Arzneimittel und Therapie

Aufklären und überwachen

Experteneinschätzungen zur SPRINT-Studie

Die SPRINT-Studie rüttelt am Fundament der Blutdrucktherapie und stellt alle Studienergebnisse und Leitlinien der letzten Jahre infrage. Wie sind die neuen Daten zu bewerten? Welche Implikationen ergeben sich daraus für die Kardiologie und die Pharmakotherapie? Die DAZ bat Dr. Christian Fechtrup und Olaf Rose, Pharm.D., um eine Experteneinschätzung.

Dr. med. Christian Fechtrup, Facharzt für ­Innere Medizin, Schwerpunkte Kardiologie und Angiologie


DAZ: Wie bewerten Sie die Ergebnisse der SPRINT-Studie an sich? 
Fechtrup: Die Ergebnisse der SPRINT-Studie sind wichtig und werden zu einer Anpassung der Leitlinien führen müssen. Sie entspricht der „gefühlten Erkenntnis“ vieler Ärzte, dass eine strengere Einstellung des Blutdrucks auch prognostisch vorteilhaft ist. Allerdings konnten viele Kollegen – und bei vordergründiger Betrachtung auch die Kostenträger – mit den weniger ehrgeizigen Zielwerten gut leben, da sie häufiger und mit weniger Aufwand erreichbar waren. Damit wird zumindest für viele Patienten des SPRINT-Kollektivs Schluss sein, denn die prognostischen Vorteile der strengeren Blutdruckeinstellung waren evident und rechtfertigen intensivere, gemeinsame Anstrengungen.

Olaf Rose, PharmD, Apotheker

Rose: In den bisherigen Leitlinien wurden Daten spezieller Patientengruppen auf alle an Bluthochdruck Erkrankten übertragen. Die SPRINT-Studie hat eine hohe Relevanz, da sie die unkomplizierten Hochdruckpatienten betrachtet, methodisch sauber und nicht firmenfinanziert ist. Die mit einer intensiven Blutdrucksenkung erzielten Ergebnisse sind sehr eindrucksvoll.

DAZ: Wie beurteilen Sie die Ergebnisse im Kontext der Studien und Leitlinienanpassungen der letzten Jahre, die ja die Vereinheitlichung des Zielblutdrucks und eher höhere Zielwerte vorsehen?

Fechtrup: Klinische Forschung ist immer im Fluss. Auch aktuelle Leitlinien fußen nur auf dem Stand der gegenwärtigen Forschung, gewichten und übersetzen ihn für die Praxis. Insofern ist die Tatsache, dass mit der SPRINT-Studie neue Zielwerte untermauert werden, nichts Ungewöhnliches. Ähnliches haben wir in anderen Therapiefeldern gesehen, z. B. bei den LDL-Zielwerten und den kardiovaskulären Erkrankungen. Und auch dort ist das letzte Wort bei Weitem noch nicht gesprochen. Vielleicht ist das Konzept einer Vereinheitlichung des Zielblutdrucks für alle Patientenkollektive auch unangemessen, und an die Stelle wird – ähnlich wie beim LDL-Cholesterin – ein individueller Zielwert treten, der dem einzelnen Patienten besser gerecht wird. Für das in der SPRINT-Studie untersuchte Kollektiv bestimmter Risikopatienten wird jedoch deutlich, dass ein Zielblutdruck von 120/80 mmHg angestrebt werden sollte, wenn auf unerwünschte Effekte geachtet und reagiert wird.

Rose: Vereinheitlichte Zielwerte haben immer den großen Vorteil, dass sie von einer Vielzahl von Praktikern beachtet werden. Komplexere Vorgaben und häufige Änderungen führen hingegen oft zu einer generellen Ablehnung, nicht wenige Ärzte und Apotheker waren in der Vergangenheit mit den allerdings wichtigen LDL-Cholesterin-Vorgaben bei kardiovaskulären Krankheiten überfordert und relativierten das Thema daher für sich. Einzelne Studienergebnisse sollten daher immer mit Vorsicht betrachtet werden, in den therapeutischen Kontext eingeordnet und nicht überbewertet werden. Oft ist die klinische Relevanz niedrig. Die Ergebnisse der SPRINT-Studie sind aber so eindeutig, dass eine Anpassung der Leitlinien erwartet werden kann. Die Relevanz für die Praxis ist ziemlich hoch und das betroffene Patientenkollektiv enorm.

DAZ: Welche klinische Implikation hat die SPRINT-Studie für Sie in der Praxis (Kardiologie/klinische Pharmazie)?

Fechtrup: Die Einbindung der Studienergebnisse in Leitlinien wird die Aufgabe der entsprechenden Kommissionen sein. Bis dahin liefert die Studie hervorragende Argumente, den Blutdruck bei Patienten, die in das SPRINT-Kollektiv passen, streng und auf einen Zielwert von 120/80 mmHg einzustellen. Sie kann Ärzte und aufgeklärte Patienten dazu motivieren, mit noch größerer Gewissenhaftigkeit die Behandlung des Blutdrucks zu betreiben, um eine möglichst optimale Prognose zu haben. Auf jeden Fall sollen die Anstrengungen intensiviert werden, um die viel zu große Lücke zwischen den in der Realität der Patientenversorgung erreichten und den angestrebten Blutdruckwerten zu schließen.

Rose: Wichtig ist jetzt, dass Patienten nicht eigenmächtig handeln oder vorschnell dazu ermuntert werden, ihren Blutdruck übermäßig zu senken. Hierzu kann auch in der Apotheke ein deutlicher Beitrag geleistet werden. Es muss vorab geklärt werden, dass die hierfür ausgewählten Patienten den Einschlusskriterien der Studie entsprechen, also älter als 50 Jahre und nicht Diabetiker sind, zudem darf anamnestisch kein Schlaganfall aufgetreten sein. Sofern man sich dann für einen systolischen Zielwert unter 120 mmHg entscheidet, sollte der Patient über das Risiko für Synkopen und Hypotonie aufgeklärt werden, Elektrolyte und die Nierenfunktion (Serumkreatinin) müssen außerdem strenger überwacht werden. Zudem sollte entsprechend auf Natrium und Kalium geachtet werden, gegebenenfalls müssen auch Dosierungen anderer Arzneimittel dann vermehrt an die Nierenfunktion angepasst werden. Systolische Werte von 120 mmHg sind bei vielen Hypertonikern in der Praxis leider nur sehr schwer zu erreichen. |

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