Die Seite 3

Mit Abstand sicher

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Mit dem Titel „Notfallkontrazeption – hormonelle Kontrazeptiva können Effekt von Ulipristal (ellaOne®) mindern“ greift das arznei-telegramm in seiner November-Ausgabe das Interaktionsrisiko des selektiven Progesteron-Rezeptor-Modulators Ulipristal mit Gestagen-haltigen Kontrazeptiva auf. Kritisiert wird die Einstufung des Risikos und die daraus zu ziehenden Konsequenzen durch die europäische Zulassungsbehörde EMA. Und in der Tat empfehlen die EMA und die amerikanische Zulassungsbehörde FDA ein völlig unterschiedliches Vorgehen:

Die FDA lässt mit einem Warnhinweis auf der ellaOne®-Packung darauf hinweisen, dass nach einer Notfallkontrazeption mit Ulipristal eine hormonelle Kontrazeption frühestens fünf Tage später begonnen werden darf. Sie interpretiert die beiden einzigen zum Interaktionspotenzial von Ulipristal mit hormonellen Kontrazeptiva durchgeführten klinischen Studien so, dass Gestagene in hormonellen Kontrazeptiva die Ulipristal-Wirkung einschränken können.

Die EMA sieht das anders. In der deutschen Fachinformation heißt es: „Obwohl die Anwendung von ellaOne® keine Kontraindikation zur weiteren regelmäßigen hormonellen Kontrazeption darstellt, kann ellaOne® die kontrazeptive Wirkung beeinträchtigen. Aus diesem Grund können Frauen zwar nach Anwendung von ellaOne® die Anwendung hormoneller Kontrazeption beginnen oder fortsetzen, sofern sie dies wünschen, sie sollten jedoch bis zur nächsten Monatsblutung eine zuverlässige Barrieremethode anwenden.“ Die Formulierung „können nach der Anwendung von ellaOne® die Anwendung hormoneller Kontrazeption beginnen oder fortsetzen“ ist nach Ansicht des arznei-telegramms nicht nur unzureichend, sondern regelrecht irreführend. Denn wann genau die hormonelle Kontrazeption nach Notfallkontrazeption begonnen oder fortgesetzt werden kann – am gleichen Tag, einen oder mehrere Tage später – das ist der Fachinformation tatsächlich nicht zu entnehmen. Von der Gefahr einer geminderten Wirkung des Notfallkontrazeptivums Ulipristal durch hormonelle Kontrazeption scheint die EMA jedenfalls nicht auszugehen. Sie treibt wohl eher die Sorge um, dass das mit hoher Affinität an den Progesteron-Rezeptor bindende Ulipristalacetat die Wirkung der in hormonellen Kontrazeptiva enthaltenen Gestagene beeinträchtigen kann.

Wird die Wirkung von Ulipristal also nicht durch andere Gestagene gemindert, weil es der Sieger am Progesteron-Rezeptor ist? Die beiden klinischen Studien, auf die sich die FDA beruft, die aber die EMA wohl nicht überzeugt haben, lassen daran zweifeln („Pille“ nur mit Sicherheitsabstand? s. S. 32). Zudem wurden in diesen Studien nur Desogestrel und Levonorgestrel untersucht. Wie sieht es mit den anderen in Kontrazeptiva eingesetzten Gestagenen aus? Verdrängen sie Ulipristal vom Rezeptor oder umgekehrt? Vor diesem Hintergrund bleibt ein gewisses Unbehagen, nach einer Notfallverhütung mit Ulipristal dessen Wirkung durch vorschnelle Anwendung hormoneller Kontrazeptiva möglicherweise zu gefährden. Mit dem amerikanischen Fünf-Tage-Sicherheitsabstand und der Anwendung von Barrieremethoden über einen ausreichend langen Zeitraum wäre man in jedem Fall auf der sichereren Seite. Was – außer hohen Ansprüchen an die Adhärenz – spricht eigentlich dagegen?


Dr. Doris Uhl


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