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Arzneimittel und Therapie
Frauen empfinden Schmerzen anders
Geschlecht und Alter beeinflussen Langzeit-Effektivität von Opioiden
Chronische, nicht-tumorbedingte Schmerzen, für die im klinischen Sprachgebrauch die Abkürzung CNTS verwendet wird, treten z. B. bei Patienten mit Arthrose, diabetischer Polyneuropathie, Postzoster-Neuralgie oder chronischen Rückenleiden auf. Eine repräsentative Umfrage in Deutschland ergab 2014, dass 7,4% der Befragten im Alter über 14 Jahren die Kriterien für CNTS erfüllten. Bei der Therapie dieser Schmerzen kommen auch Opioide wie Buprenorphin, Fentanyl, Hydromorphon, Morphin, Oxycodon, Tapentadol und Tramadol zum Einsatz.
Steigende Verordnungszahlen
Obwohl die Langzeitanwendung (mehr als drei Monate) von opioidhaltigen Analgetika bei CNTS nicht nur in Deutschland (s. Kasten zur S3-Leitlinie) kritisch diskutiert wird, haben die Verordnungen in den letzten zehn bis 15 Jahren international zugenommen. So verzeichnet beispielsweise die Barmer Ersatzkasse BEK bei Versicherten mit Nichtkarzinom-Diagnosen einen Anstieg der Verordnungen (nach definierten Tagesdosen, DDD) von schwachen Opioiden im Zeitraum 2006 bis 2009 um 9,5%, von starken Opioiden sogar um 35,1%. Unterschiede bezüglich Alter und Geschlecht der Patienten gehen aus diesen Analysen allerdings nicht hervor. Auch in den USA hat die Langzeitanwendung von Opioiden in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dabei zeichnete sich mit zunehmendem Alter ein Anstieg der Verordnungen ab. Außerdem war in allen Altersgruppen der Anteil von Verordnungen für weibliche Patienten größer.
S3-Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen
Opioide sind bei chronischen Arthrose- und Rückenschmerzen sowie bei neuropathischen Schmerzen empfohlen. Jedoch profitieren nur etwa 25% der Patienten längerfristig (mehr als 26 Wochen) von einer Opioid-Therapie bei gleichzeitiger guter Verträglichkeit. Außerdem sind Risiken wie missbräuchliche Verwendung, sexuelle Störungen oder erhöhte Mortalität zu beachten. Für andere Schmerzen (z. B. aufgrund von manifester Osteoporose, arteriellen Verschlusskrankheiten oder Dekubitus) ist die Datenlage unzureichend. Eine Opioid-Therapie sollte in diesen Fällen nur als individueller Therapieversuch angesehen werden.
Die Leitlinie differenziert nicht zwischen der Therapie bei Männern und Frauen. Altersbedingte Unterschiede werden jedoch thematisiert: Der Patient sollte auch über altersbedingte Risiken von Opioiden informiert werden. Zu diesen zählen Sturzgefahr und Verwirrtheit bei älteren Menschen sowie Libidoverlust bei jüngeren Patienten.
Quelle: S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen - LONTS“, Stand September 2014, Überarbeitung Januar 2015: www.awmf.org
Studie untersucht Gender-Unterschiede
Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat nun eine Untersuchung vorgelegt, die sich mit der Qualität der Schmerzkontrolle in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht befasst. Die Erstautorin der Studie, Prof. Linda LeResche vom Institut für Mund- und Zahnmedizin an der Universitäts-Zahnklinik des Bundesstaates Washington in Seattle (USA), gehört zu den führenden Forscherinnen auf dem Gebiet der Gendermedizin (s. Kasten). Dieser Forschungszweig hat schon viele interessante Erkenntnisse erbracht – auch zum Thema Schmerz. So unterscheiden sich Frauen und Männer zum Teil deutlich beim Empfinden und der Bewältigung von Schmerzen. Mögliche Ursache könnten anatomische und neurophysiologische Unterschiede im nozizeptiven System sein. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass das Schmerzempfinden von soziokulturellen Faktoren abhängig ist. Der Gedanke liegt jedenfalls nahe, dass schmerzlindernde Behandlungsmethoden bei beiden Geschlechtern unterschiedlich wirken.
Gendermedizin
Männer und Frauen können bei derselben Krankheit unterschiedliche Symptome zeigen, anders auf Therapien ansprechen und sich auch in der Art und Weise, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen, unterscheiden. Die Gendermedizin untersucht physiologische und pathophysiologische Ursachen dieser Unterschiede mit dem Ziel, auf Basis dieser Erkenntnisse die Gesundheit von Männern und Frauen zu verbessern.
Quelle: The International Society of Gender Medicine, www.isogem.com
Schlechtere Schmerzkontrolle bei Frauen
Die Studie basiert auf telefonischen Befragungen von über 2000 Patienten im Alter zwischen 21 und 80 Jahren, die länger als drei Monate Opioide anwendeten. Es wurden unter anderem Parameter wie die durchschnittliche Schmerzstärke auf einer Skala von 1 bis 10, Schmerz-assoziierte Beeinträchtigungen oder die Anzahl der Tage mit Aktivitätsminderung erfragt. Ziel war es, die typischen Erfahrungen von Schmerzpatienten unter Langzeit-Opioidtherapie in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht näher zu charakterisieren. Diese Informationen könnten Ärzten helfen, Nutzen und Risiken einer Behandlung besser gegeneinander abzuwägen.
15% der weiblichen Patienten berichteten über eine gute Schmerzkontrolle durch die Opioide, bei den Männern waren es 26%. Eine differenzierte Betrachtung der Altersgruppen 21 bis 44, 45 bis 64 und 65 bis 80 Jahre ergab, dass nur rund 10% der Frauen zwischen 21 und 44 eine zufriedenstellende Linderung von Schmerzen und schmerzbedingten Funktionseinschränkungen angaben, bei den gleichaltrigen Männern waren es doppelt so viele. Im Alter zwischen 65 und 80 war die Qualität der Schmerzkontrolle bei Frauen und Männern annähernd gleich. Das Fazit: Junge Frauen und solche mittleren Alters scheinen ein höheres Risiko für eine unzureichende Wirkung der Langzeitbehandlung mit Opioiden zu besitzen.
Klärung der Ursachen nötig
Die Ursachen dafür sind noch nicht ausreichend geklärt. So könnten beispielsweise Alters- und Geschlechterunterschiede bei der Pharmakokinetik und -dynamik der Opioide von Bedeutung sein. Auch die Geschlechtshormone könnten eine Rolle spielen. So ist beispielsweise bekannt, dass Östrogene Schmerzen verstärken können, Testosteron dagegen dämpfend auf deren Weiterleitung wirkt. Es müsse auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, so die Autoren, dass Opioide bei Männern und Frauen gleich gut oder schlecht wirken, dass die Frauen vor Therapiebeginn aber intensivere Schmerzen haben. Denkbar wäre auch, dass sie aus psychosozialen Gründen eher in der Lage sind, Schmerzen und Funktionseinschränkungen zu kommunizieren. Andererseits gibt es auch Hinweise darauf, dass Frauen auf eine Kurzzeitbehandlung mit Opioiden besser ansprechen als Männer.
Offenbar ist noch viel Forschungsarbeit nötig, um alle zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen und behandelnden Ärzten entsprechende Hilfestellungen für das individuelle Schmerzmanagement an die Hand zu geben. |
Quelle
LeResche L et al. Sex and Age Differences in Global Pain Status Among Patients Using Opioids Long Term for Chronic Noncancer Pain. J Womens Health 2015;24(8):629-35
Häuser W et al. Untying chronic pain: prevalence and societal burden of chronic pain stages in the general population - a cross-sectional survey. BMC Public Health 2014;14:352
Häuser W et al. Clinical practice guideline: Long-term opioid use in non-cancer pain. Dtsch Arztebl Int 2014;111: 732–740
Gender-Unterschiede auch bei Schmerz, 22. Januar 2014: www.aerztezeitung.de
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