auf eine andere, breit eingesetzte Arzneistoffgruppe zu: die nicht-steroidalen Antirheumatika. Bisher wurde für keine der beiden Substanzgruppen ein erhöhtes Risiko für Gehirnblutungen beobachtet. Inwiefern aber eine Kombination von beiden das Gehirnblutungs-Risiko erhöhen könnte, wurde nun im Rahmen einer nationalen, retrospektiven Kohortenstudie in Korea untersucht.

Dabei wurden Patienten eingeschlossen, die erstmals Antidepressiva einnahmen – und zwar nicht nur SSRI, sondern Antidepressiva verschiedener Substanzklassen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit zerebrovaskulären Erkrankungen. Als Zielparameter wurde die Zeit bis zur Hospitalisierung aufgrund einer Gehirnblutung innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Antidepressiva-Einnahme definiert. Dabei wurden Patienten unter ausschließlicher Antidepressiva-Einnahme mit Patienten mit Antidepressiva- und gleichzeitiger NSAR-Einnahme mittels Propensity Score 1 : 1 gematcht. Insgesamt wurden über vier Millionen Patienten in die finale Kohorte eingeschlossen.

Mehr Gehirnblutungen durch Kombination

Das intrakranielle Blutungsrisiko innerhalb von 30 Tagen nach Einnahmebeginn war in der Antidepressiva- plus NSAR-Gruppe höher als unter ausschließlicher Einnahme von Antidepressiva (hazard ratio: 1,6). Dabei wurden zwischen den unterschiedlichen Antidepressiva-Gruppen keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Die zentrale Aussage der Studie bleibt somit, dass die gleichzeitige Einnahme von Antidepressiva und NSAR mit einem erhöhten Risiko für Gehirnblutungen einhergeht.

Serotonin (5-HT) aus den intrazellulären Vesikeln verstärkt die Thrombozytenaggregation. Hemmstoffe des Serotonin-Transporters (SERT) vermindern die Aufnahme in den Thrombozyt, und 5-HT2A-Hemmstoffe blockieren die Freisetzung aus den Vesikeln. Es resultiert eine erhöhte Blutungsgefahr als Folge einer verminderten Thrombozytenaggregation (nach T. Herdegen: Pharmako-logisch! UPDATE: Depression und Antidepressiva; DAZ 2015, Nr. 10, S. 51).

Komorbidität nicht unterschätzen

Die Brisanz dieser Studienergebnisse wird deutlich, wenn man bedenkt, wie häufig beide Arzneistoffgruppen eingesetzt werden. Einerseits hat die Verordnung von Antidepressiva in den letzten Jahren deutlich zugenommen, wobei weiterhin ein Anstieg der Verordnungen zu erwarten ist. Andererseits werden auch NSAR bekanntlich sehr häufig verordnet. Daneben ist die Komorbidität von Depressionen und Schmerzen nicht zu unterschätzen: 65% der Patienten mit Depressionen leiden gleichzeitig unter chronischen Schmerzen.

Risikofaktor OTC-Schmerzmittel

Ein weiterer nicht unwesentlicher Faktor ist die Tatsache, dass NSAR zum Teil auch rezeptfrei erhältlich sind. OTC-Schmerzmittel sollten zwar nur zur kurzfristigen Schmerztherapie eingesetzt werden. So wird in der Regel eine Anwendungsdauer von maximal drei Tagen am Stück und eine Einnahme an nicht mehr als zehn Tagen im Monat empfohlen.

Dennoch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass in der vorliegenden Studie das Blutungsrisiko bereits während der ersten 30 Tage der gleichzeitigen Einnahme von Antidepressiva und NSAR erhöht war – wobei Männer besonders gefährdet zu sein schienen und kein signifikanter Unterschied zwischen den unterschiedlichen antidepressiven Wirkstoffklassen bestand. Patienten, die Antidepressiva und NSAR gemeinsam einnehmen, sollten daher insbesondere zu Beginn der Behandlung besonders sensibel hinsichtlich des Auftretens von Symptomen einer Hirnblutung sein (siehe Kasten „Intrakranielle Blutungen“). |

Intrakranielle Blutungen

Hirnblutungen sind immer ein medizinischer Notfall. Durch den Druck, den der Bluterguss auf das Hirngewebe ausübt, kann es zu Funktionsstörungen im betroffenen Gebiet und schließlich zum Untergang des Hirngewebes (hämorrhagischer Infarkt) bis hin zum Tod kommen. Daher ist schnelles Handeln angezeigt. Die Symptomatik hängt von der Lokalisation der Blutung ab. Folgende Beschwerden können Anzeichen für eine Hirnblutung sein:

  • plötzlich auftretende, starke Kopfschmerzen;
  • starke Nackenschmerzen;
  • Übelkeit und Erbrechen;
  • neurologische Ausfälle ähnlich wie bei einem Schlaganfall: Sprachstörungen, einseitige Lähmungen;
  • Seh- und Bewusstseins­störungen.

Quellen

Mercer SW et al. Risk of intracranial haemorrhage linked to co-treatment with antidepressants and NSAIDs. BMJ 2015; 351:h3745. doi: 10.1136/bmj.h3745

Shin J-Y et al. Risk of intracranial haemorrhage in antidepressant users with concurrent use of non-steroidal anti-inflammatory drugs: nationwide propensity score matched study. BMJ 2015; 351:h3517. doi: 10.1136/bmj.h3517

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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