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Arzneimittel und Therapie
Sommerloch-Thema oder echte Gefahr?
Das Q-Fieber auf der Schwäbischen Alb
Man könnte meinen, es ist ein typisches Sommerloch-Thema. Nichtsdestotrotz betrifft es natürlich die Menschen vor Ort, die sich Sorgen machen, wie schlimm es denn wohl werden wird. Ohne Zweifel: Q-Fieber tritt auf und es tritt immer wieder auf. Das Robert Koch-Institut (RKI) verzeichnet in seiner Jahresstatistik für 2014 bundesweit 262 gemeldete Fälle beim Menschen, gegenüber 115 Fällen im Vorjahr – also eigentlich eine dramatische Zunahme (s. Abb. 1). Nur um einen Vergleich zu haben, registrierte das RKI 2014 z. B. unter anderem 265 Fälle einer Frühsommer-Meningoenzephalitis, 7501 Influenzafälle, 22.128 Windpockenerkrankte und 75.040 Norovirus-Infektionen.
Typischerweise ist das Q-Fieber eine Erkrankung, die überwiegend auf dem Land oder vielleicht noch in den Außenbezirken von Städten anzutreffen ist. Die Verteilung der einzelnen Fälle auf die verschiedenen Bundesländer ist recht unterschiedlich: Während in Bayern die Anzahl der Fälle 2014 im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen ist, hat sie in Schleswig-Holstein auf niedrigem Niveau noch deutlich abgenommen (Abb. 1). Mit einer Inzidenz von 0,4 gegenüber 0,3 waren Männer etwas häufiger als Frauen betroffen und in der Altersverteilung erkrankten vor allem 25- bis 59-Jährige.
Muss man sich also angesichts der doch recht überschaubaren Fallzahl überhaupt Sorgen machen? Vielleicht keine Sorgen, aber zumindest Gedanken. Denn es kann ganz anders kommen, wie sich in den Jahren 2007 bis 2010 in den Niederlanden gezeigt hat. Dort erkrankten innerhalb dieses Zeitraums 4026 Menschen, mit einem traurigen Höhepunkt mit 2354 Fällen im Jahr 2009. Das brachte die Verantwortlichen schließlich dazu, drastische Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Neben der Impfung von Ziegen- und Schafherden, dem systematischen Testen auf Bakterienbefall sowie besonderen Hygienemaßnahmen, vor allem bei der Geburt der Nachkommen, wurden in einer konzertierten Aktion 20.000 erkrankte und vorsorglich auch rund 40.000 gesunde, trächtige Ziegen geschlachtet. Danach ging auch die Anzahl der infizierten Menschen dramatisch zurück: Während im Jahr 2010 beim European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) noch 504 Erkrankungsfälle registriert wurden, waren es 2011 nur noch 80 und 2012 sogar nur 63. Allerdings befürchtet man in den Niederlanden, dass in den nächsten Jahren noch einige Folgeprobleme in Form von chronischen Erkrankungen auftauchen könnten, denn das Q-Fieber ist akut zwar meist vergleichsweise harmlos, hat aber im chronischen Verlauf seine Tücken.
Das Q-Fieber
Als Erkrankung des Menschen wurde das Q-Fieber – auf Englisch als Query-Fever bezeichnet – erstmals bei Arbeitern in Schlachtbetrieben im australischen Bundesland Queensland diagnostiziert. Das war im Jahr 1935 und brachte der Krankheit auch den Namen „Queensland-Fieber“ ein. Andere Bezeichnungen dafür sind „Krim-Fieber“, „Siebentage-Fieber“ oder irreführend auch „Balkan-Grippe“ oder „Ziegengrippe“. Im Gegensatz zur echten Grippe, die ja durch Influenza-Viren ausgelöst wird, handelt es sich bei dem infektiösen Agens des Q-Fiebers um ein Bakterium namens Coxiella burnetii. Außer in Neuseeland und in der Antarktis ist die Erkrankung weltweit verbreitet und betrifft überwiegend Paarhufer wie Rinder, Schafe und Ziegen, allerdings können auch Katzen, Hunde, Kaninchen, Pferde und Wildtiere infiziert sein. Zudem sind Läuse, Milben, Fliegen sowie Zecken Vektoren für die Bakterien.
Den infizierten Tieren ist die Krankheit meist nicht anzumerken, werden sie jedoch trächtig, wird die Infektion reaktiviert und die Erreger sind vor allem in der Gebärmutter und den Brustdrüsen nachweisbar. Dadurch kommt es häufig zu Aborten bei den betroffenen Tieren. Gerade bei der Geburt der Jungtiere besteht zudem eine große Infektionsgefahr für den Menschen. Nicht nur die Tiere, auch schwangere Frauen müssen befürchten, durch eine Infektion mit Coxiella burnetii einen Abort oder eine Frühgeburt zu erleiden und bei der Geburt ihr Kind mit den Bakterien anzustecken.
Neben dem direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Fleisch ist vor allem die Inhalation infektiösen Staubes der wesentliche Infektionsweg für den Menschen. Vor allem bei heißem, trockenem Wetter, wie es in den letzten Wochen in Deutschland auftrat, können die infektiösen Partikel mit dem Wind sehr weit getragen werden, so dass sich Menschen auch noch in einer Entfernung von bis zu 2 km von befallenen Viehherden infizieren können. Dann reicht sogar ein einziges Bakterium in der Lunge aus, um das Q-Fieber auszulösen. Entwarnung gibt das Robert Koch-Institut bezüglich einer Übertragung durch Nahrungsmittel wie Rohmilch oder Rohkäse. Im Prinzip ist das zwar möglich, bei den bisher in Deutschland beobachteten Fälle war dieser Infektionsweg allerdings nicht relevant.
Nach einer Inkubationszeit von zwei bis sechs Wochen – abhängig von der Anzahl der übertragenen infektiösen Partikel – verläuft das Q-Fieber bei ca. 60% der Betroffenen asymptomatisch oder mit milden grippeähnlichen Symptomen. Bei ca. 40% der Infizierten kommt es zu einer akuten Infektion mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen und starken Kopfschmerzen. In selteneren Fällen besteht die Gefahr einer interstitiellen Pneumonie oder einer Hepatitis, und noch seltener tritt eine Myokarditis bzw. Perikarditis oder eine Meningoenzephalitis auf. Bei etwa 1% der Infizierten kommt es zu einem chronischen Verlauf, bei dem der Erreger in verschiedenen Organen persistieren kann. Eine der schwerwiegendsten und häufigsten Folgeerkrankungen ist eine Endokarditis, die noch Jahre nach der Erstinfektion, jedoch fast nur bei vorbestehender Herzklappenerkrankung oder Immunsuppression, auftreten kann. Das Tückische an der Erkrankung ist, dass zwar eine lang andauernde Immunität erzeugt wird, allerdings können die Bakterien in Makrophagen überleben und unter bestimmten Umständen, beispielsweise bei einer Schwangerschaft, wieder reaktiviert werden.
Der Erreger
Erreger des Q-Fiebers ist das kleine, unbewegliche, gram-negative Bakterium Coxiella brunetii, das eng mit den Legionellen verwandt ist und zur Familie der Rickettsiaceae gehört. C. brunetii kann verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen. Normalerweise lebt und vermehrt es sich in Form der Large-Cell-Variante (LCV) innerhalb von Zellen, bevorzugt in Makrophagen. Allerdings existiert auch eine extrazelluläre Small-Cell-Variante (SCV), die extrem widerstandsfähig gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen ist. In dieser Form kann das Bakterium z. B. auf Staubpartikeln, Heu, Wolle oder auch an Kleidern haftend lange Zeit und weite Strecken überdauern, bis es einen neuen, geeigneten Wirt infiziert.
Als gram-negatives Bakterium präsentiert C. brunetii auf seiner Zellwand Lipopolysaccharide, die als wichtiger Virulenzfaktor identifiziert wurden. Bei Menschen und Tieren ist eine sogenannte glatte Zellvariante von C. brunetii zu finden, die die kompletten Zuckerketten enthält, die auch allgemein als O-Antigene bezeichnet werden. Diese Bakterien sind sehr infektiös und werden als Phase-I-Form bezeichnet. Passagiert man jedoch die Bakterien in Wirtszellkulturen oder befruchteten Hühnereiern, verlieren sie diese O-Antigene und wechseln zur avirulenten Phase-II-Variante, die auch als raue Zellen bezeichnet werden.
Ähnlich wie Legionellen bevorzugt C. brunetii als Wirtszellen Makrophagen und Monozyten. Daneben werden aber auch Epithel- und Endothelzellen infiziert. Das Bakterium wird über Phagozytose aufgenommen und in der Coxiella-enthaltenden Vakuole (Coxiella-containing vacuole, CCV) eingeschnürt (Abb. 2). Nach einigen Fusionen mit z. B. Lysosomen reift das CCV weiter heran, wobei es allmählich angesäuert wird. Durch spezielle Schutzmechanismen wird das Bakterium nicht durch die lysosomalen Enzyme angegriffen. Stattdessen erhält es Nährstoffe und wechselt aus dem Ruhestadium in die teilungsfähige Form. Im reifen CCV kommt es zu weiteren Zellteilungen und die LCV differenzieren sich teilweise wieder in SCV. Durch verschiedene Mechanismen kann C. brunetii einerseits das Immunsystem so unterwandern, dass unter anderem am Infektionsort keine Entzündung entsteht, andererseits verhindert es die Apoptose der befallenen Zelle. Dadurch kommt es zur chronischen Infektion.
Die Therapie
Problematisch für eine erfolgreiche Therapie ist der meist asymptomatische Verlauf der Infektion. Und selbst wenn Symptome auftreten, müssen Ärzte sie mit einer Coxiella-Infektion in Verbindung bringen. Erst dann können auch geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Bei akutem Q-Fieber sollte über zwei bis drei Wochen Doxycyclin und in speziellen Fällen zusätzlich Clarithromycin oder ein Fluorchinolon der Gruppe 3 oder 4, wie Levofloxacin oder Moxifloxacin, verabreicht werden. Liegt eine chronische Infektion vor, muss mindestens ein Jahr lang Doxycyclin in Kombination mit einem Chinolon (vorzugsweise der Gruppe 3 oder 4) oder eventuell Rifampicin eingenommen werden. Risikopersonen wie Patienten mit Herzklappenanomalien und Schwangere werden auch bei einer akuten Infektion für ein Jahr bzw. für die Dauer der Schwangerschaft therapiert, wobei schwangere Frauen jedoch mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol behandelt werden.
Fazit
Derzeit hält sich die Zahl der Q-Fieber-Fälle beim Menschen noch in Grenzen. Allerdings zeigen die 262 Infizierten, dass Q-Fieber in Deutschland bei Tieren existiert und durch entsprechende Hygienemaßnahmen möglichst in Schach gehalten werden muss. Denn das Tückische ist, dass das Q-Fieber in der akuten Infektion relativ harmlos und häufig sogar asymptomatisch ist, aber im chronischen Verlauf doch zu relevanten Schädigungen führen kann. Bisher findet eine Übertragung von Mensch zu Mensch nur bei direktem Blutkontakt statt. Deshalb war die Absage eines Dorffests wegen der Q-Fieber-Fälle vielleicht eine übertriebene Maßnahme, während die Absage eines Blutspendetermins durchaus gerechtfertigt war. Denn über Blut- oder auch Organspenden können die intrazellulär persistierenden Bakterien weitergegeben werden. Eine Testung auf einen Befall mit Coxiella brunetii ist zwar theoretisch möglich, allerdings sehr teuer und wegen der noch geringen Fallzahl nicht empfohlen. Impfstoffe für beruflich exponierte Personen existieren zwar und werden auch in einigen Ländern eingesetzt, allerdings sind sie in Deutschland nicht zugelassen. Mit Coxevac ist seit Herbst 2012 ein Impfstoff für Tiere verfügbar, der zwar gut schützt, jedoch zu einer erheblichen Leistungsminderung der Tiere führt und deshalb vermutlich nicht flächendeckend eingesetzt wird.
Es bleibt also nur, die Ausbrüche sorgfältig zu beobachten und in Zusammenarbeit mit den Veterinärmedizinern entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Jeder Einzelne kann sich dadurch schützen, bei lang anhaltendem, trockenem Wetter mit heftigen Winden ländliche Bereiche mit vielen Schafen und Ziegen zu meiden. |
Literatur
Annual epidemiological report – Emerging and vector-borne diseases 2014 http://ecdc.europa.eu
Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2014 http://www.rki.de
Jahresstatistik meldepflichtiger Krankheiten nach Bundesland, Deutschland, 2013 und 2014 http://www.rki.de
RKI-Ratgeber für Ärzte - Q-Fieber; http://www.rki.de
Schneeberger, P.M., Wintenberger, C., van der Hoek, W., Stahl, J.P.: Q fever in the Netherlands – 2007-2010: What we learned from the largest outbreak ever. Med Mal Infect 44 (2014), 339-353.
van Schaik, E.J. Chen, C., Mertens, K., Weber, M.M., Samuel, J.E.: Molecular pathogenesis of the obligate intracellular bacterium Coxiella burnetii. Nat Rev Microbiol 11 (2013), 561-573.
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