DAZ/Schelbert

Deutscher Apothekertag 2015

Geheim, geheimer, TTIP

Ein Kommentar von Christian Rotta

Es ist einige Zeit ins Land gezogen, bis Apothekern, Ärzten und den anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe bewusst wurde, welch weitreichenden Auswirkungen die geplanten Handelsabkommen mit den USA und Kanada CETA und TTIP für ihre Berufsausübung haben können. 

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Es ist einige Zeit ins Land gezogen, bis Apothekern, Ärzten und den anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe bewusst wurde, welch weitreichenden Auswirkungen die geplanten Handelsabkommen mit den USA und Kanada CETA und TTIP für ihre Berufsausübung haben können. Dabei bergen die Verhandlungen der EU mit Kanada und den USA nach allem, was wir bisher wissen (dürfen), für das deutsche Gesundheitssystem im Allgemeinen und die apothekenrechtlichen Rahmenbedingungen im Besonderen nach wie vor unkalkulierbare Risiken in sich. Der Ernst der Lage ist inzwischen erkannt. Bereits im letzten Jahr erteilten die Präsidenten und Vorsitzenden von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Bundeszahnärzte­kammer, Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und ABDA in einer gemeinsamen Stellungnahme den geplanten Abkommen eine bemerkenswert deutliche Absage. Auch in Düsseldorf wurde klare Kante gezeigt: Einstimmig forderten die Delegierten der Hauptversammlung in zwei Anträgen, im Gesundheitsbereich bei allen Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene auch in Zukunft die Entscheidungskompetenz den Händen des nationalen Gesetzgebers zu belassen. Ein solch eindeutiges Votum war auch deshalb angebracht und notwendig, weil die Freunde des Fremd- und Mehrbesitzes inzwischen wieder aus ihrer Deckung kommen und verstärkt Flagge zeigen. TTIP/CETA, die Deregulierungsmaximen in der „Transparenz-Initiative“ der EU-Kommission, die Normung von Gesundheitsdienstleistungen auf europäischer und internationaler Ebene und nicht zuletzt die „Ketten-Vorgaben“ der EU-Regierungschefs (einschließlich Angela Merkel) gegenüber Griechenland lassen sie wieder Morgenluft wittern. Da ihr rechtlicher Generalangriff auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Mai 2009 vor dem Europäischen Gerichtshof grandios gescheitert ist, wühlen sie jetzt auf politischer Ebene weiter. Wohin die Reise beim sogenannten Freihandelsabkommen und der „Transparenz-Initiative“ letzten Endes geht, ist nach wie vor unklar. Zwar finden sich im CETA Regelungen, wonach die in Deutschland geltenden Vorgaben zum Fremd- und Mehrbesitz von Apotheken, zur Apothekenpflicht für bestimmte Produkte und zum Markteintritt für Personen, die nicht im Inland die Zulassung zum Beruf des Apothekers erlangt haben, beibehalten werden können – sicher ist dies danach jedoch keineswegs. Und auch die Bundesregierung bleibt vage: In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen kündigte sie lediglich an, auch in TTIP entsprechende Bestimmungen anzustreben. Nichts Genaues weiß man nicht oder: Geheim, geheimer, TTIP. Nach wie vor finden die Verhandlungen zum Transatlantischen Abkommen hinter hermetisch verschlossenen Türen statt. Selbst Parlamentarier haben keinen Zugang zu den Verhandlungsdokumenten. Allein dies ist schon ein demokratietheoretischer Super-GAU. Die Enteignung der Politik und des nationalen Gesetzgebers zugunsten von Konzerninteressen und ihrer Lobbyisten spricht demokratischen Prinzipien Hohn.

Umso wichtiger ist es, jetzt am Ball zu bleiben und der perfiden Geheimhaltungsstrategie die Stirn zu bieten. Hierfür sind neue, hier und da sicherlich auch außergewöhnliche Koalitionen notwendig. Unsere Botschaft ist klar: Die Mitgliedstaaten der EU müssen in Fragen der Gesundheitspolitik und der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ihre volle Souveränität behalten. TTIP darf auf das Gesundheitswesen, ­seine Heilberufe und seine Gesundheitsdienstleistungen keine Anwendung finden. Kurzum: Der Gesundheitsschutz ist nicht verhandelbar.

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