Komplementäre Therapien

P wie Pflüger und persönlich

Warum Schüßler-Salze boomen – Zu Besuch bei der Firma Pflüger

Fotos: Pflüger / H. Salzmann
Von Peter Ditzel | Seit 1949 stellt das Homöopathische Laboratorium A. Pflüger in Rheda-Wiedenbrück Schüßler-Salze und Homöopathika her. Vor allem Schüßler-Salze werden seit einigen Jahren verstärkt nachgefragt. Wir besuchten das Unternehmen Pflüger und fragten Firmeninhaber Horst Pflüger und Geschäftsführerin Astrid­ Kipp, wie sie sich die Renaissance der Schüßler-Salze erklären. Werfen sie mit uns einen Blick hinter die Kulissen eines inhabergeführten pharmazeutischen Unternehmens.

„Schüßler-Salze von Pflüger“ – vielleicht hat auch dieser Werbeslogan und die personifizierte Werbung mit Horst Pflüger selbst dazu beigetragen, dass sich die biochemischen Funktionsmittel steigender Beliebtheit erfreuen. Wenn die Werbung einen freundlichen Herrn mittleren Alters zeigt, mit Schnurrbart, weißem Hemd und beigefarbenem Pulli, in diesem Fall also den Chef selbst, der hinter seinem Produkt steht und es in der Werbung persönlich empfiehlt, dann, so suggeriert dieses Bild, kann man auf dieses Produkt vertrauen. Ob dies zum Erfolg seiner Schüßler-Salze beigetragen hat, weiß Horst Pflüger nicht. Astrid Kipp, Geschäftsführerin bei Pflüger, betont: „Wir wollten mit der Werbung durchaus zeigen, dass wir persönlich, mit einem Gesicht, hinter unseren Produkten stehen.“

Horst Pflüger führt das gestiegene Interesse an der biochemischen Heilweise des Arztes Wilhelm Heinrich Schüßler und den nach ihm benannten biochemischen Funktionsmitteln auf andere Faktoren zurück. „Vor etwa 15 oder 20 Jahren haben einige Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz das Thema Schüßler-Salze neu aufbereitet und moderner verpackt“, erinnert sich der Firmeninhaber, „sie machten beispielsweise die Antlitz-Analyse populär, mit deren Hilfe äußere Anzeichen einem bestimmten Mittel zugeordnet werden können.“ Außerdem dürften auch die überschaubare Zahl der Funktionsmittel, das einfache Therapiekonzept, mit dem auch Laien gut zurechtkommen, und nicht zuletzt die Natürlichkeit der anorganischen Salze zur Popularität der Schüßler-Salze beigetragen haben. Astrid Kipp: „Das Schüßler-Konzept passt sehr gut zum Thema Prävention. Schüßler-Salze sind daher auch für Apotheken ein interessantes Thema geworden. PTAs und Apotheker können sich auf diesem Gebiet rasch fortbilden und zum Beispiel eine Zusatzausbildung zum Mineralstoffberater absolvieren. Apotheken können ihren Kunden auf diese Weise einen Mehrwert bieten.“ Und Horst Pflüger fügt hinzu: „Natürlich hat auch ein Wandel stattgefunden: In früheren Zeiten bestand das homöopathische Sortiment zu einem überwiegenden Teil aus flüssigen Zubereitungen, die Tropfenform herrschte vor. Nach und nach setzten sich dann aber die festen Darreichungsformen, insbesondere die Tabletten, durch. Die Schüßler-Salze liegen da voll im Trend.“

Der Firmensitz des inhabergeführten Unternehmens befindet sich in Rheda-Wiedenbrück.

Die Idee mit der Nummer

Um das System der Schüßler-Salze, die Einteilung in zwölf Funktionsmittel und weitere 15 Ergänzungsmittel, für den Laien überschaubar zu halten, überlegte sich Pflüger einige einfache, aber wirkungsvolle Schritte. „Experten sprechen die Schüßler-Salze nur mit Nummern an. Wir überlegten uns: Wenn die Nummer so wichtig ist, warum stempeln wir die Nummern nicht auf die Tabletten? Warum drucken wir sie nicht in größerer Schrift auf die Packung?“ so Pflüger. 2006 wurde die Packung neu gestaltet, die Nummer groß auf die Packung gedruckt. Seit 2009 wird die Nummer auch auf die Tablette gestempelt. „Darüber hinaus haben wir 2009 das Schüßler-Sortiment erweitert, es kamen die halbfesten Darreichungsformen, die Cremes und Lotionen, hinzu.“

Heute sind Schüßler-Salze von Pflüger die Nummer 1 im Markt, jedenfalls was die Stückzahl der verkauften Tabletten betrifft. Jährlich werden 1,5 Milliarden Tabletten gepresst. „Darauf wollen wir uns natürlich nicht ausruhen. Wir haben ja auch noch hervorragende homöopathische Komplexmittel, die noch nicht so bekannt sind wie unsere Schüßler-Salze. Das soll sich ändern “, blickt Pflüger in die Zukunft. „Erst im letzten Jahr erfuhr das Komplexmittel Ranocalcin einen Relaunch, ein Mittel, das vor allem bei Schwächezuständen des Stütz- und Bindegewebes und der Knochen angewendet wird und selbst für Kinder geeignet ist“, berichtet Geschäftsführerin Kipp. „Viele unserer Arzneimittel haben eine zugelassene Kinderdosierung. Selbst wenn es nicht einfach ist, Zulassungen für Kinder zu bekommen, es ist die richtige Entscheidung, darauf hinzuwirken.“

Als Erleichterung für die Selbstmedikation sieht Horst Pflüger einen weiteren Schritt, den er in seinem Unternehmen vorangetrieben hat: „Da bei registrierten Präparaten keine Indikationen auf den Packungen ausgewiesen sein dürfen, haben wir uns entschlossen, den größten Teil der homöopathischen Präparate mit einer Indikation zuzulassen. Bei komplex zusammengesetzten Präparaten erweist es sich nach unserer Auffassung als Problem, wenn man nicht auf die Packung schreiben darf, wofür oder wogegen das Arzneimittel eingesetzt wird. Dabei haben wir – in Vorbereitung auf die Zulassung – unsere Komplex-Homöopathika kritisch betrachtet, jeden einzelnen Inhaltsstoff hinterfragt, ob er sinnvoll ist für die jeweilige Indikation oder nicht und ihn gegebenenfalls aus der Zusammensetzung genommen. Es war der richtige Schritt: Es ist einfach besser, wenn man dem Patienten und dem Apotheker eine klare Indikation an die Hand geben kann. Das hat sich für die Selbstmedikation bewährt.“

Wenn aus der Not eine Geschäftsidee wird

Der Anstoß für die Familie Pflüger, sich mit der Arzneimittelherstellung zu befassen, kam von Georg Pflüger, dem Großvater des heutigen Firmeninhabers. Georg Pflüger war Heilpraktiker, er hatte schon in den dreißiger Jahren ein Rezepturbuch veröffentlicht, das die Zutaten der Komplexmittel enthielt. Unter Heilpraktikern war das Büchlein eine begehrte Lektüre. Sein Sohn Alexander, der Vater des heutigen Firmeninhabers, hätte am liebsten eine Ausbildung bei ihm gemacht. Aber er musste feststellen, dass in der Nachkriegszeit die Urtinkturen Mangelware waren. Und so zog er selbst los, sammelte Pflanzen und stellte Urtinkturen her. Das brachte ihn auf die Idee, eine pharmazeutische Produktion aufzubauen. Befreundete Heilpraktiker der Familie stellten die Komponenten für die homöopathischen Komplexmittel zusammen. Und so legte Alexander Pflüger am 1. Januar 1949 in Wiedenbrück den Grundstein für das Homöopathische Laboratorium. Im Privathaus der Familie Pflüger begann mit nur einer Handvoll von Mitarbeitern die Fertigung homöopathischer Komplexmittel und vor allem von Schüßler-Salzen.

„Mein Vater Alexander überredete mich, Pharmazie zu studieren“, erinnert sich der heutige Inhaber Horst Pflüger, „bereut habe ich es nicht, Pharmazie ist ein grandioses Studium.“ Im Januar 1977 steigt er in den väterlichen Betrieb ein, um ihn wenig später zu übernehmen. Für den jungen Apotheker ist sofort klar: Der Standort Wiedenbrück ist räumlich nicht mehr ausbaufähig, und er beginnt, die Produktionsstätte von Wiedenbrück nach Rheda zu verlegen – „eine wichtige und die richtige Entscheidung, wie sich schon bald zeigte“, bekräftigt er, „am alten Standort wäre keine Expansion mehr möglich gewesen.“ Nach und nach werden Lagerhallen und Produktionsgebäude errichtet. „Eine spannende Zeit für mich als junger Apotheker“, so Horst Pflüger, „wir hatten kaum Ahnung, wie man ein pharmazeutisches Werk aufbaut. Also sind wir über Land gefahren und haben uns zusammen mit Architekten pharmazeutische Betriebe angesehen. Und dann haben wir angefangen zu bauen.“

Mittlerweile ist viel Erfahrung vorhanden, einige Bereiche wurden schon mehrmals umgebaut, neue Anforderungen, neue Erkenntnisse machten dies notwendig. Ganz abgesehen davon, dass in den letzten Jahren auch die Gedanken zur Nachhaltigkeit, zur Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit bei den Planungen berücksichtigt werden. So wird das Werk in Rheda heute mit geothermischer Energie versorgt, eine Photovoltaik-Anlage erzeugt elektrischen Strom.

Horst Pflüger, Apotheker und Firmeninhaber setzt auf gesundes Wachstum, nicht auf Umsatz um jeden Preis.

Von Hand wird nichts geschüttelt

Klar, Schüßler-Salze sind ein Schwerpunkt im Produkt-Portfolio. Darüber hinaus stellt Pflüger damals wie heute homöopathische Komplexmittel in verschiedenen Darreichungsformen her. „Durch den Prozess der Nachzulassung wurde das eine oder andere Mittel schon mal aus dem Sortiment genommen oder in seiner Zusammensetzung geändert. Aber im Großen und Ganzen ist das Sortiment so umfangreich wie damals“, berichtet Pflüger, „wir führen heute rund 160 Produkte im Sortiment.“

Wird heute noch per Hand geschüttelt, potenziert und verrieben? „Nein“, erklärt Apotheker Pflüger die moderne Ausrichtung seines Unternehmens. „ Wir setzen auf maschinelle und validierte Prozesse. Das Ergebnis des Potenzierens, der Informationsübertragung auf die Wassermoleküle, dürfte wohl unterschiedlich ausfallen, wenn dies das eine Mal durch einen kräftigen, ein anderes Mal durch einen eher schwächeren Menschen vorgenommen wird“, erklärt er seine Überlegungen. Ihm sind da standardisierte und maschinelle Abläufe lieber: „Unser Anliegen war es immer, homöopathische Arzneimittel so herzustellen, dass sie heutigen Wertmaßstäben voll entsprechen, aber selbstverständlich auch die Vorschriften des Homöopathischen Arzneibuchs erfüllen.

Astrid Kipp, Apothekerin und Geschäftsführerin: „Wir wollen zeigen, dass wir persönlich hinter unseren Produkten stehen.“

Ein eigener Garten

Die Mineralstoffe und sonstigen chemischen Stoffe, die zur Herstellung der Präparate benötigt werden, bezieht das Unternehmen von Lieferanten, die die Stoffe zum Teil eigens für Pflüger herstellen, „die Ausgangssubstanzen haben den höchsten Reinheitsgrad“, so Pflüger.

Die pflanzlichen Ausgangsstoffe werden dagegen nur zum Teil eingekauft, etwa die Hälfte der Pflanzen wird im eigenen Garten angebaut. Geschäftsführerin Astrid Kipp: „Wir haben einen Heilpflanzengarten auf dem ehemaligen Firmengelände in Wiedenbrück angelegt, wo unser Gärtner einheimische Heilpflanzen anbaut und erntet. Rund 50 Prozent unseres Bedarfs können wir daraus schon decken.“ – „Das bietet sich sogar an“, fügt Horst Pflüger hinzu, „da wir von vielen Pflanzen keine großen Mengen benötigen; wir bewegen uns hier im Bereich von ein bis zwei Kilo. Außerdem ist die Qualität der Pflanzen viel besser, wenn wir sie vor Ort ernten können, sie sind frisch, es gibt keine langen Lieferwege. So können wir bei jedem Herstellungsschritt selbst Hand anlegen, vom Anbau bis zum Endprodukt – das hat seine Vorteile. Nur rund zehn Prozent unserer benötigten Pflanzen kommt aus Nordamerika, es sind Pflanzen, die bei uns nicht wachsen. Hier haben wir verlässliche Lieferanten.“

„Unser Vorteil: Wir sind inhabergeführt“

Der Großteil des Pflüger-Sortiments, das in erster Linie aus Tabletten und Tropfen, einigen Dermatika und Injektionspräparaten besteht, wird im Werk Rheda-Wiedenbrück hergestellt, nur wenige Produkte wie die halbfesten und die sterilen Darreichungsformen werden außerhalb in Lohn­herstellung gefertigt.

Mit einem Jahresumsatz von rund 20 Mio. Euro zählt Pflüger heute zu den führenden Herstellern homöopathischer Arzneimittel. „Wir haben den großen Vorteil“, hebt Horst Pflüger hervor, „wir müssen kein Geld an einen Mutter­konzern abführen, wir sind ein inhabergeführtes Unter­nehmen.“

Das Unternehmen beschäftigt heute rund 120 Mitarbeiter, unter ihnen fünf Apothekerinnen und Apotheker. Auch darauf ist Horst Pflüger stolz. So legt er Wert darauf, dass neben ihm mit Apothekerin Astrid Kipp eine Pharmazeutin in der Geschäftsführung seines Unternehmens arbeitet.

Boom der Schüßler-Salze? Das einfache Therapiekonzept dürfte vermutlich dazu beigetragen haben.

Er selbst hat sich heute aus dem operativen Geschäft zurückgezogen: „Irgendwann ist mal gut, obwohl: Das Unternehmen ist einem schon ans Herz gewachsen“, räumt der Firmeninhaber ein, „und wir haben noch einige Ideen für die Zukunft, die ich gerne begleiten werde.“

Eine dieser Ideen, die Pflüger in seinem Unternehmen bereits verwirklicht hat, ist ein erst Ende des vergangenen Jahres fertiggestellter Neubau: Im Erdgeschoss befindet sich ein automatisiertes Lager mit Versandstation, im ersten Stock des Gebäudes ist eine betriebliche Kindertagespflege („Ratz und Rübe“) für Kinder seiner Mitarbeiter untergebracht, außerdem befindet sich dort die Praxis zweier Heilpraktikerinnen, die auch in der medizinischen Beratung für Ärzte, Heilpraktiker und Apotheken mitarbeiten, sowie ein großer Versammlungssaal für Schulungen und Fortbildungsveranstaltungen.

1,5 Mrd. Tabletten presst Pflüger jährlich – Schüßler-Salze mit einem P und der Nummer des Funktionsmittels.

Für Apotheken, zur Philosophie, für die Zukunft

Was tut Pflüger für die Apotheke? „Wir haben einen Außendienst speziell für den Bereich der Schüßler-Salze, der die Apotheken mit Infos, Angeboten, Flyern, Broschüren und Schaufensterdekos versorgt. Außerdem bieten wir Fortbildung für PTAs und Apotheker an, hier bei uns im Haus, aber auch an anderen Orten in Deutschland, und haben ein ­E-Learning-Programm entwickelt“, erklärt Astrid Kipp das Angebot. „Die PTAs und Apotheker haben großes Interesse, ihr Wissen rund um die Schüßler-Salze zu erweitern und zu vertiefen, denn damit kann sich die Apotheke von anderen abheben, wenn sie fachlich versierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat.“

Zur Unternehmensphilosophie: „Wir wollen uns weiterentwickeln, Stillstand ist Rückschritt“, zeigt sich Horst Pflüger überzeugt. „Wir überlegen immer, ob wir etwas noch besser machen können. Allerdings nie gegen die Mitarbeiter, wir versuchen die Mitarbeiter einzubinden, sie mitzunehmen. Richtschnur ist unser Leitbild, das wir entwickelt haben. Unsere Kunden stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Wir verbinden Tradition mit Fortschritt, leben Verantwortung, Qualität und Service betrachten wir als gemeinsame Aufgabe. Wir arbeiten in Teamstrukturen, wir fördern unsere Mitarbeiter und wir gehen respektvoll untereinander und mit Geschäftspartnern um und achten die Umwelt, indem wir uns für den Erhalt der natürlichen Ressourcen einsetzen.“

Was sind die nächsten Ziele? „Wir werden unseren Betrieb erweitern, unsere Qualitätskontrolle neu bauen, auch eine neue Lagerhalle ist in der Planung“, verrät Pflüger. „Wir möchten einige unserer Produkte, die noch nicht so bekannt sind, mehr bewerben und bekannter machen. Allerdings lege ich Wert auf ein gesundes Wachstum. Umsatz um jeden Preis wollen wir nicht.“

Ein Wort zur aktuellen Gesundheitspolitik kann sich Horst Pflüger nicht verkneifen: „Dass der Apotheker beim Medikationsplan nicht stärker eingebunden ist, kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt nur einen Arzneimittelfachmann im Gesundheitswesen, und wenn es um Fachkenntnisse zum Arzneimittel geht, darf er nicht zum Zuge kommen? Das ist doch unglaublich! Zu einem kleinen Teil sind wir jedoch vielleicht selbst schuld, weil wir versäumt haben, uns als Apotheker besser im Gesundheitswesen zu positionieren.“ |

Autor

Peter Ditzel ist Herausgeber der DAZ – Deutsche Apotheker Zeitung

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