DAZ/Schelbert

Ausgebootet? 

Ein Kommentar von Klaus G. Brauer

Wenn ein Patient von verschiedenen Ärzten behandelt wird, dürfte es eher unwahrscheinlich sein, dass alle voneinander wissen, was dem Patienten verordnet wurde. Noch unwahrscheinlicher ist, dass so alle Selbstmedikationsarzneimittel erfasst werden. Das spricht dafür, die Apotheker einzubinden...

Herausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, aber die Chancen stehen schlecht – für die Apotheker, ebenso für die Patienten. Wenn Patienten, die mehr als drei Arzneimittel einzunehmen haben, im Herbst des nächsten Jahres auf Basis des ­E-Health-Gesetzes das Recht bekommen, sich von professioneller Seite einen sogenannten „Medikationsplan“ erstellen zu lassen, dann wird das höchstwahrscheinlich ganz oder weitgehend Sache der Ärzte sein. Das vorgesehene Honorar erhalten dann, logischerweise, auch die ­Ärzte. Die Apotheker dürften den „Medikationsplan“ allenfalls um OTC-Arzneimittel ergänzen. Ohne Honorierung, versteht sich. Und dass die Patienten wählen können, ob ihr Arzt oder ihr Apotheker bei der Erstellung von Medikationsliste oder Medikationsplan die Federführung übernehmen soll: auch dieser Traum scheint ausgeträumt.

Dass bei dem vorgesehenen Verfahren brauchbare Medikationspläne herauskommen, darf bezweifelt werden. Die „Medikationspläne“ im ­Sinne des E-Health-Gesetzes sind (erstens) kaum mehr als eine Auf­listung („Medikationsliste“ in der ABDA-Diktion). Erst durch eine Analyse würde daraus nach ABDA-Diktion ein brauchbarer Medikationsplan. Zweitens ist nach den Vorgaben des E-Health-Gesetzes nicht sicherzustellen, dass die Gesamtmedikation wirklich komplett erfasst wird. Die Erfahrung zeigt: Wenn ein Patient von verschiedenen Ärzten behandelt wird, dürfte es eher unwahrscheinlich sein, dass alle voneinander wissen, was dem Patienten verordnet wurde. Noch unwahrscheinlicher ist, dass so alle Selbstmedikationsarzneimittel erfasst werden. Das spricht dafür, die Apotheker einzubinden, zumal sich 88% der Patienten dazu bekennen, eine Stammapotheke zu haben, über die sie alle (oder fast alle) Arzneimittel erhalten. Die Chance, auf diesem Weg eine Aufstellung zu erhalten, die der tatsächlichen Medikation entspricht und es deshalb erlauben würde, belastbare Empfehlungen für eine Optimierung der Medikation abzuleiten, dürfte besser sein, als wenn ein einzelner Arzt die ­Liste zusammenstellt.

Andererseits wäre es eine maßlose Selbstüberschätzung der Apotheker, wenn sie glauben würden, allein (ohne Einbeziehung der behandelnden Ärzte) durch Analyse einer einfachen Medikationsliste oder eines bestehenden Medikationsplans diesen anpassen zu können, also einen optimierten Medikationsplan für den Patienten zu erstellen. Ohne Diagnose, die zu erstellen und zu verantworten allein Sache der Ärzte bleiben wird, und auch ohne Berücksichtigung von Laborparametern, wird es nicht gehen. Machen wir uns nichts vor: Flächendeckend sind wir dazu nicht oder allenfalls zum Teil (bei den ­Laborparametern) in der Lage.

Wir sollten uns deshalb hüten, Erwartungen zu schüren, an denen wir nur scheitern können. Wir sollten allerdings auch alles daran setzen, wo immer möglich aus Potenzialen Realitäten werden zu lassen. Auch wenn die Leistungen und Angebote im ABDA-Perspektivpapier „Apotheke 2030“ durchgängig im Präsens formuliert sind – sie beschreiben oftmals nicht, was schon ist, sondern auch, was bis 2030 entwickelt werden soll.

Nicht zu vergessen ist auch: Die zusätzlichen Leistungen setzen nicht nur eine angemessene Honorierung voraus. Hinzu kommt, dass es angesichts der schon heute bestehenden Personalnot nicht einfach sein wird, eine ausreichende Zahl von Pharmazeuten heranzuziehen, die für die neuen Aufgaben optimal qualifiziert sind.

Alles in allem gilt: Vernünftige Ergebnisse bei der Erstellung und Optimierung eines Medikationsplans (verstanden nach ABDA-Diktion oder im Sinn des E-Health-Gesetzes) wird man nur erzielen, wenn sich Arzt und Apotheker austauschen. Das gilt a fortiori, wenn es darum geht, bei komplizierteren Fällen im Rahmen eines Medikationsmanagements eine kontinuierliche Betreuung von Patienten sicherzustellen.

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