Arzneimittel und Therapie

Keine dichteren Knochen durch Calcium?

Eine neue Metaanalyse stellt Nutzen der Calcium-Supplementierung infrage

Männern und Frauen höheren Alters wird heutzutage die diätetische Einnahme von Calcium in Mengen von mindestens 1000 – 1200 mg/Tag angeraten, um der Entstehung von Knochenbrüchen aufgrund von Osteoporose vorzubeugen. Ob diese Empfehlung tatsächlich einen positiven Einfluss auf Knochendichte und Frakturen besitzt, wurde nun in zwei Reviews analysiert.
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In westlichen Ländern entspricht die Aufnahme von Calcium mit durchschnittlich etwa 700 – 900 mg/Tag nicht den Empfehlungen internationaler Leitlinien zur Vorbeugung von Osteoporose, sodass v. a. ältere Menschen zusätzliches Calcium benötigen, um ihren täglichen Bedarf zu decken und den Schwund an Knochensubstanz auszugleichen. Dass dies durch den Verzehr besonders calciumreicher Nahrung wie Milchprodukten geschehen soll anstatt in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, darüber sind sich Experten heute einig. Klinische Studien haben gezeigt, dass Nebenwirkungen wie kardiovaskuläre Probleme, Nierensteine und Krankenhauseinweisungen aufgrund von akuten Magen-Darm-Störungen vermehrt auf die Einnahme von hochdosierten Calcium-Präparaten zurückzuführen sind.

Doch auch der Zweck der diätetisch erhöhten Calcium-Aufnahme zur Verhinderung von Knochenbrüchen im Alter wird neuerdings kritisch betrachtet.

Kein Einfluss auf Frakturrate ...

Eine systematische Untersuchung neuseeländischer Forscher zur Auswirkung auf die Rate an Knochenbrüchen bei Personen von 50 Jahren und älter ließ keine direkten Vorteile einer verstärkten Calcium-Einnahme erkennen, sei es mittels entsprechender Präparate oder über die Nahrung [1]. In Anbetracht der bereits beschriebenen Nebenwirkungen durch eine stark erhöhte Calcium-Zufuhr sehen die Autoren der Studie die Richtwerte von 1000 bis 1200 mg täglich als unzweckmäßig an, um das Frakturrisiko im Alter zu senken, sofern keine klare medizinische Indikation die Einnahme rechtfertigt.

... und Knochenmineraldichte

Der vermeintliche Mechanismus, durch welchen Calcium die Knochengesundheit steigern soll, wird auf die Erhöhung der Knochenmineraldichte zurückgeführt, die bei älteren Personen aufgrund hormoneller Veränderungen naturgemäß abnimmt. Die Knochenmineraldichte selbst gilt oft als Surrogat für das Frakturrisiko und wird in klinischen Studien genutzt, um die biologischen Effekte des Calciums zu quantifizieren. Die gleiche Forschergruppe, welche bereits den präventiven Nutzen der erhöhten Calcium-Einnahme kritisch hinterfragte, hat auch die Auswirkungen auf die Knochenmineraldichte von Personen von mindestens 50 Jahren mittels einer Metaanalyse untersucht [2]. Tatsächlich fand sich anhand der Daten aus 59 klinischen Studien eine Zunahme der Knochenmineraldichte (0,7 bis 1,8% nach 1 bis 2,5 Jahren) durch die Supplementierung mittels Nahrungsergänzungsmittel oder über eine erhöhte diätetische Calcium-Aufnahme. Diese Zunahme erschien jedoch so gering, dass sich hierdurch kein signifikanter klinischer Nutzen in der Prävention von Knochenbrüchen ableiten lässt. Die Forscher sehen daher keinen Beweis für die Wirksamkeit von hochdosiertem Calcium zur Besserung der Knochengesundheit und widersprechen damit dem derzeitigen Stand der S3-Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und postmenopausalen Frauen [3]. Diese empfiehlt eine tägliche Gesamtzufuhr von etwa 1000 mg Calcium zur Primärprophylaxe von Frakturen auch bei Personen ohne medikamentöse Behandlung der Osteoporose und unterstützt eine entsprechende Supplementierung, falls der tägliche Bedarf über die Nahrungszufuhr nicht ausreichend gedeckt wird.

Doch neben Calcium finden sich auch Empfehlungen zur ausreichenden Sonnenexposition, um die Bildung von Vitamin D zu fördern oder dieses zu supplementieren, falls nötig. Hinzu kommen auch Empfehlungen zur ausreichenden Zufuhr von Vitamin B12 und Folsäure, um das Frakturrisiko zu senken. Tatsächlich entspricht eine einseitige Betrachtung der Knochengesundheit über die alleinige Aufnahme von Calcium nicht den physiologischen Vorgängen zur Aufrechterhaltung der Knochendichte. Neben Calcium spielen die Vitamine C, K und D sowie Magnesium, Zink und Kupfer eine wichtige Rolle in der Mineralisierung von Knochen und Fixierung der Collagen-Stränge. Hinzu kommen weitere Risikofaktoren für den Abbau von Knochensubstanz, wie Bewegungsmangel und Nicotin-Konsum.

Generell sollte im Alter eine Messung der Knochenmineraldichte Aufschluss darüber geben, wie hoch das Frakturrisiko unter Einbeziehung persönlicher Risikofaktoren ist und ob eine Supplementierung mit Calcium medizinisch indiziert sein kann. Im Rahmen des Beratungsgesprächs in der Apotheke sollte zunächst darauf hingewiesen werden, dass eine sehr hohe Calcium-Aufnahme (> 2000 mg/Tag) zu keiner höheren Knochenmineraldichte führt. Viel eher ist dann mit vermehrtem Auftreten von Nebenwirkungen zu rechnen. Darüber hinaus ist eine ausgewogene Ernährung essenziell, um das Frakturrisiko im Alter zu reduzieren. Neben Milchprodukten sind vor allem Nüsse, Salate und Gemüsesorten wie Kohl und Brokkoli wichtige Lieferanten von Calcium, Magnesium, Zink und Vitamin C. Bewegung an der frischen Luft verstärkt zudem die Calcium-Einlagerung in die Knochen und erhöht die Bildung von Vitamin D in der Haut. Dagegen fördert neben Rauchen zum Beispiel auch der Verzehr von Wurstwaren aufgrund des hohen Phosphat-Gehalts die Ausscheidung von Calcium aus dem Körper und somit den Abbau der Knochendichte, weshalb diese vermieden werden sollten. |

Quellen

[1] Bolland MJ et al. (2015). „Calcium intake and risk of fracture: systematic review.“ BMJ 351.

[2] Tai V et al. (2015). „Calcium intake and bone mineral density: systematic review and meta-analysis.“ BMJ 351.

[3] http://www.dv-osteologie.org/uploads/Leitlinie%202014/DVO-Leitlinie%20Osteoporose%202014%20Kurzfassung%20und%20Langfassung%2018.%2009.%202014.pdf

Apotheker Dr. André Said, Berlin

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