Aus den Ländern

„Gelebte pharmazeutische Wissenschaft“

125 Jahre Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft – DPhG

BERLIN (diz) | Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft ist mit über 10.000 Mitgliedern eine der großen wissenschaftlichen Gesellschaften Deutschlands. Am 6. November 2015 feierte sie auf den Tag genau ihr 125-jähriges Bestehen mit einem Festakt im Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz Berlin. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gratulierte, drei Vorträge befassten sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der DPhG, und der Festvortrag ­fokussierte die pharmazeutische Forschung und Entwicklung in Deutschland.
Fotos: DAZ/diz

Grüße der ABDA überbrachte ­Präsident Friedemann Schmidt.

Er sei stolz, so der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, anlässlich des Jubiläums der DPhG sprechen und Glückwünsche überbringen zu dürfen. Man brauchte eine pharmazeutische Organisation, so Schmidt, die sich mit der Wissenschaft befasste, „die Entwicklung war nicht aufzuhalten“, zumal die bestehenden Organisationen wie z. B. der Deutsche Apothekerverein (DAV) ein solches Forum nicht bieten konnten. Der DAV habe der Gründung der DPhG sogar ablehnend gegenübergestanden, was falsch war, so Schmidt: „Die Gründung der DPhG war ein Glücksfall.“ Heute biete die Gesellschaft ihren über 10.000 Mitgliedern mit Fachgruppen und Arbeitsgemeinschaften eine wichtige Plattform für die Berufspraxis. „Die DPhG lebt nicht in einem Elfenbeinturm“, fügte Schmidt hinzu. Er freue sich über die zahlreichen Fortbildungsangebote der DPhG, die er nicht als Konkurrenz zur Fortbildung der Apothekerkammern sehe. Besonders schön sei es, wenn eine Apothekerkammer gemeinsam mit der DPhG eine Fortbildung veranstalte, beispielsweise wie es die Scheele-Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern praktiziere.

Schmidt ermunterte die DPhG, sich auch weiterhin als wissenschaftliche Fachgesellschaft zu aktuellen Fragestellungen, die den Apothekerberuf ­betreffen, zu äußern. Mit Blick auf das Perspektivpapier merkte der ABDA-Präsident an, dass man sich schon bald über die Ausbildung des Apothekers werde unterhalten müssen. „Mir ­dauert das alles zu lang“, gestand Schmidt. In dieser Thematik stecken Risiken, das sei ihm bewusst, aber der Dialog darüber müsse zeitnah fortgesetzt werden, wenn man Fortschritte erzielen wolle. In der DPhG fühle er sich hierfür gut aufgehoben.

Die emeritierten Pharmakologen Prof. Dr. H. P. T. Ammon (links) und Prof. Dr. Ernst Mutschler haben das Profil der DPhG mitgeprägt.

Kleiner Rückblick

Prof. Dr. Axel Helmstädter stellte ­eine Kurzbiografie der DPhG vor.

Eine Kurzbiografie der DPhG stellte Prof. Dr. Axel Helmstädter, Goethe-Universität Frankfurt, vor. Die Apotheker fühlten sich damals durch andere Gesellschaften an den Rand gedrängt. Mit der Gründung einer pharmazeutischen Gesellschaft sollte daher vor allem die Wissenschaftlichkeit der Pharmazie gestärkt werden. Schon 1884 habe der Pharmazieprofessor Alexander Tschirch dazu aufgerufen, die wissenschaftliche Pharmazie vor dem Niedergang zu bewahren. Doch sein Versuch misslang. Dennoch, „die Zeit war reif“, stellte Helmstädter fest, als Hermann Thoms im Oktober 1890 seine Pläne für eine pharmazeutische Gesellschaft vorstellte. Auf der Gründungsversammlung zur „Pharmaceutischen Gesellschaft mit Sitz in Berlin“ am 6. November 1890 stellte man heraus, eigenständig zu bleiben zu wollen. Ein ­Angebot, mit dem Berliner Apothekerverein zu verschmelzen, lehnte man freundlich ab. Im Mittelpunkt des Vereinszwecks sollte die Wissenschaftlichkeit stehen. Sie wurde bereits damals vor allem durch wissenschaftlich fundierte Fortbildung gelebt. Da schon bald ein reger Zulauf aus allen Teilen Deutschlands erfolgt, entschloss man sich 1895, der Gesellschaft den Namen „Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft“ zu geben. Durch die Bildung von Regionalgruppen konnte die Gesellschaft rasch wachsen. Das in den 20er-Jahren herausgegebene Publika­tionsorgan „Berichte der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft“ fusionierte aus Kostengründen mit dem Organ des Deutschen Apothekervereins, dem „Archiv der Pharmazie“. Erst 1972 wurde die DPhG-Mitgliederzeitschrift „Pharmazie in unserer Zeit“ gegründet, die dann 2013 in „Pharmakon“ umbenannt wurde und sechsmal im Jahr als Themenheft erscheint.

Die NS-Zeit war für die DPhG nicht einfach, sie behielt zwar ihren Status eines Vereins, bekam aber eine neue Satzung. Gegen 1944 kam die Vortragstätigkeit zum Erliegen. Nach dem Krieg erfolgte am 9. Juli 1946 die Neugründung, es bildeten sich bald regionale Vereinigungen, die Vortragstätigkeit belebte sich rasch, oft mit prominenten Rednern. Nach der Wende schlüpfte die pharmazeutische Gesellschaft der DDR am 8. September 1990 unter das Dach der DPhG.

Die DPhG heute

„Näher ran an pharmazeutische Inhalte ist der richtige Weg“ – davon zeigte sich Prof. Dr. Dieter Steinhilber, Präsident der DPhG, überzeugt.

Der Präsident der DPhG, Prof. Dr. Dieter Steinhilber, stellte die Entwicklung und heutige Bedeutung der Gesellschaft heraus. Alle Fachdisziplinen der Pharmazie sind in der DPhG vertreten. Da über die Hälfte der DPhG-Mitglieder in der Praxis tätige Apotheker sind, war und ist es für die DPhG wichtig, den Spagat zwischen Wissenschaft und Praxis zu schaffen. Als aktuelles Beispiel nannte Steinhilber das Medikationsmanagement, das sich die Apotheker auf die Fahnen geschrieben haben: Die DPhG bringe sich hier gerne ein, um in Fort- und Weiterbildung Fachwissen zu vermitteln. Mit der von der DPhG ins Leben gerufenen Agenda „Pharmazie 2020“ möchte man eine bessere Strukturierung und Qualitätssicherung des Dritten Ausbildungs­abschnittes erreichen. Steinhilber warnte davor, die Wissenschaftlichkeit der universitären Ausbildung zu verwässern. Der Apotheker dürfe seine Kernkompetenz des Arzneimittel­fachmanns nicht aufgeben: „Näher ran an pharmazeutische Inhalte ist der richtige Weg“, so Steinhilber.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nehme die DPhG sehr ernst, beispielsweise durch die Ver­anstaltung der Doktorandentagung, durch Förderungen und Preise. Auch für die Würdigung der Verdienste von Mitgliedern stehen der DPhG verschiedene Preise zur Verfügung, beispielsweise die Carl Mannich-Medaille oder die Elsa Ullmann-Medaille.

Steinhilber machte deutlich, dass sich die DPhG als Fachgesellschaft auch in wissenschafts- und gesellschaftspoli­tischen Fragen engagiere. Die DPhG-Statements zu aktuellen Fragestellungen werden von der Politik wahrgenommen und beachtet. Die enge Zusammenarbeit mit der ABDA soll auch in Zukunft beibehalten werden. Steinhilber hofft, dass die Pharmazie auch in Zukunft Wissenschaft bleibt.

Blick nach vorn

Prof. Dr. Stefan Laufer, der ab Januar Präsident der DPhG sein wird, will sich für die Wissenschaftlichkeit der Pharmazie einsetzen.

Prof. Dr. Stefan Laufer, der ab Januar 2016 die Präsidentschaft der DPhG übernimmt, ließ in seinem Blick nach vorne keinen Zweifel aufkommen: Er werde sich dafür einsetzen, dass die Wissenschaftlichkeit der Pharmazie erhalten bleibe. Die Ausbildung an einer Hochschule, die Forschung und Lehre betreibe, sei die Voraussetzung für den Pharmazeuten, der auch weiterhin und noch mehr als bisher auf Augenhöhe mit dem Heilberuf Arzt kommunizieren müsse. Als Arznei­mittelfachmann ist der Apotheker auch in Zukunft unersetzlich, so Laufer. Zur Diskussion um das Medikationsmanagement und einer geforderten Änderung der Apothekerausbildung machte Laufer einige grundsätzliche Bemerkungen. Der Arzneischatz wird zwar durch therapeutische Proteine und Biologicals bereichert, aber diese Stoffe werden die „small molecules“, die niedermolekularen Arzneistoffe, auch in Zukunft nicht verdrängen. In der Ausbildung der Pharmazeuten werden die personalisierte Medizin und die individualisierte Therapie eine größere Rolle spielen. Es wird nicht mehr notwendig sein, drei Barbituratsynthesen zu kennen, so Laufer, der Pharmazeut muss vielmehr die Wechselwirkungen verstehen, die zwischen Arzneistoffen und ihren Zielstrukturen im Körper ablaufen. Das Verständnis solcher Wechselwirkungen sei die Grundlage für das Medikationsmanagement. Kritisch durchforstet werden müsse die analytische Ausbildung der Pharmazeuten. Polarografische Methoden seien heute nicht mehr gefragt. Auf den Punkt gebracht: Wir brauchen nicht weniger pharmazeutische Chemie, sondern moderne Beispiele, die relevant sind, so Laufer. Werde dies berücksichtigt, werde eine neue Approbations­ordnung, so seine Hoffnung, nicht notwendig. Denn: Eine Aktualisierung der Lehre sei zu langsam und zu schwerfällig, es dauere zu lang, außerdem ­bestehe hochschulpolitisch die Gefahr, dass die Pharmazie ins Bachelor-Master-System gedrängt werde, was man nicht wolle. Mit der Agenda „Pharmazie 2020“ suche die DPhG nach Wegen, die Ausbildung zu modifizieren, ohne die Approbationsordnung zu ändern. Laufers Wünsche zur Geburtstagsfeier: Die DPhG möge auch weiterhin der Förderung der Wissenschaft dienen und sich zur Pharmazie als Naturwissenschaft bekennen mit dem Arzneimittel als Brücke in die Medizin.

Forschung und Entwicklung

Prof. Dr. Andreas E. Busch, Forschungsleiter bei der Bayer HealthCare AG, ist vom Forschungsstandort Deutschland überzeugt.

Der Weg von der Idee eines Arznei­mittels hin zu einem erfolgreichen Therapeutikum ist auch heute sehr lang, wie Prof. Dr. Andreas E. Busch, Forschungsleiter bei der Bayer HealthCare AG, in seinem Festvortrag herausstellte. Nach zehn Jahren Forschung und Prüfung eines Wirkstoffs liege die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Prozent. Als Herausforderung stellt sich dabei die Frage: Arbeitet man überhaupt am richtigen Zielprotein? Dann: Wie erkennt man, ob man mit einer gefundenen Leitstruktur auf dem richtigen Weg ist? Hinzu kommt, dass Menschen unterschiedlich auf Arzneistoffe ansprechen. Mittlerweile versucht man daher mit Biomarkern festzustellen, ob ein Arzneistoff bei einer bestimmten Patientenpopulation überhaupt wirken kann oder nicht. Busch ist überzeugt: „Patienten zu stratifizieren wird immer wichtiger!“ Man werde sich daher immer stärker auf die personalisierte Medizin, die einen wirk­samen Arzneistoff mit der Biomarker-Diagnostik kombiniert, fokussieren.

Obwohl immer mehr Pharmafirmen ­ihre Aktivitäten ins Ausland verlagern, ist die Firma Bayer überzeugt, dass man mit den gegebenen Möglichkeiten die Forschung in Deutschland beibehalten kann. Wir haben eine ­exzellente Forschungslandschaft, so Busch, für die klinische Forschung gebe es genügend Krankenhäuser, an denen klinische Studien durchgeführt werden können. Nachdenklich stimme, dass in der Bevölkerung eine relativ große Innovationsskepsis festzustellen sei. „Wir brauchen eine soziale Akzeptanz der Innovation“, ist Busch überzeugt, „sonst wird es keinen Wohlstand mehr geben. Der Wohlstand der Gesellschaft ist mit wahren Innovationen und der Innovationsfähigkeit verlinkt.“ |

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